
Die Berliner Politik-Blase steht kurz vor der Sommerpause. Doch für Jens Spahn dürften die nächsten Wochen keine Erholung bieten: Nicht nur wegen des warmen Wetters könnte der CDU-Fraktionsvorsitzende zurzeit ins Schwitzen geraten. Denn der sogenannte Sudhoff-Bericht belastet den ehemaligen Gesundheitsminister. Seit kurzem ist die geschwärzte Fassung in Umlauf. Transparente Politik sieht anders aus.
Dennoch: Der Bericht wird das Sommerloch der kommenden Wochen füllen. In der abendlichen Runde bei Markus Lanz ist der ebenfalls ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu Gast. Lauterbach ist Auftraggeber des Berichts, der jetzt für Wirbel sorgt. Allerdings ist der Ex-Minister nicht zur Aufklärung in die Sendung gekommen. Der SPD-Mann weigert sich, genauere Auskunft zu geben. Wahrscheinlich nicht ohne Grund, da der Politiker selbst in dem Bericht vorkommt. Die Sendung ist ziemlich zähe Kost, da Lauterbach Lanz und dem Publikum alle wichtigen Antworten vorenthält. Doch eines offenbart sie in frappierender Art und Weise: Während der Covid-Krise haben fahrlässige Politiker wie Spahn und Lauterbach durch ihr Handeln eine Goldgräberstimmung aufkommen lassen, für die sie sich aktuell nicht mehr verantworten wollen.
Markus Lanz hat an diesem Abend auf die große Aufklärung durch Karl Lauterbach spekuliert und hat sie nicht bekommen. Der Auftraggeber des Sudhoff-Berichts hüllt sich in Schweigen und möchte weder zu seinen Verfehlungen noch zu den Verfehlungen von Jens Spahn Auskunft geben. Auch den fragwürdigen Umgang der aktuellen Ministerin Warken mit dem Bericht möchte Lauterbach nicht kommentieren. “Ich bin nicht in die Sendung gekommen, um meine Nachfolgerin zu kritisieren”, wiederholt Lauterbach mantraartig auf bohrende Nachfragen von Lanz.
Stattdessen lobt Lauterbach den Bericht und damit seine eigene Entscheidung, diesen in die Wege zu leiten. “Die Arbeit von Frau Sudhoff ist qualitativ sehr hochwertig”, äußert sich der ehemalige Minister. Er selbst habe sich bei der Erstellung des Berichts nicht eingemischt, sodass dieser in keinster Weise politisch beeinflusst sei, beteuert Lauterbach. “Frau Sudhoff sollte es in klarer Sprache aufarbeiten”, erläutert er.
Von echter Klarheit kann angesichts von Schwärzungen im Bericht jedoch keine Rede sein. Lauterbach selbst möchte an diesem Abend nicht für mehr Klarheit sorgen, obwohl er den Bericht kennt. Stattdessen soll es die Aufgabe der Journalisten sein, dafür zu sorgen, dass eine transparente Fassung des Berichts in der Öffentlichkeit erscheint. “Sie sind Journalist”, entgegnet er dem erstaunten Moderator. Möglicherweise werden erst deutsche Gerichte das Publikwerden einer ungeschwärzte Fassung des Sudhoff-Bericht ermöglichen: Die Unternehmerin Tanja Gulden hat dem Gesundheitsministerium während der Pandemie Masken verkauft und wurde nie bezahlt. “Wir haben auf eine Herausgabe des Berichts geklagt”, berichtet sie. Die Unternehmerin klagt seit fünf Jahren gegen den Bund.
Die irrationale Panik, die gerade während der Anfangszeit der Corona-Krise herrschte, hat für viel Schaden gesorgt. Durch den Sudhoff-Bericht bekommt der Bürger einen kleinen Ausschnitt aus dem Polit-Irrsinn der damaligen Tage präsentiert. Ein dem Maskenwahn verfallener Jens Spahn erzeugte durch grob fahrlässiges Management eine völlig wahnwitzige Goldgräberstimmung in der Gesellschaft, die wohl auch Parteifreunde mit seiner Hilfe zu nutzen wussten.
In der Sendung zu Gast ist Tanja Gulden, eine Unternehmerin aus dem baden-württembergischen Keltern, die wahrscheinlich vor lauter Dollarzeichen in den Augen während der Pandemie von Schmuckimport auf Maskenimport umstieg. Allerdings war ihr Glaube an die vermeintlich schnelle Mark ein ärgerlicher Irrtum. Der Bund weigert sich bis heute, für die Masken von Gulden zu zahlen. “Der Bund wurde vertragsbrüchig”, beklagt die Unternehmerin.
“Unsere Masken entsprechen der chinesischen Norm”, erklärt Gulden. Weil die Masken keinen europäischen Normen entsprechen, gibt es kein Geld vom Gesundheitsministerium. Für die SZ-Journalistin Christina Berndt ist dies ein absolutes Unding. “Das Ministerium hat gar keine Qualitätskriterien festgelegt”, berichtet Berndt. Gulden fühlt sich vom Bund getäuscht, da sie kein Geld für ihre chinesischen Masken erhielt.
Als ehemaliger Minister möchte Karl Lauterbach nichts zu diesem Fall sagen. “Ich mische mich nicht ein”, sagt der Rheinländer lapidar. Christina Berndt möchte Lauterbachs Aussagen nicht ohne weiteres stehen lassen. “Spahn ist zu hemdsärmelig vorgegangen”, kritisiert sie scharf. Er habe sich über alle Warnungen hinweggesetzt, ergänzt Berndt. Pikant ist vor allem, dass das Ministerium, nachdem es den Maskenkauf vorerst stoppte, später weitere Masken zu noch höheren Konditionen aufkaufte und Parteifreunde von Spahn sich eine goldene Provisionsnase verdienten.
“Es geht um Deals und den Verdacht der Vorteilsnahme”, kritisiert Berndt. Doch Karl Lauterbach blockt ab. Er möchte nichts über Jens Spahn sagen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Mann, der den Bericht initiiert hat, nun gar keine Stellung zum Ergebnis beziehen möchte. Zu seiner eigenen Rolle im Bericht möchte Lauterbach selbstredend auch keine Auskunft erteilen.
Für den Bund ist der Bericht heikel, egal ob Lauterbach etwas dazu sagt oder nicht. “Es sind noch 80 Verfahren anhängig”, berichtet Unternehmerin Gulden. Die ersten sechs hat der Bund verloren. Sollte dies bei den anderen Verfahren auch der Fall sein, droht dem Steuerzahler ein Schaden von bis zu vier Milliarden Euro durch politisches Missmanagement von Jens Spahn.
Alles in allem ist der Talk ein Dokument der politischen Verantwortungslosigkeit. Lauterbach möchte selbst keine Verantwortung übernehmen und möchte auch Jens Spahn nicht öffentlich für Fehler verantwortlich machen. Es stellt sich die Frage, wieso er überhaupt einen Bericht in Auftrag gegeben hat, wenn er sich dazu gar nicht mehr äußern will: Die Wege des Karl Lauterbachs sind unergründlich.