Bei Lanz: Trittin wittert rechte Verschwörung gegen Brosius-Gersdorf

vor etwa 6 Stunden

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Die abgesagte Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht ist auch fast eine Woche später das Topthema des politischen Berlin. Die Abgeordneten der Unionsfraktion hatten es doch tatsächlich gewagt, ihrem eigenen Gewissen zu folgen – grundgesetzkonform, denn nach Artikel 38 sind Abgeordnete nur ihrem Gewissen verpflichtet – und verweigerten einer linken Abtreibungsbefürworterin ihre Stimme. Seitdem herrscht große Aufregung. Besonders im linken politischen Spektrum und in den Mainstreammedien wird die Weigerung der Unionsfraktion als Anschlag auf “unsere Demokratie” gewertet.

China ist an diesem Abend das zweite große Thema. Politologe Xuewu Gu konfrontiert Trittin in der Sendung mit den diplomatischen Aussetzern seiner Parteifreundin Annalena Baerbock und hat auch noch einen Seitenhieb für die frischgebackene New Yorkerin parat. Die Sendung ist vor allem wegen der Expertise von Gu durchaus unterhaltsam und sehenswert.

Jürgen Trittin ist in die Jahre gekommen. Der Norddeutsche kann auf eine lange und für ihn persönlich erfolgreiche Karriere zurückblicken. Viele Politiker verändern im Alter nochmal ihren politischen Kompass und vertreten dann gemäßigte politische Positionen. Trittin gehört nicht zu dieser Gattung altersmilder Politiker. Er steht wie zu seiner Anfangszeit als junger Kommunist in der Studentenbewegung ganz weit links. Deshalb ist aus seiner Sicht die abgesagte Wahl das Zeichen für etwas Schlimmes. „Sie führen einen Kulturkampf von Rechts“, raunt er den Kritikern der linken Jura-Professorin Brosius-Gersdorf entgegen.

Allerdings richtet sich seine Wut nicht nur gegen die vermeintlich bösen Konservativen im Netz, sondern auch gegen Jens Spahn. Trittin kritisiert: „Jens Spahn kann seinen Job nicht.“ Damit liegt der ehemalige Göttinger Bundestagsabgeordnete nicht ganz falsch. Hätte Jens Spahn ein bisschen Recherche betrieben, als Brosius-Gersdorf als Kandidatin aufs Tableau kam, so hätte er damals schon abwinken können. Allerdings hatten sowohl Jens Spahn als auch Friedrich Merz Besseres zu tun und winkten die Kandidatin durch. Die Journalistin Antje Höning kritisiert dies. „Die Union ist schlecht vorbereitet“, meint sie dazu. Auch sie gibt Fraktionschef Spahn die Hauptschuld. „Jens Spahn ist schneidig in der Ansprache, aber vermasselt das Gesellenstück“, erklärt Höning.

Für den chinesisch-stämmigen Politologen Xuewu Gu ist die ganze Aufregung wenig nachvollziehbar. Er erklärt den verdutzten Talkgästen, dass eben jener Vorgang in der Fraktion ein Beweis dafür sei, dass die Demokratie in Deutschland funktioniere. „Es ist kein Drama“, sagt Gu trocken. Er trifft den Nagel auf den Kopf. Als die Grünen einen CDU-Kandidaten für das Verfassungsgericht als zu konservativ empfanden und ablehnten, gab es die Aufregung der letzten Tage nicht. Es mangelt vielen angeblichen Freunden der Demokratie daran, parlamentarische Prozesse zu akzeptieren, wenn sie nicht wie gewünscht verlaufen. Vielleicht sollten Trittin und Co. bei der AfD-Fraktion nachfragen, was es heißt, das Vorschlagsrecht für einen Kandidaten für ein Amt zu haben, der dann aus Prinzip immer wieder abgelehnt wird.

Auch Annalena Baerbock musste natürlich einen Kommentar zur abgesagten Richterwahl abgeben. Aus New York schrieb sie in den sozialen Medien, dass sie es persönlich kenne, wenn qualifizierten Frauen der Job weggenommen wird. Sie meinte damit sich selbst, was nicht ganz ohne Ironie ist. Schließlich war es Baerbock selbst, die einer klugen und hoch angesehenen deutschen Diplomatin den wohlverdienten Job bei der UN wegschnappte.

Trittin möchte Baerbocks diplomatisches Elefanten-Getrampel im China-Laden ins rechte Licht rücken. „Die deutsche Industrie hat ihre Haltung gegenüber China geändert“, rechtfertigt er. Seine Parteifreundin habe dies in ihrer Kommunikation nachvollzogen, erklärt Trittin. „Baerbock hat die Chinapolitik von Naivität befreit“, lobt der ehemalige Abgeordnete. Ob Baerbock die deutsche Chinapolitik oder diplomatische Benimmregeln wirklich verstanden hat, ist fraglich. Was Trittin unterschlägt, ist, dass der deutsche Kanzler Olaf Scholz die Chinapolitik zur Chefsache machte und ganz andere Töne wählte. Er soll sich sogar für die ein oder andere Aussage von Baerbock bei den Chinesen entschuldigt haben.

Journalistin Antje Höning fasst Baerbocks außenpolitisches Wirken treffend zusammen: „Sie hat Außenpolitik gemacht, um innenpolitisch zu punkten.“ Zusammenfassend lässt sich über den Talk sagen, dass er vor allem von der sachlich-nüchternen Expertise des Xuewu Gu profitiert und deswegen recht kurzweilig war. Auch wenn größere Erkenntnisgewinne ausblieben.

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