
Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Nach einer kurzen Zeitspanne von sechs Wochen stellten die Parteivorsitzenden Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU) sowie Lars Klingbeil (SPD) und Saskia Esken (SPD) am Mittwochnachmittag den Koalitionsvertrag in Berlin vor. Das Ergebnis ist eine neue linke Regierung. Zu lesen sind zum Beispiel „Antidiskriminierungsstelle des Bundes“, „Geschlechtliche Vielfalt“ oder „Selbstbestimmungsgesetz“. Eine „Wirtschaftswende“ oder gar „Migrationswende“ lassen sich nicht finden. Das auszusprechen, trauen sich die Kommentatoren bei Maischberger am Mittwochabend nicht.
Dass die Verhandlungen zwischen Union und SPD vielleicht unter „atmosphärischen Störungen“ litten, sehen die Gäste unproblematisch. „Wenn es um die Atmosphäre ging, wäre die Ampel die beste Regierung der Welt gewesen. Die haben ja Selfies gemacht und Ingwer-Tee gekocht und umarmt und sich geduzt“, spottet der stellvertretende Chefredakteur der „Welt“ Robin Alexander. Ob es sich wirklich um ein besseres Omen handelt, wenn sich die Union für eine Kanzlerschaft auf die Knie wirft, sei dahingestellt. Während Friedrich Merz den Koalitionsvertrag als „Aufbruchsignal“ bezeichnet, schwebt Markus Söder in der Sphäre, in der der Koalitionsvertrag „ein kleiner Bestseller“ werden kann. Ist das eine Prophezeiung, dass Söder in die Fußstapfen eines Kinderbuchautors tritt?
Die erste Kritik bekommt der „Bestseller“ von Robin Alexander. Die Antwort zu schwierigen Aufgaben, wie Rente, Gesundheit und Pflege, beantworte die Koalition mit: „Wir gründen Kommissionen.“ Ebenso pessimistisch ist die Journalistin vom „Tagesspiegel“ Ann-Kathrin Hipp. Sie philosophiert über das Genre des „Bestsellers“: „Wird es jetzt irgendwie ein Drama, wird es eine Komödie, wird es irgendwie doch das große Heldenepos?“ Immerhin sei der Koalitionsvertrag nicht „so sehr Moral gesteuert“, sondern „mehr Interessen gesteuert“, wirft Meyer-Burckhardt ein. Und welche Interessen das sind, zeigen zahlreiche Projekte, wie zum Beispiel „Demokratie leben!“.
Wie es um die Wirtschaftswende steht, zeigt die Sorge um das Klima, welches in einer Runde mit Hauptstadtjournalisten natürlich nicht fehlen darf. Hipp beschwert sich, dass „das Klima [nur] eine halbe Seite [im Koalitionsvertrag] ausmacht“. Robin Alexander widerspricht, haben sie sich doch auf „Klimaneutralität“ bis 2045 geeinigt. Und damit nicht genug an ÖRR-Lieblingsthemen. Sie haben es erraten: Es wäre nicht dasselbe ohne Trump-Bashing. Meyer-Burckhardt sieht mit dem Selenskyj-Debakel im Weißen Haus „das Ende des Westens“ und empfiehlt, Therapeuten in das Weiße Haus zu senden – wobei notorisches Lügen doch eher ein deutsches Problem zu sein scheint.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union Jens Spahn (CDU) darf sich schließlich selbst zum Koalitionsvertrag rechtfertigen, unter strenger Kritik aus der Opposition von der Parteivorsitzenden des Bündnis 90/Die Grünen, Katharina Dröge – und Sandra Maischberger. Spahn ist zufrieden mit dem „Gesamtkunstwerk“. Die Frage sei doch gewesen, ob sie „gemeinsam den Schuss gehört“ haben, so Spahn. Für ihn ist es eindeutig: „Wenn ich das Ergebnis sehe, wo wir jetzt sind mit dem Koalitionsvertrag, würde ich sagen: Ja, wir haben verstanden. Wir wollen die Wende bei der Migration, wir wollen für Wachstum sorgen.“ Hat Spahn den Schuss gehört?
Die beiden beginnen, sich den „Schwarzen Peter“ zwischen „unbeliebteste Bundesregierung“ und „Wirtschaftspolitik von Robert Habeck“ hin und her zu schieben. In so einem Wortgefecht kann einem schon einmal das Du herausrutschen. Dröge fängt sich aber schnell wieder und wettert weiter über die Unfug-Kampagne, „den Atomausstieg rückgängig zu machen für die Energiepreise“. Wieder lautes Klatschen des Publikums, welches Spahn zynisch kommentiert: „Es mag hier im Studio der ARD Applaus geben, nur ist diese Politik abgewählt worden.“ Maischbergers Lippen bilden einen Strich.
Als ihren letzten Gast begrüßt Maischberger Kabarettist Dieter Nuhr, welcher über sein neues Buch spricht. Auch wenn er sich zum Koalitionsvertrag nicht kritisch äußert, weiß er durchaus Kritik an Katharina Dröge. Es seien „unglaublich viele Fehler gemacht worden“ in der Migrationspolitik. „Wir haben die Sorgen um die Migration nicht ernst genommen. Frau Esken sitzt da und sagt, was hat sie gesagt? Ich glaube, dass das gar kein Thema für Normalbürger ist. […] Ein Freund von mir zahlt Schutzgeld an Leute in der Klasse seines Sohnes, damit sie ihn auf dem Schulweg nicht angreifen. Ein anderer Freund von mir, dessen Tochter geht nicht mehr mit kurzem Röckchen in die Schule, weil sie Angst hat, als Schlampe zum Freiwild zu werden.“ Maischberger lässt dies alles unkommentiert stehen.
Als Nuhr schließlich auch noch über den WDR herzieht, welcher in einem Redaktionsgespräch „erstmal Pronomen austauschen wollte“, klingeln bei Maischberger die Alarmglocken: „Und die Folge ist, dass wir dann Menschen wählen wie Donald Trump?“ Nuhr rudert ängstlich zurück: „Wir nicht. Ich habe ihn nicht gewählt und ich gehe davon aus, dass Sie auch nicht so jemand wählen. Ich habe auch nicht AfD gewählt, würde auch nicht AfD wählen und Sie auch nicht.“ Maischberger blickt zufrieden.
Da hat Nuhr noch einmal Glück gehabt.