Bei Maischberger: Wortbruchkanzler ohne Reue

vor 2 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Vielleicht wusste Sandra Maischberger, was ihr dräute. Vielleicht ahnte sie bereits, dass man Friedrich Merz eigentlich niemals mehr irgendetwas Ernsthaftes fragen sollte. Weil man auf sein Wort einfach nichts geben kann. Vielleicht beginnt Maischberger die Sendung deshalb so watteweich. Sie rührt eifrig in der Vergangenheit, lässt dauernd irgendwelche uralten Szenen einspielen oder stellt Fragen wie diese: „Sie sind vor etwa 35 Jahren in die Politik gegangen, jetzt sind Sie Kanzler. Hat sich für Sie so etwas wie ein Lebenstraum erfüllt?“ Die Antwort darauf lautet übrigens Nein, und auch das dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach gelogen sein.

Auch als sie später härter wird, mal nachhakt und durchaus versucht, den Mann zu stellen, festzunageln, kann sich Friedrich Merz aus allen Klammergriffen leicht befreien. Seine Vorstellung von Ehrlichkeit ist wirklich erstaunlich dehnbar. Und lässt sich auf eine knappe Formel bringen: Eine Lüge ist keine Lüge ist keine Lüge. Der Bundeskanzler der zweiten Wahl, der die Menschen mit Versprechungen lockte, die er nach der Wahl innerhalb sensationell kurzer Zeit wieder einkassierte, tut bei Maischberger einfach so, als sei das alles ganz normal. Das dürfte die allergrößte Lüge im Leben dieses Mannes sein.

So verquer die Eigenwahrnehmung, so seltsam auch sein Blick auf das Land. Nur wenige Wochen nach dem Ende von Rot-Grün sieht er eine geradezu dramatische Wende: „Jetzt schauen sie sich die Stimmung im Land doch einmal an, Frau Maischberger. Ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich überrascht darüber, wie schnell sich das zum Besseren gewendet hat.“ Es sei „viel Optimismus da, viel Zuversicht, es sind aber auch Hoffnungswerte“. Fehlen nur noch die blühenden Landschaften.

Maischberger konfrontiert ihn mit einem anderen gebrochenen Wahlversprechen: „Sie haben schon eine Woche vor der Bundestagswahl prüfen lassen, ob man noch mit den Mehrheiten des alten Bundestages möglicherweise Schulden aufnehmen kann, nach der Wahl. Stimmt das?“

Merz gibt es unumwunden zu, sieht darin aber überhaupt kein Problem: „Ja, Sie haben es ja selber richtig zitiert. Ich hab mit einem führenden Verfassungsrechtler in Deutschland gesprochen. Was könnten wir eigentlich noch zwischen dem alten und dem neuen Bundestag entscheiden, welche Möglichkeiten haben wir da noch? Weil absehbar war, dass wir möglicherweise sehr schwierige Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag bekommen. Und es hat sich dann ja auch genauso herausgestellt. Und wir haben mit dem alten Bundestag noch eine Verfassungsänderung beschlossen, die auch in der Sache richtig war. Übrigens: Ich hab’ im November letzten Jahres bereits auf einem Forum der Süddeutschen Zeitung davon gesprochen, dass wir die Schuldenbremse möglicherweise reformieren müssen. Also mir da Wortbruch vorzuwerfen, ist ein kühner Vorwurf.“

Maischberger versucht es dennoch: „Das Problem ist nur, dass Sie im Wahlkampf was ganz anderes erzählt haben.“ Sie zitiert ein Interview, in dem er vor der Wahl neue Schulden kategorisch ablehnte. „Nennen wir es nicht Wortbruch, aber es ist eine Irreführung der Wähler“, sagt Maischberger. „Nein, das ist es nicht“, antwortet Merz bar jeder Logik. Er kommt mit den üblichen Erklärungen, welch Not und Elend ihn zu seinem Tun gar zwangen: Verteidigungsetat, NATO-Gipfel, Putin, Wirtschaft, die ganze Welt eigentlich. „Die Frage ist, was Sie dem Wähler vorher gesagt haben“, wirft Maischberger ein, doch Merz bleibt halsstarrig. Und das sogar sein eigener CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann von einer „Glaubwürdigkeitslücke“ sprach, tangiert ihn nur peripher.

„Ich hab’ da auch einen persönlich großen Kredit für in Anspruch genommen“, sagt Merz. „Ich sag’ das schon mit großer Nachdenklichkeit. Wir müssen jetzt liefern, und wir müssen jetzt zeigen, dass der Weg, den wir jetzt gehen, der richtige ist, damit dieses Land wieder auf Kurs kommt. Ich steh‘ dazu, dass wir diese Entscheidung getroffen haben.“ Seine Floskelwolke legt sich wie trüber Nebel über die Sitzgruppe. Maischberger gibt auf: Merz habe also „quasi das eine gedacht und das andere aber gesagt“ beziehungsweise „beides gesagt“. Jetzt antwortet Merz mit einem wirklich erstaunlichen Satz, der ihn für alle Zeiten als vertrauenswürdigen Gesprächspartner disqualifiziert. Er sagt: „Ja, und das ist kein Widerspruch.“

Die Frage ist nun: Wird er irgendwann behaupten, er habe ja schon einmal von „Wohlstandsverlusten“ gesprochen?

Mit dem US-Präsidenten Donald Trump habe er „einen Weg der vernünftigen Kommunikation“ gefunden. Vorbereitung sei alles, und das erläutert er ganz genau: „Ich hab’ mich auf das Treffen gut vorbereitet. Solche Treffen muss man vorbereiten, und ich glaube, dass ich es ganz gut vorbereitet habe.“

Auf ein Treffen mit dem russischen Präsidenten bereitet er sich hingegen gar nicht vor. Merz stört sich schon an einem Einspieler, den Maischberger zeigt. Darin sieht Putin die deutsch-russischen Beziehungen in Gefahr, wenn Deutschland Taurus-Langstreckenraketen an die Ukraine lieferte, weil diese nur von deutschen Soldaten bedient werden könnten. Grund genug für Merz, dem Staatschef offiziell jeden Respekt zu verweigern: „Es ist interessant, dass Sie hier Putin zum Zeitzeugen erheben in dieser Sendung“, sagt er allen Ernstes. Erinnerungen werden wach: an die Unverschämtheiten, mit denen Merz weiland auch einen Donald Trump überzog. Bis der plötzlich wieder Präsident war.

Was in der Sendung weitgehend unterging: Merz stuft Russland im Grunde offiziell als nicht gefährlich ein. Er sagt über Putin: „Er hat schon viel angedroht, und es ist nichts passiert.“ Man hätte sich die Nachfrage gewünscht, warum Deutschland dann überhaupt kriegstüchtig werden muss und künftig sogar die Hälfte seines Haushalts für Waffen ausgeben will (fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts, der Bundeshaushalt entspricht etwa zehn Prozent des BIP).

Ach ja, Abschiebungen nach Syrien hält der Kanzler übrigens „unter den gegebenen Umständen, so wie Syrien zurzeit dasteht, für möglich“. Momentan zumindest. Wie er es morgen damit hält, wird er uns dann wohl übermorgen sagen.

Nach solchen Sendungen, verrät ein menschelnder Merz, rufe ihn immer seine Mutter an und sage ihm, was er falsch gemacht habe und ob er mal wieder nicht gerade gesessen habe. Die Frage ist, ob ihm seine Mutter jemals etwas über Rückgrat und ein gerades Kreuz beigebracht hat.

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