Bei Miosga: Vier Gäste, zwei Ängste – Putin und Trump

vor etwa 2 Monaten

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Bildquelle: Tichys Einblick

Der Eklat zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi vor den Fernsehkameras der Welt hat für die deutsche Noch-Außenministerin Annalena Baerbock Konsequenzen: „Es bedeutet ebend auch, dass wir ganz anders und zwar viel stärker für unsere eigenen Interessen und unsere eigenen Werte als Europäer einstehen müssen.“ Für diese Erkenntnis brauchte sie einen längeren Anlauf, denn: „Wenn wir da als nüchterner Bürger auf diese Szenen schauen. Ich musste zweimal zwischendurch ausschalten, weil ich’s nicht ertragen konnte, in der Art und Weise, wie da mit dem ukrainischen Präsidenten umgegangen wird.“

Und was zieht Miosga aus dem Einspieler, der sogar korrekt untertitelt wurde? Graham habe Selenskyi „gewarnt, sich nicht zu sehr reizen zu lassen.“ Nur so passt es in diese Diskussionsrunde. Und die steigt munter ein: Armin Laschet (CDU) findet es seltsam, dass mit J.D. Vance „plötzlich der Vizepräsident da“ gewesen sei, „der sich in das Gespräch einmischt, und dann fallen sie alle übereinander. Jeder redet“. CNN-Korrespondent Frederik Pleitgen stößt ins selbe Horn: „Warum der Vizepräsident in so ’ner Runde überhaupt zu Wort kommt, ist mir ein absolutes Rätsel.“ Aber Graham sei sowieso unglaubwürdig, weil er ständig die Meinung wechsele. Pleitgen malt Charakterzüge eines Markus Söder oder Wolfgang Kubicki: Graham sei „der größte Opportunist“.

Für Kriegsexpertin Claudia Major ist das entgleiste Gespräch zwischen Trump und Selenskyi Grund genug, die USA gleich zum neuen Feind zu erklären: „Es zeigt, dass die USA kein Verbündeter mehr sind. Dass sie sich immer mehr von den demokratischen Werten entfernen, dass sie immer autokratischer werden.“ Die USA seien „keine Schutzmacht mehr“, sondern „eher ein Risiko für uns in Europa. Wir müssen anerkennen, dass sich unser Verbündeter nicht mehr wie ein Verbündeter verhält, sondern zu einem Sicherheitsrisiko für Europa wird“.

Selenskyi sei ohnehin nur das Bauernopfer, weil Trump den Krieg nicht wie angekündigt innerhalb von 48 Stunden habe beenden können. Es gehe ja auch um viel mehr, sagt sie. Russland habe Schlimmes vor: „Dann ist nach der Ukraine halt das nächste Ziel dran.“

Baerbock sieht Europa „wirklich an einer Wegscheide, wie die Welt in Zukunft sortiert wird“. Und „durch Social Media ist alles einfach dreifach schneller als noch vor zwanzig Jahren.“ Major fordert einen weiteren, unerbittlichen Kampf „gegen Russland und für die Ukraine“, damit diese „keinen Siegfrieden akzeptieren muss“, und, „damit Russland nicht glaubt, es hat die nächste Chance, Europa zu überrennen.“

Da kommt ein weiterer Einspieler gerade recht: Der britische Premierminister Keir Starmer kündigt schonmal Bodentruppen und Kampfjets für die Ukraine an. Europa müsse nun „die Hauptlast tragen“.

Auch diese Aussage erntet in der Runde keinerlei Kritik oder Widerspruch. Ganz im Gegenteil. Laschet fordert ein Sondervermögen für die Bundeswehr, „weil wir jetzt ein Riesenvolumen brauchen“. Baerbock stimmt mit ein: „Deswegen Schuldenbremse jetzt reformieren, deswegen wir brauchen das Geld, wir brauchen jetzt das Geld. Die drei Milliarden, die müssen jetzt von Deutschland kommen an die Ukraine. Wir können jetzt nicht kleckern, sondern wir müssen klotzen.“ Zwischendurch atmet sie.

Dritte Stimme im Gleichklang dieses Verschuldungskanons: die Waffenlady in Stöckelschuhen. Claudia Major erinnert an die deutsche Geschichte: „Bei der Wiedervereinigung hat auch niemand gefragt, wie teuer ist das.“ Die Frage sei jetzt: „Was ist uns die Freiheit wert?“ Major meint, „dass wir die Aufgabe haben, uns anders aufzustellen, und das geht nicht mit Taschengeld“.

Baerbock hat noch einen anderen Gedanken. Um keinen Fehler bei der Transkription zu machen, zitieren wir sicherheitshalber ungekürzt. Baerbock: „Ich mein’, das ist jetzt hochkomplex, dieses ganze Bild. Da ist jetzt der Moment, wo man alles dafür tun muss, dass die Amerikaner bei uns bleiben, und die sind ja nach wie vor NATO-Mitglied, deutlich zu machen, das wird auch Konsequenzen für die Vereinigten Staaten haben. Weil, natürlich muss sich auch ein US-Präsident der USA fragen, er hat ja noch ein paar andere Interessen auf der Welt, im Indopazifik, welches Land auf dieser Welt möchte Geschäfte in Zukunft mit den USA machen, wenn sie die Sorge haben müssen, am nächsten Tag komplett vorgeführt zu werden, oder dass man sich auf gar nichts mehr verlassen kann. Und diese Botschaft deutlich zu machen, wo steht Amerika in den nächsten Jahren, und dann ist deren Logik ja immer wirtschaftlich, aber sie haben ja auch maximale Interessen wirtschaftlich.“

Europa, so Baerbock, müsse nun geschlossen auftreten, „um deutlich zu machen, und das ist das Wichtige: Es wird gar keinen Frieden geben können, wenn dieser Frieden gegen die Ukraine und damit die Europäer gerichtet ist. Und deswegen ist diese absolute Geschlossenheit ist jetzt so wichtig und nicht dieses ‚Man vermittelt jetzt zwischen den USA‘. Also das muss zurückgeholt werden, und dann deutlich zu machen, damit nie wieder der Angriffskrieg nach Europa zurückkehrt“.

Frieden, der sich gegen ein Land richtig. Sie sagt es wirklich so.

Putin greife bereits jetzt neue Ziele an, so Baerbock: „Es geht um die kleine Republik Moldau, die Putin seit Jahren versucht ohne Soldaten einzunehmen, Wahlmunipalition, vieles, vieles andere. Wir haben die ganze Zeit das Zündeln im Baltikum.“

Auch die scheidende Außenfeministerin blickt in die Geschichte: „Nach ’45 dank der Alliierten, und dass wir heute mehr als 80 Jahre später in Frieden und in Freiheit leben, wir haben nach wie vor amerikanische Truppen in Europa stationiert zu einer jahrzehntenlangen Absicherung des Friedens, zu einer jahrzehntenlangen Absicherung dessen, dass damals von Nazi-Deutschland nie wieder Gewalt ausgeht, zur Absicherung nach der Wiedervereinigung, wo ja Osteuropäer auch gesagt haben, was bedeutet das für unsere Sicherheit, dieses Vertrauen zu schaffen, und deswegen ist die Langfristigkeit so entscheidend, dass wir als Europäer wirklich, und deswegen ist die finanzielle Frage auch so wichtig, über Jahrzehnte deutlich machen, wir investieren auf Jahrzehnte in diesen Frieden auf diesem Kontinent, damit gar keiner es wagen kann, zu sagen, vielleicht in zehn Jahren, vielleicht können wir da unser Aggressionsversuch noch einmal starten.“

Und was lernen wir aus diesem Abend: Streitgespräch war gestern. Es reicht, wenn Annalena spricht.

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