
Die “Bereinigungssitzung” gehört zu den Mythen des Bundestags. Die Minister kommen in den Haushaltsausschuss und erklären dessen Mitgliedern ihren Finanzbedarf, bevor das gesamte Haushaltspaket zur Abstimmung ins Parlament kommt. Der Legende nach müssen die Minister eine Flasche Schnaps mitbringen, um sich die Haushalter gewogen zu halten. Nun hat die Bereinigungssitzung für den Haushalt des laufenden Jahrs stattgefunden, den der Bundestag diesen Monat verabschieden soll.
Doch in Zeiten der schwarz-roten Koalition ist die Bereinigungssitzung eher Folklore geworden. CDU, CSU und SPD stellen im Ausschuss die Mehrheit und ihre Abgeordneten wissen, dass sich ihre Partner inhaltlich in keiner wesentlichen Frage einigen werden. Also haben die Koalitionspartner direkt nach der Wahl beschlossen, in der Haushaltspolitik künftig keine Rücksicht mehr nehmen zu wollen: 850 Milliarden Euro neuer Schulden, ein Loch von 30 Milliarden Euro fürs übernächste Jahr, eine Kommission, die Wege zu noch mehr Schulden aufzeigen soll und eine Regierungspartei, die sich in Vorschlägen für noch höhere Steuern und Abgaben überbietet. Experten mögen sagen, dass die Politik nicht alle Probleme mit Geld zuschütten könne – schon gar nicht mit geliehenem. Aber Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) will es trotzdem versuchen. Das Kind glaubt auch erst an den Schmerz durch eine heiße Herdplatte, wenn die Hand auf dieser geruht hat.
In 23 der letzten 27 Jahren hat die SPD im Bund mitregiert. In zehn Jahren davon haben die Sozialdemokraten den Kanzler gestellt. In der Zeit haben sie die Steuern und Beiträge in Rekordhöhe getrieben, den Staat gleichzeitig in Rekordverschuldung geführt und die Straßen, Schienen, Brücken und Netzverbindungen in einen Zustand gebracht, von dem sie selbst sagen, dass der katastrophal ist. Wären die Sozialdemokraten Sozialdemokraten, wenn sie jetzt auf Stimmen aus der Wirtschaft hören würden? Oder verprassen sie das Geld aus der Schuldenorgie weiter sinnlos? Und hält Kanzler Friedrich Merz (CDU) seine Versprechen ein und bremst die Ausgabenwut der Sozialdemokraten?
Nun denn. Zu den Ergebnissen der Bereinigungssitzung: Das Wirtschaftsministerium erhält von den Haushältern 9 Milliarden Euro, das sind 37 Millionen Euro mehr als ursprünglich vorgesehen. Ist also jetzt Geld da für Zukunftsprojekte wie die Cloud- und Datenverarbeitung IPCEI? Nein für die gibt es 174 Millionen Euro, 15 Millionen Euro weniger als vorgesehen. Die schwarz-rote Regierung spart also an dem, was sie mit ihren eigenen Worten „das zentrale digitalpolitische Projekt zur Stärkung der digitalen und technologischen Souveränität Europas” nennt.
Die schwarz-rote Regierung investiert also in die Wirtschaft. Aber nicht, um diese für die Zukunft aufzustellen – sondern um die Fehler früherer Regierungen von CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP aufzufangen. Zudem fordert die Regierung ihr Wirtschaftsministerium auf, “Verpflichtungsermächtigungen für künftige Haushaltsjahre” aufzunehmen. 850 Milliarden Euro neuer Schulden – und trotzdem verlagert die schwarz-rote Regierung Rechnungen von heute in die Ausgaben von morgen.
Dorothee Bär, Ministerin für Raumfahrt und Dirndlforschung, bekommt hingegen 20 Millionen Euro weniger als geplant. Es bleiben ihr 22,4 Milliarden Euro. Zu diesem Etat gehört ein Topf “Förderung von Sprunginnovationen”. Das hört sich nach Investitionen in die Zukunft an. Kanzler Friedrich Merz hat versprochen, dass die Schuldenorgie seiner Regierung genau solchen Investitionen dienen soll – folgerichtig kürzt sie diesen Bereich um zwei auf 218 Millionen Euro. Gleichzeitig gibt es zwei Millionen Euro mehr für die „Grundlagenforschung im Bereich Long Covid”.
Links ist vorbei, sagt der Kanzler. Links gehört die Zukunft, sagt der Haushalt dieses Kanzlers: Die “Beratung und Betreuung von Flüchtlingen und Auswanderern” bekommt jetzt zwölf statt bisher sieben Millionen Euro. Für die „Förderung von national und international bedeutsamen Vorhaben, insbesondere zur kulturellen Integration, Kooperation und Innovation“ erhält das Kanzleramt jetzt 59 statt 53 Millionen Euro.
Die deutsche Politik ist aber nicht nur Vorreiter in Sachen Klimaschutz – sie ist vor allem Vorflieger. Etwa durch ihre Präsenz auf der “Weltklimakonferenz”. Bisher musste der Steuerzahler gerade mal 2,7 Millionen Euro für Dienstflugzeuge bezahlen, mit denen die deutschen Politiker sich aufmachen, um das Klima zu retten. Schnäppchenpreis. Künftig sind es 3,2 Millionen Euro.
Stichwort sinnlose Ausgaben für “Klimaschutz” – etwa durch Radwege in Peru oder durch erfundene Projekte in China. Diese Ausgaben sind im Entwicklungshilfeministerium zuhause. Das werde sparen, war die Botschaft, als Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) den Entwurf für den Haushalt vorstellte. So wollte die schwarz-rote Regierung den Eindruck erwecken, sie verbrate die 850 Milliarden Euro neuer Schulden nicht einfach, sondern sie übe sich ebenfalls in Haushaltsdisziplin. Diesen Versuch haben Merz und Klingbeil jetzt offensichtlich gänzlich aufgegeben. Die Entwicklungshilfe geht als die Gewinnerin aus der Bereinigungssitzung hervor:
Die Vereinten Nationen erhalten vom deutschen Steuerzahler 50 statt 28 Millionen Euro für ihr Programm zur “Welternährung”. Deren Sonderorganisationen stattet eben dieser deutsche Steuerzahler künftig mit 566 Millionen Euro aus – neun Millionen Euro mehr als geplant. Für “Infrastrukturmittel für Krisenbewältigung und Wiederaufbau” gibt es 734 Millionen Euro, elf Millionen Euro mehr als geplant.
Die Bill und Melinda Gates Foundation sowie andere politische Stiftungen erhielten von deutschen Verkäuferinnen und Handwerkern bisher nur 330 Millionen Euro. Jährlich. Jetzt sind es 331 Millionen Euro. Die Kirchen unterstützen gerne mal die Politik der schwarz-roten Koalition. Dafür zahlt ihnen diese jetzt 306 statt 296 Millionen Euro jährlich. Das Geld geht an die “entwicklungswichtigen Vorhaben” der Kirchen. Für diese gibt es auch private Träger. Die erhalten jetzt ebenfalls zehn Millionen Euro mehr, also nun 210 Millionen Euro.
Rund 500 Milliarden Euro an Ausgaben sieht der offizielle Haushalt des Bundes für das laufende Jahr vor. Über 140 Milliarden Euro macht die schwarz-rote Koalition allein 2025 – “Sondervermögen” eingerechnet. Laut Merz und Klingbeil dient die Schuldenorgie den Investitionen in die Zukunft. Die Einzelpläne sagen das Gegenteil. Der Bundestag stimmt Mitte September über den Entwurf ab. Die Abgeordneten sind dabei ihrem Gewissen verpflichtet – aber das ist in den vergangenen Jahren so sehr zur Folklore verkommen wie der Schnaps zur Bereinigungssitzung.