
Fast vier Jahre nach dem Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen setzt die Berliner Koalition aus CDU und SPD ein umstrittenes Vorhaben um: Ein sogenanntes „Vergesellschaftungsrahmengesetz“ soll den rechtlichen Rahmen für künftige Eingriffe in private Eigentumsverhältnisse schaffen. Laut offizieller Verlautbarung geht es nicht um Enteignung, sondern um staatliche Korrekturen bei offensichtlichem Marktversagen, etwa wenn Unternehmen dauerhaft gegen Gesetze verstoßen oder Investitionen vernachlässigen.
Der Gesetzesentwurf soll bis Ende des Jahres ins Abgeordnetenhaus eingebracht werden, frühestens zwei Jahre nach Verabschiedung in Kraft treten und vorab vom Bundesverfassungsgericht geprüft werden können. Damit wollen CDU und SPD Kritik an der möglichen Verfassungswidrigkeit des Vorhabens zuvorkommen. Inhaltlich soll das Gesetz Grundsätze zur Entschädigung regeln und Kriterien definieren, bei deren Vorliegen eine Vergesellschaftung denkbar wäre, wie im Bereich Wohnen, Energie oder Wasser.
Als auslösende Faktoren sollen unter anderem die Missachtung gesetzlicher Standards gelten, das Abführen von Gewinnen bei gleichzeitig fehlenden Investitionen oder unzureichende Beiträge zur Erreichung der Klimaziele. Auch Preisregulierung und das gesetzliche Verbot von Gewinnmaximierung zählen zum Instrumentenkasten, den die Koalition für geeignet hält, um „schieflaufende Entwicklungen“ zu korrigieren.
Die CDU versucht dabei, sich rhetorisch vom Begriff „Enteignung“ zu distanzieren. Fraktionschef Dirk Stettner betonte wiederholt, es gehe nicht darum, Unternehmen ihr Eigentum zu nehmen, sondern um den Zugriff auf „andere Formen der Gemeinwirtschaft“. Na dann.
Auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh spricht lieber von einem „regulierenden Charakter“ des Gesetzes als von Eingriffen in Eigentumsrechte. Beide verweisen auf einen umfassenden Werkzeugkasten zur Einflussnahme, von der Preisfestsetzung bis zur Unternehmensform.
Doch der Charakter des Projekts lässt sich kaum verharmlosen. Ein Gesetz, das es erlaubt, ganze Branchen unter staatliche Kontrolle zu stellen, weil diese angeblich „zu wenig fürs Klima tun“, verlagert die Definitionsmacht über wirtschaftliches Handeln vollständig in politische Hände. Die Kriterien bleiben vage, die Konsequenzen weitreichend. Der Zugriff auf Eigentum wird zur Frage politischer Opportunität – besonders dort, wo die Regierung selbst zum Maßstab der angeblichen Fehlentwicklung wird.
Dass die CDU dabei mitspielt, ist bemerkenswert. Noch vor wenigen Monaten hatte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner Vergesellschaftungen strikt ausgeschlossen. Jetzt trägt seine Partei ein Gesetz mit, das staatliche Kontrolle bis in die Eigentumsordnung erlaubt. Der konservative Markenkern wird geopfert – für ein rot-schwarzes Projekt, das in seiner Konsequenz die Eigentumsgarantie aushebelt.
Nicht einmal die ursprüngliche Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ zeigt sich zufrieden. Wie sollte es auch anders sein: ihr geht der Plan nicht weit genug. Sie fordert einen eigenen Gesetzesentwurf und wirft CDU und SPD vor, lediglich Zeit zu schinden. Denn vom angekündigten Rahmenwerk werde „keine einzige Wohnung vergesellschaftet, keine Miete gesenkt“, so die Kritik. Die Enteignungslobby pocht längst auf Umsetzung – unabhängig von rechtlichen Hürden.
So bleibt unterm Strich ein Gesetzesvorhaben, das unter dem Etikett der sozialen Gerechtigkeit den Einstieg in einen neuen staatlichen Interventionismus markiert. Berlin geht voran und öffnet die Tür für einen Kurs, der nicht nur Investoren abschreckt, sondern das Prinzip der Marktwirtschaft selbst in Frage stellt. In einem Land mit Wohnungsmangel, ausgebremstem Wohnungsbau und schleppender Genehmigungskultur ist das ein Signal mit Sprengkraft.
Wer dieses Gesetz für eine bloße juristische Rahmenregelung hält, verkennt die politische Dimension. Hier wird der Weg bereitet für eine Enteignungspolitik mit ideologischem Unterbau, unter dem Deckmantel der „Daseinsvorsorge“ und „Klimaziele“. Die Berliner Koalition installiert ein Machtinstrument, das nicht mehr an objektiven Marktkriterien, sondern an subjektiven Regierungsinteressen orientiert ist.
Der Staat wird Richter, Kläger und Nutznießer zugleich und macht sich bereit, in jeder Branche einzugreifen, wenn sich Unternehmen dem politischen Willen nicht willfährig genug fügen. Das ist nicht soziale Regulierung, das ist planwirtschaftlicher Zugriff mit verfassungsrechtlich zweifelhaftem Fundament. Wer hier nicht aufschreit, hat sich längst an die Aushöhlung des Eigentumsrechts gewöhnt.