
Über einer Kleingartenanlage in Berlin-Köpenick ziehen dunkle Wolken auf: Direkt neben der grünen Idylle, wo der Duft von Gegrilltem in der Luft liegt und Menschen dem stressigen Stadtalltag entfliehen wollen, entsteht derzeit eine Containerunterkunft – allerdings nicht für Erholungssuchende, sondern für Asylbewerber.
Am 1. November 2025 sollen hier die ersten von insgesamt 342 Migranten einziehen. Die Unterkunft soll dann bis zum 31. Dezember 2030 betrieben werden. „Diese Laufzeit kann bei Bedarf verlängert werden“, heißt es von Seiten der Berliner Senatsverwaltung. Zwischen den Gebäuden wurde zusätzlich ein Spielplatz gebaut, der „ein Sandspielbereich für die jüngeren Kinder und Spielgeräte für ältere Kinder“ umfasst. „Sitzbänke laden zum Verweilen ein“, wirbt die Senatsverwaltung dazu im Internet.
NIUS besuchte den Südosten der Hauptstadt und sprach mit den Laubenpiepern.
Der Unmut ist groß. Einige Pächter haben ihre Parzellen bereits aufgegeben, andere sprechen von Vertrauensbruch und fühlen sich hintergangen. Die Stimmung vor Ort ist angespannt. „Man hat überhaupt keine Privatsphäre mehr hier“, sagt eine Pächterin gegenüber NIUS. „Ich finde das unverschämt, dass wir hier auf dem Präsentierteller sind.“
Nur ein Schmaler Weg trennt die Pächterin von der dreistöckigen Unterkunft.
Laut dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) soll die „modulare Gemeinschaftsunterkunft“ für bis zu 342 Asylbewerber Platz bieten. Laut Informationen von NIUS plant die Behörde mit sagenhaften 38,49 Euro Gesamtmiete pro Quadratmeter. Das ist der höchste Quadratmeterpreis aller Grundstücke, die das Land Berlin in den vergangenen Monaten neu angemietet hat, um dort Asylunterkünfte zu errichten. Doch das LAF schweigt auf Nachfrage von NIUS zu den Mietzahlungen. „Das LAF erteilt zu den Kosten für einzelne Unterkünfte keine Auskünfte“, schreibt ein Sprecher. Wer der Eigentümer des Geländes ist, will man auf Nachfrage ebenfalls nicht offenlegen.
Drei Wohngebäude mit drei Etagen und ein Eingangsgebäude mit Pförtnerloge, Büros und Sicherheitsdienst sind geplant. Das Gelände wird umzäunt, der Zugang wird rund um die Uhr kontrolliert. Wer rein will, muss sich beim Sicherheitspersonal melden. Im Inneren sollen die Asylbewerber in Zwei-Bett-Zimmern untergebracht werden, dazu gibt es Gemeinschaftsküchen, Sanitärbereiche, Waschmaschinenräume, Beratungsräume und sogar Hausaufgabenhilfe. Auch Kinderbereiche mit Spielplätzen und Sitzbänken sind vorgesehen.
Auf der Webseite des Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten wird das Projekt schön illustriert vorgestellt.
Die Betreuung übernehmen soziale Träger, die sich um Sozialarbeit, Kinderbetreuung, Hauswirtschaft und Nachbarschaftskoordination kümmern sollen. Doch welche Firma die Unterkunft betreiben wird, ist noch unklar. „Eine Ausschreibung für den Betrieb der Unterkunft hat noch nicht stattgefunden“, schreibt das LAF.
Die Bauarbeiten begannen bereits im Februar – doch erst einen Monat später erfuhren die Anwohner offiziell, was hier entsteht. Viele fühlen sich übergangen und nicht ernst genommen. Ein Anwohner wollte auf einem Bürgerdialog im März wissen, weshalb die Bürger nicht gefragt werden, ob sie mit dem Bau der Asylunterkunft einverstanden sind. Aziz Bozkurt, Staatsekretär in der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung, die für die Flüchtlingsunterbringung zuständig ist, gab eine ehrliche und zugleich verblüffende Antwort: Er habe keine andere Wahl, als den Bau zu beauftragen, erklärte Bozkurt. „Ich könnte Sie fragen, um Ihnen dann zu sagen, ich mache es trotzdem.“ Er sei gegen jede Form einer „Scheinbeteiligung“.
Ebenfalls brisant: Jahrelang kämpften die Pächter darum, auf dem Gelände neben der Gartenanlage einen Parkplatz bauen zu dürfen – eine simple Lösung für ein immer drängenderes Problem. Doch das Vorhaben wurde abgelehnt. Die Begründung, so erzählen es Anwohner gegenüber NIUS: Unter dem Grundstück liege ein alter Bunker, der eine Bebauung aus statischen Gründen unmöglich mache. Umso größer ist nun der Ärger, dass genau auf dieser Fläche eine mehrstöckige Unterkunft für Geflüchtete entstehen soll.
Die Kleingartenanlage: Eigentlich ein Ort der Erholung, ein kleines Stück Natur unweit der Stadt.
Auch die Natur war immer wieder Thema. Anwohner berichten, dass Fledermäuse, Bussarde und sogar Salamander auf dem Gelände lebten – bis die Fläche für die Bauarbeiten gerodet wurde. Auf NIUS-Anfrage erklärt das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten: „Bei dem Baugrundstück handelte es sich weitgehend um eine brachliegende Fläche. Es handelt sich bei dem Standort um eine Nachbarschaft, in der sich – sowie im ganzen Ortsteil Grünau – zahlreiche Gärten und Grünanlagen befinden, wo sich für heimische Tierarten vergleichsweise einfach Quartiere finden lassen.“
Mit anderen Worten: Die Tiere können sich in der Stadt ja an anderen Orten ein Plätzchen suchen – als wäre Lebensraum für Wildtiere in Berlin nicht ohnehin schon knapp. Fest steht: Hier prallen Welten aufeinander. Dieser Ort ist längst mehr als nur eine Kleingartenanlage – er ist zu einem Brennpunkt im Spannungsfeld von Migration, Wohnraumpolitik und Bürgerbeteiligung geworden.
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