
Der Fall erschütterte Millionen Menschen in Deutschland: Im Kurpark von Bad Oeynhausen war der 20-jährige Philippos im Juni von einer zehnköpfigen Gruppe angegriffen und verprügelt worden. Ein Syrer (18) trat Philippos mutmaßlich so brutal gegen den Kopf, dass er drei Tage später starb. Philippos war Organspender – seine Organe überlebten.
Jetzt hat Joanna Steinmann Glogowski, die Mutter des Ermordeten, zum ersten Mal ausführlich im WDR über den Tod ihres Sohnes gesprochen – und wie sie heute empfindet, NIUS berichtete.
Nach dem Abiball seiner Schwester kam es im Kurpark von Bad Oeynhausen zu einem brutalen Gewaltexzess, bei dem Philippos bester Freund verletzt und er selbst schwerste multiple Kopfverletzungen erlitt, an denen er später verstarb.
Es sind berührende Gedanken einer tief verletzten und starken Frau. Sie sagt: „Ich mache den Staat dafür verantwortlich, dass mein Sohn tot ist.“ Und „Er konnte seine Taten intensivieren. Da sehe ich irgendwie das Versagen im Staatssystem bei uns.“
Sie wurde nach der Tat „Deutschlands tapferste Mutter“ genannt – ich finde, sie ist es noch heute. Sie erzählt, wie glücklich sie war, als sie am letzten Abend mit ihrem Sohn feiern konnte. Zu ihrem Lebensgefährten sagte sie: „Mann, das ist das erste Mal, dass ich mit meinem Sohn auf einem Parkett tanze, und die Kinder finden das nicht peinlich.“ Das sei schön gewesen.
Sie sagt heute: „Ich weiß, ich werde keine Enkel mehr von meinem Sohn kriegen. Ich werde nicht zusehen können, wie er heiratet, Freundinnen kennenlernt. Diese Wahrnehmung, dass er tot ist, das möchte ich einfach noch nicht … das kann ich nicht akzeptieren momentan.“
Es gibt keinen Trost, wenn einem das Kind, das man geliebt hat, auf brutalste Weise durch Mord weggenommen wurde. Niemand kann sich in den Schmerz einer Mutter hineinversetzen, die so etwa erleiden musste. Und doch gibt es in diesem Fall eine wundersame Fügung – ich möchte es mal so nennen, ohne die Trauer dieser Mutter schmälern zu wollen. Sie erzählt es selbst mit diesen Worten: „Ein erwachsener Mann läuft wohl mit Philippos Herz rum“, das sei ein komisches Gefühl. „Ich bin nachts irgendwann aufgewacht, ich habe geträumt, Philippos Herz lebt doch – mach dir keine Sorgen, sein Herz schlägt.“
Philippos war Organspender, mehrere Organe von ihm leben in sechs Menschen weiter. Organspenden sind anonym, nur die Ärzte wissen, wer ein Organ von Toten bekommen hat. Es war der ausdrückliche Wunsch von Philippos und seiner Familie, Organe zu spenden, um andere Menschen zu retten.
Philippos bezahlte die Gewalt seiner Gegner mit dem Leben. Sein Herz schlägt nun in einem anderen Körper weiter.
Die Mutter von Philippos hat davon geträumt, dass ein anderer Mensch mit dem Herz ihres Sohnes lebt. Ich glaube, das ist kein Zufall. Das Herz gilt in unserer Kultur als Sitz der Seele – und als Symbol der Liebe. Wir „folgen unserem Herzen“, wir grüßen „herzlich“, wir tragen „unser Herz auf der Zunge“. Etwas „schnürt uns das Herz zusammen“, etwas anderes lässt unser „Herz bis zum Hals schlagen“. Das Herz-Symbol existiert als Sonderzeichen seit den Anfängen des Personal Computers – das Herz war das Symbol der Liebe im Mittelalter.
Möge das lebendige Herz ihres toten Sohnes Deutschlands tapferste Mutter ein wenig trösten.
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