
Nicht nur die Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, befindet sich derzeit nach der gescheiterten Richterwahl im Zentrum der Aufmerksamkeit – auch ihr Mann, Hubertus Gersdorf, sieht sich inzwischen heftiger Kritik gegenüber. Inzwischen hagelt es sogar Kritik unter seinen Kollegen: Andreas Fischer-Lescano, Richter am Bremer Staatsgerichtshof, kritisierte im Tagesspiegel Gersdorf, der derzeit als Hochschullehrer in Hamburg tätig ist, heftig. Der Grund: Ein Interview von Hubertus Gersdorf in der Jungen Freiheit vom 1. Juni 2025.
Für Fischer-Lescano ein Skandal: „Bereits die Wahl des Mediums, dem er das Interview gab, sagt viel über die beabsichtigte Botschaft aus. Ort, Form und Inhalt des Interviews versuchen, rechtsextremer Remigrationspolitik einen Persilschein mit staatsrechtlichem Siegel auszustellen. Damit handelt der Kollege aus meiner Sicht nicht nur verantwortungslos, sondern es stellt sich die Frage, ob er selbst eigentlich noch auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung argumentiert“, so der heftige Vorwurf des Richters aus Bremen. Fischer-Lescano hatte selbst im vergangenen Jahr für ein AfD-Verbotsverfahren plädiert.
Im Fall Hubertus Gersdorf sieht Fischer-Lescano den Versuch, rechtsextremistische Positionen salonfähig zu machen – etwas, das aus seiner Sicht gegen die Beamtenpflicht verstößt. „Die Frage ist, ob sich diese Äußerungen mit seiner Beamtenpflicht vereinbaren lassen. Denn als Beamter hat er die Pflicht, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen“, so der Richter beim Tagesspiegel.
„Diese Position passt ins Gesamtbild, das sich aus seinen Positionen ergibt. Er argumentiert letztlich, der Staat verletze seine Neutralität und sei undemokratisch, wenn er NGOs unterstütze, die die Demokratie verteidigen und sich gegen Rechtsextremismus einsetzen. Wer so etwas behauptet, beteiligt sich an der Normalisierung rechtsextremer Positionen und der Entmündigung einer Zivilgesellschaft, die sich für grundgesetzliche Rechte und Prinzipien einsetzt. Damit streitet er letztlich Seite an Seite mit der AfD für eine wehrlose Demokratie, die vor ihren rechtsextremen Feinden kapituliert“, so die Einschätzung des 52-Jährigen.
In dem Interview hatte Gersdorf argumentiert, warum ein „ethisch-kultureller“ Volksbegriff, wie die AfD ihn vertritt, nicht gegen die Verfassung verstoße. Eine Aussage, die für Fischer-Lescano infam ist. „Das Bundesverfassungsgericht, das Oberverwaltungsgericht Münster sowie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig haben insofern in mittlerweile ständiger Rechtsprechung herausgearbeitet, dass das Grundgesetz eine ethnische Differenzierung innerhalb des Staatsvolks verbietet. Es darf keine Staatsangehörigkeiten erster und zweiter Klasse geben. Aber genau dies macht der ethnische Volksbegriff: Er definiert Staatsangehörige, die zur Ethnie dazugehören, und solche, die nur eingeschränkt dazugehören, mindere Rechte haben und deren Remigration durch Ausbürgerungen oder Widerrufe und Rücknahmen von Einbürgerungen ermöglicht werden soll.“ Der ethnische Volksbegriff stehe nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, so Fischer-Lescano.
„Wenn Kollege Gersdorf die Aussage, dass mehr dazu gehöre ‚Deutscher zu sein, als einfach nur ’ne Staatsbürgerurkunde in der Hand zu haben‘, für verfassungsrechtlich unproblematisch hält, dann unterschlägt er, dass genau dieses ‚Mehr‘ Anforderungen ans ‚wahre Deutschsein‘ stellt, die das Grundgesetz gerade verbietet“, findet der Jurist.
„Was das Volk ist, kann der Gesetzgeber über das Staatsangehörigkeitsrecht ausgestalten. Aber das bedeutet gerade nicht, dass der Gesetzgeber einen Volksbegriff wählen kann, der die egalitäre Menschenwürde verletzt. Wäre das so, gäbe es zu Ende gedacht auch kein grundrechtliches Argument dagegen, wieder einen Ariernachweis einzuführen“, polemisierte Fischer-Lescarno. „Der Kollege ist in diesem Punkt rechtsextremer als Maximilian Krah“, so der Bremer Verfassungsrichter.