CO2-Ausgleich in China, Kenia oder Peru: So betrügerisch ist der Emissionshandel

vor 2 Monaten

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Wohnen, Heizen, Autofahren: All das wird bald richtig teuer! Ab 2027 weitet die EU ihren CO2-Emissionshandel auf die Sektoren Verkehr und Wohnen aus. Die Zertifikate dürfen dann über ein System gehandelt werden, das einer Börse gleicht. Doch das, was man den Bürgern als „marktwirtschaftliches Instrument“ zum Klimaschutz verkauft, gehört in Wahrheit zu den betrugsanfälligsten Vorgaben der EU-Geschichte – aus der Feder von Bürokraten, die niemand gewählt hat.

Greenwashing in Schwellenländern und Unrechtsstaaten: Dieses lukrative Betrugsinstrument dürfte bald einen gewaltigen Aufschwung erfahren.

Bis 2050 nämlich, so hat es die EU mit ihrem Green Deal beschlossen, sollen die Mitgliedsstaaten ihre CO2-Emissionen auf 0 drücken. Die Bürokraten in Brüssel setzen hierfür eine Obergrenze für die zulässigen Gesamtemissionen der jeweiligen Sektoren fest – die dann etappenweise reduziert wird, bis sie im Jahr 2050 schließlich bei 0 landet, so weit der Plan.

Ab 2027 können die Berechtigungsscheine, um Treibhausgase zu verursachen, an einem börsenähnlichen Handelssystem ge- und verkauft werden. Unternehmen geben überschüssige Zertifikate über Auktionen weiter, so entsteht deren Preis. Je knapper die Zertifikats-Menge und je höher die Nachfrage, desto teurer sind sie. Die Kosten werden später natürlich an die Endverbraucher weitergereicht.

Treibhausgase reichern sich in der Atmosphäre an.

Das Wirtschaftsministerium verkauft den Bürgern diese Neuerung als „marktwirtschaftliches Instrument“. Dabei ist sie in Wahrheit alles andere als das. Andreas Moring, Wirtschaftsprofessor an der International School of Management ISM in Hamburg, erklärt: „Dieser Markt ist nicht frei, sondern komplett durchreguliert. Es gibt tausende Vorschriften, was Unternehmen machen dürfen, welche Grenzwerte sie nicht überschreiten dürfen, welche Effizienzklassen zu erfüllen sind, und so weiter.“

Pro Zertifikat erhalten Unternehmen, die Brennstoffe wie Benzin, Diesel, Heizöl oder Erdgas in Umlauf bringen, das Recht zum Ausstoß einer Tonne Treibhausgas. Allerdings können sie auch im Ausland CO2-Erlaubnis-Scheine erwerben. Diese verbriefen angebliche Emissionsminderungen durch Klimaschutzprojekte in Asien, Afrika oder Südamerika und sind deutlich günstiger als europäische Zertifikate. Die Idee dahinter: Für die Atmosphäre der Erde ist es egal, auf welchem Kontinent die Emission von Treibhausgasen verhindert wird.

Da die EU die Berechtigungsscheine zum Treibhausgas-Ausstoß immer weiter verknappen und auf diese Weise verteuern wird, ist anzunehmen, dass zahlreiche Unternehmen eben diesen Weg exzessiv beschreiten werden.

Die Möglichkeiten, in Schwellenländern und Unrechtsstaaten unkompliziert einen Ablass zu erwerben, sind vielfältig – und extrem betrugsanfällig. NGO-Organisationen, Zertifizierer und Vermittler haben ein Schattensystem entwickelt, von dem sie profitieren, während die intendierte Reduktion der Treibhausgase selten nachgewiesen werden kann.

Bereits 2016, neun Jahre nach Einführung des EU-Emissionshandels, offenbarte eine Untersuchung des Öko-Instituts, dass von mehreren hundert untersuchten Kompensationsprojekten lediglich zwei Prozent gesicherte CO2-Einsparungen zur Folge hatten. 85 Prozent der Projekte hatten keine nachweisbare Emissionsminderungen zur Folge.

Das Öko-Institut untersuchte hunderte Kompensationsprojekte.

2020 deckte ein Rechercheverbund von The Guardian, der Zeit und weiteren Medien auf, dass „Verra“, der weltweit größte CO2-Zertifizierer, im großen Stil Phantom-Zertifikate vergab. 90 Prozent aller untersuchten Waldschutzprojekte waren demnach wertlos. Das Unternehmen hatte Gutscheine für 89 Millionen Tonnen CO2 ausgegeben – die nie eingespart worden waren. Und das, obwohl lediglich ein Drittel der Projekte geprüft wurde. Man muss davon ausgehen, dass die Dimension des Betrugs noch deutlich größer ist.

Angebliche Waldschutz-Projekte zählen zu den beliebtesten weil einfachsten Wegen, um mit dem Verkauf von CO-Zertifikaten schnell reich zu werden. In Afrika und Südamerika pachten internationale Firmen inzwischen riesige Waldflächen, und damit Gelder abzugreifen.

Zertifikate werden dafür ausgegeben, dass ein bestehender Wald nicht abgeholzt wird, oder dass in ein waldfreies Gebiet aufgeforstet wird – wodurch weniger CO2 in die Atmosphäre gelangen soll. Nur: Wer stellt sicher, dass der zertifizierte Waldbereich ohne die Ausgabe eines Zertifikats wirklich gerodet worden wäre, wie vom Profiteur behauptet? Der zu erwartende Waldschaden ist entscheidend für die Anzahl der Zertifikate. Es ist ein leichtes für Betrüger, ein Waldgebiet, das nie gerodet werden sollte, mit einer gegenteiligen Behauptung zu kommerzialisieren. Jeder Quadratmeter Wald kann auf diese Weise unkompliziert ins Anlageportfolio für Regierungen von Unrechtsstaaten und ausländische Konzerne wandern.

Ein bekannter Fall, in den ein deutsches Unternehmen verwickelt war, deckte das ARD-Magazin FAKT 2023 auf. In Peru hatte der Wasser-Hersteller Lichtenauer über das Unternehmen Bosques Amazonicos Zertifikate für Waldstücke erworben, um „klimaneutral“ auf seine Flaschen zu schreiben zu dürfen. Als Vermittler für das Geschäft fungierte das Münchner Unternehmen Climate Partner, die Zertifizierung übernahm Verra. Die Recherche ergab: Dass das Projekt wirklich Wald vor der Rodung rettete, ist nicht nachweisbar.

Der Wasser-Händler Lichtenauer machte sein Wasser durch Wald-Projekte in Peru „klimaneutral“.

Auch die bayerische CSU, die 2019 stolz verkündete, ihre Parteizentrale sei nun „klimaneutral“, erreichte den Null-Emissionen-Status unter anderem über den Erwerb peruanischer Wald-Zertifikate. Auch hier fungierte Climate Partner aus München als Vermittler.

Kenia generiert mit dem Wunsch der Europäer nach Ablass ihrer Klima-Schuld ebenfalls hohe Gewinne. Präsident William Ruto bezeichnete den Emissionshandel vor einigen Jahren als „beispiellose wirtschaftliche Goldmine“.

Kenias Präsident William Ruto.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen bewerten die Vertreibung des indigenen Volks der Ogiek aus einem kenianischen Waldgebiet als eine Folge von Zertifikats-Deals. Mehr als 700 Bewohner wurden damals aus einem Wald vertrieben – allem Anschein nach, um diesen Wald für Klima-Kompensationen zu nutzen.

Menschenrechtsorganisationen bewerten die Vertreibung des indigenen Volks der Ogiek aus einem kenianischen Waldgebiet als Folge von Zertifikats-Deals.

Die Regierung von Liberia münzt ebenfalls im großen Stil Wald in Geld um. Man darf annehmen, dass die Erträge es nicht bis zu der bitterarmen Bevölkerung schaffen, sondern in den Taschen korrupter Politiker verschwinden. Ab sie eine Auswirkung aufs Klima haben: zu bezweifeln.

Greenwashing durch Klima-Projekte im Ausland ist eher die Regel als die Ausnahme: Zu diesem Schluss kam das ZDF im Jahr 2023 nach monatelanger Recherche zu diversen Projekten in China. Ölkonzerne hatten die Emissionsminderungen, zu denen sie in Deutschland verpflichtet sind, demnach im großen Stil mit vorgetäuschten Projekten erfüllt.

Unglaublich: Obwohl ein Whistleblower das deutsche Umweltbundesamt, eine dem Umweltministerium unterstehende Behörde, in mehreren Mails über den gigantischen Betrug informiert hatte, reagierte die Behörde nicht. Insgesamt hatte das Umweltbundesamt 66 Klimaschutzprojekte aus China mit einem Marktwert von mehr als 1,5 Milliarden Euro genehmigt. Auch Mitarbeiter deutscher Prüfstellen waren laut ZDF involviert.

Deutsche Autofahrer mussten für Fake-Klimaprojekte in China bezahlen.

Mindestens 45 Projekte stehen laut ZDF unter Betrugsverdacht. In vielen Fällen standen hinter den Projekten Briefkastenfirmen, Aufbereitungs-Anlagen waren nicht auffindbar oder schon lange vor dem angeblichen Neubau zum Ziel des Klimaschutzes errichtet worden. Den deutschen Autofahrer kosteten die Projekte Milliarden. Die Grüne Umweltministerin Steffi Lemke redete den gigantischen Betrug damals mit unfassbaren Worten schön: Da die Kosten, die für die Fake-Klimaprojekte aufs Benzin aufgeschlagen wurden, immerhin geringer gewesen seien, als die Kosten, die seriöse Klima-Projekte verursacht hätten, bedeute der Betrug keine Mehr-Kosten für die Autofahrer – sie seien sogar billiger weggekommen.

Welche absurden Auswüchse internationaler „CO2-Ausgleich“ haben kann, zeigt auch ein aktueller Fall, über den die Financial Times im Januar berichtete. Hierbei ging es allerdings nicht um Brennstoff-Rechte, sondern um die Emissionen von Autos. Demnach könnten EU-Autobauer bald darauf angewiesen sein, in China sogenannte Carbon Credits zu kaufen, um ihre CO2-Grenzwerte einzuhalten und milliardenschwere Strafzahlungen durch die EU-Kommission zu verhindern. Das absurde: Die Chinesen bauen ihre Elektroautos mit Kohlestrom. Doch die Emissionen aus Herstellung, Rohstoffgewinnung oder Entsorgung eines Fahrzeugs spielen hier keine Rolle – sondern lediglich die prognostizierten Emissionen, die verkaufte Neuwagen im Betrieb verursachen.

Shell kassierte in Kanada viel Geld für angebliche CO2-Einsparungen.

Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass der Ölkonzern Shell in Kanada Zertifikate für das Einsparen von 5,7 Millionen Tonnen CO2 erhalten und an kanadische Ölsandunternehmen weiterverkauft hatte. Die Emissionen, so behauptete Shell, habe man mithilfe einer CO2-Abscheidungs- und Speicheranlage (CCS) eingespart, die bei der Herstellung von Wasserstoffgas freigesetztes CO2 abtrennt und unterirdisch speichert. Auf diese Weise habe man Emissionsrechte nicht benötigt und verkauft. Dokumente, die Greenpeace Kanada eingeklagt hatte, belegen allerdings, dass die errechnete Einsparung von klimaschädlichem CO2 nie stattgefunden hat.

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