
Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität. Immer wieder wird er als Experte in Sendungen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks eingeladen. Mit seinen zumeist äußerst linken Positionen – er ist gegen die Schuldenbremse, für deutlich mehr Migration und deutlich höhere Steuern, insbesondere die Erbschafts- und Vermögenssteuer – sorgt er immer wieder für Aufsehen.
Am Mittwoch veröffentlichte Fratzschers DIW eine neue Studie, die ergeben haben soll, dass nur sieben Prozent der Flüchtlinge in Deutschland Geld ins Ausland senden. Selbst Migranten ohne „Flüchtlingsgeschichte“ würden das öfter machen – dort liegt die Rate bei 12 Prozent. Stolz bewarb Fratzscher dieses neue Studienergebnis auf X (vormals Twitter) und verband es mit einer politischen Forderung.
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Die Einführung der Bezahlkarte für Flüchtlinge sei „Irrsinn“, so Fratzscher. „Die politische Debatte spiegelt überhaupt nicht die Realität wider“, zitiert er in seinem X-Thread eine Autorin der Studie. „Die Rolle von Auslandsüberweisungen sollte in der politischen und medialen Debatte neu bewertet werden“, heißt es weiter. Doch während Fratzscher die Studie feiert und schon als Argument gegen härtere Migrationspolitik in Stellung bringt, macht ein Datenwissenschaftler auf die fragwürdige Durchführungsweise der Studie aufmerksam.
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In einem Thread auf X weist Daniel Haake, Gewinner des Gerhard-Fürst-Preises des Statistischen Bundesamts und hochrangiger Analyst für den Chemiekonzern Evonik, darauf hin, dass die Daten der Studie nur anhand von Befragungen erhoben wurden. Solche Befragungsstudien würden Ergebnisse verzerren. So „kann man sicherlich nicht zu der Schlussfolgerung kommen, zu der Herr [Fratzscher] in seinem Thread kommt.“
Selbst die Autoren der Studie, auf die Fratzscher sich bezieht, geben zu, dass es bei solchen Studien oftmals zu verzerrenden Ergebnissen kommt. Die von Befragten angegebenen Überweisungsbeträge würden „oft unvollständig erfasst und verzerrt“ werden. Denn freilich können die Befragten frei entscheiden, ob sie die Wahrheit sagen wollen oder nicht; einen Beweis für ihre Aussagen müssen beziehungsweise können sie manchmal nicht geben.
Für eine Studie anhand von Bankdaten entschieden sich die Forscher unterdessen bewusst dagegen. Denn kleinere Überweisungsbeträge unter 12.500 Euro würden oftmals bei der Datenerhebung unberücksichtigt bleiben, was auch zu einer Verzerrung führen würde. Grundsätzlich erscheint es schwierig, eine Studie mit adäquater Methodik durchzuführen – zumindest so, dass auch Ergebnisse herauskommen, die tatsächlich interpretierbar sind.