
In Deutschland wird Bildung immer weiter zentralisiert – Donald Trump will das zentrale Bildungsministerium der Vereinigten Staaten dagegen auflösen. Er handelt damit im Geiste der Verfassung, die wesentliche Kompetenzen, darunter die für Schulen und Hochschulen, den fünfzig Gliedstaaten überlassen wollte. Bei den Funktionären, Lobbyisten und Interessenvertretern, die von den Zuwendungen aus Washington so lange und so gut gelebt hatten, stößt er damit natürlich auf Empörung. Besitzstände werden eben verteidigt, überall auf der Welt.
In Deutschland besonders hart. Die Lobbyisten sitzen in Berlin, weshalb ihnen die Zentralgewalt nicht stark genug sein kann. Das Grundgesetz hatte es anders vorgesehen: „Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht“, so steht es tatsächlich in der Verfassung, bis heute. Aber was gilt die Verfassung in einem Lande, in dem der Kanzler/die Kanzlerin einen rechtmäßig gewählten Ministerpräsidenten aus dem Amt jagen darf?
Nein, die Verfassung gilt nicht mehr. Die Länder haben ihre Zuständigkeiten Stück für Stück an den Bund verhökert, immer nach demselben Muster, dem Tausch von Macht gegen Geld. Rahmenkompetenz hieß der Begriff, unter dem die Zentralgewalt immer weiter vorgerückt ist, bis in die Klassenräume. Mit welchem Erfolg, davon hat PISA berichtet, die internationale Vergleichsstudie, bei der die deutschen Schüler so schlecht abgeschnitten hatten.
Das war vor mehr als zwanzig Jahren, lange Zeit vor der von Frau Merkel, Frau Baerbock oder Frau Faeser betriebenen Öffnung der Landesgrenzen für Fachkräfte aus aller Welt. Inzwischen sind wir auf diesem Weg ein gutes Stück vorangekommen, und der Erfolg kann sich sehen lassen: Die Zahl der Schulabbrecher ist abermals gestiegen, steigt offensichtlich weiter. Auch wer den Schulabschluss erreicht, kann allerdings nur unvollkommen lesen oder rechnen; um vom Sprechen zu schweigen. Denn die Sprache darf in einer multikulturellen Gesellschaft wie der deutschen keine Rolle mehr spielen. Wer in Deutschland darauf besteht, Deutsch zu sprechen, ist Rassist.
Für das Versagen der Staatsschule gibt es ein untrügliches Zeichen: das Aufblühen der Nachhilfe-Industrie. Firmen mit Namen wie Schülerhilfe, Lernigo oder TutorSpace sind in allen größeren Städten vertreten und erreichen Umsätze in Milliardenhöhe, mit steigender Tendenz. Das Grundgesetz sieht Privatschulen nicht gern, erlaubt sie allerdings, soweit sie hinter den Lehrplänen der öffentlichen Schulen nicht zurückbleiben und, wie es dann weiter heißt, eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht befördern. Genau das tut die Nachhilfe-Industrie jedoch, denn leisten können sich den teuren Spaß ja nur Eltern, bei denen das Geld locker sitzt.
All das im Namen einer auf Gleichheit, auf Chancengleichheit eingeschworenen Staatsschulpolitik. Sie plant und plant, am Alltag aber immerzu vorbei. Dennoch gilt es als unerhört, die Abschaffung eines Ministeriums zu fordern, das von der Wirklichkeit so weit entfernt ist wie der Mond von der Erde. Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Bereich Bildung und Schule aus dem bisherigen Ministerium, das zum Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt umgebaut werden soll, herauszulösen und dem Familienministerium anzugliedern.
Auch Friedrich Merz, der doch sein Kabinett verkleinern wollte, ändert also nichts, sonst käme er ja mit der Bildungslobby überkreuz, und das wagt er nicht. Oberste Vertreterin der Bildungslobby, Frau Simone Oldenburg, Präsidentin der Bildungsministerkonferenz, hat soeben erst ein neues, zentral geplantes Maßnahmepaket zur sprachlichen Qualifizierung von Kindern und Jugendlichen angekündigt: Zentral, das ist und bleibt die Crux der deutschen Bildungspolitik.
Gewiss, im Grundgesetz steht’s anders. Dort werden Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern genannt „und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“. Doch Eltern sind gefährliche Leute, gefährlich deshalb, weil sie, indem sie sich für ihre Kinder abrackern, die gesellschaftliche Ungleichheit befördern. Und das ist, wie wir aus den Handbüchern der schwarzen Pädagogik wissen, nicht nur gefährlich, sondern kriminell. Christopher Jencks, der Herold der Chancengleichheit, hat daraus die fällige Konsequenz gezogen, als er meinte, dass der Staat, um wahre Gleichheit herzustellen, die Eltern entmündigen müsse. So wird es also wohl auch weitergehen. Die genauen Zahlen aus Merzens und Klingbeils Selbstermächtigungsgesetz waren noch nicht bekannt, als sich die Interessenvertreter zu Wort meldeten und wie aus einem Munde „Digitalisierung!“ riefen – Interessenvertreter nicht etwa von Firmen wie Lenovo, Google oder Microsoft, sondern von staatlich besoldeten Lehrern, die Vorsitzenden des Philologenverbandes, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und so weiter.
Modern wie sie sind (oder sein wollen), plädieren sie für eine neue Form von Bildung, für Bildung ohne Inhalt. Die Schüler sollen lernen, dass es auf alle Fragen eine Antwort gibt, die sich auf die Entscheidung zwischen Null und Eins, zwischen Ja und Nein reduzieren lässt. Was dazwischen liegt, ist unklar, zweifelhaft, umstritten, und was umstritten ist, das ist des Teufels. So die Weisheit, die uns der Computer verspricht, eine Weisheit, die Maschinen tatsächlich besser vermitteln können als lebendige Menschen. Deswegen fordern die Verbände statt besserer Lehrer mehr Laptops. Die Tatsache, dass immer mehr Schüler nicht ausreichend lesen und schreiben können, wird ignoriert.
Information heißt das moderne Hieb- und Stichwort. Information ist alles, auch Bildung ist Information, die Bibel genauso wie der Porno-Streifen, die Lyrik genauso wie das Morse-Alphabet. Dass es da Unterschiede gibt, dass Bildung in der Fähigkeit bestehen könnte, diese Unterscheide zu entdecken, zu beurteilen und zu bewerten, ist für die Handwerker der Bildungsindustrie Hekuba. Wie können wir beides zugleich sein, equal and excellent too?, hatten sie seinerzeit gefragt, als es mit der Bildungsgesamtplanwirtschaft in großem Stile losging. Sie haben so lange geplant und gewirtschaftet, bis die Bildung im Computer verschwand. Und von der Gleichheit genauso wenig übrig ließ wie von der Exzellenz.
Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.