
Am 6. April fiel das ZDF mit einer Dokumentation zu möglichem russischen „Täterwissen“ zu Anschlägen in Deutschland auf. Der Sender behauptete darin, aus Russland habe es auf Google schon Suchanfragen beispielsweise zu dem Messerangriff auf den Islamkritiker Michael Stürzenberger gegeben, bevor dieser überhaupt geschehen war (Apollo News berichtete).
Nicht nur berief sich das ZDF dabei auf eine fehleranfällige Methodik, der Sender erklärte auch, er habe das Rechercheergebnis mit deutschen Sicherheitsbehörden geteilt. Und die sollen ausdrücklich vor der Ausstrahlung der Dokumentation „Terra X History: Spionage, Sabotage, Fake News – Putins Krieg gegen uns“ gewarnt haben, berichtet jetzt die Welt am Sonntag unter Berufung auf Sicherheitskreise.
Demnach habe unter anderem der Bundesnachrichtendienst (BND) dem Datenanalysten Steven Broschart – von dem die in der Sendung verwendeten Ergebnisse stammen – sowie dem ZDF in „intensiven Gesprächen dringend davon abgeraten“, die Auswertung von Google Trends zu verwenden, so schreibt es die Welt.
Denn darauf bezog sich die Sendung. Dabei ist Google Trends ein äußerst volatiles Werkzeug. Hier kann nach Begriffen und Links gesucht werden, um dafür einen Wert zwischen 0 und 100 im zeitlichen und räumlichen Kontext zu erhalten. Während 100 die maximale Popularität der Suchanfrage widerspiegelt, steht 0 für zu wenige verfügbare Daten.
In der Dokumentation wurden Bilder von Broscharts Auswertungen gezeigt, wonach beispielsweise Suchanfragen nach dem Angriff auf den Islamkritiker Michael Stürzenberger am 31. Mai 2024 in Mannheim bereits Tage und Wochen zuvor in Russland hohe Werte erhalten haben sollen. Das Problem: Die Darstellung von Google ist nicht zeitlich akkurat und wird erst nach und nach konkretisiert. So sind die vom ZDF gezeigten Beispiele jetzt nicht mehr nachvollziehbar.
Um das Vorgehen zu überprüfen, hat Apollo News unmittelbar nach ihrem Erscheinen nach der ZDF-Recherche gesucht. Google Trends zeigte zunächst eine Prüfsumme von 100 am 1. April an – obwohl die Dokumentation erst Tage später erschien. Erst nach und nach wurde die Anzeige konkretisiert und auf die Tage nach dem 6. April verschoben.
Auch der BND kennt die Fehleranfälligkeit dieses Werkzeugs: „Die Ergebnisse aus ‚Google Trends‘ sind für die dargestellten Analyse- und Auswertemethoden nicht geeignet und auch nicht valide einsetzbar. Sie greifen nicht auf die Anzahl der tatsächlich in einer gewählten Region und zur gewählten Zeit getätigten Suche zu, sondern auf Stichproben und daraus errechnete Wahrscheinlichkeiten“, erklärte ein Sprecher bezüglich der Dokumentation gegenüber der Welt.
Vielmehr würde die Verbreitung solcher ungenauen Ergebnisse neue Verschwörungstheorien befeuern, warnt die Behörde. Zuletzt war im Internet die Theorie verbreitet worden, es würde vor allem im zeitlichen Kontext vor großen Wahlen in Deutschland vermehrt zu Anschlägen kommen – etwa um die AfD zu stärken, weil die Partei gegenüber Russland wesentlich unkritischer auftritt als andere und somit russische Interessen eher durchgesetzt werden könnten. Beweise dafür gibt es nicht.
Und dennoch schlug die Dokumentation so große Wellen, dass auch der vorsitzende Richter des Oberlandesgerichts Stuttgart im Prozess gegen den Messerangreifer von Mannheim, der Stürzenberger schwer verletzt und einen Polizisten getötet hatte, auf die Daten verwies, berichtete der SWR. Er soll das LKA und die Bundesanwaltschaft überdies dazu aufgefordert haben, alle Erkenntnisse zu einer möglichen Verbindung der Tat nach Russland mitzuteilen.