
Wenn ein Mann wie Jan Böhmermann, selbst ernannter Hofnarr der Republik, die Bühne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betritt, erwartet man Satire, die pointiert ist, vielleicht provokant und nicht selten unter der Gürtellinie. Doch was Böhmermann in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ am 9. Mai 2025 ablieferte, war kein satirischer Geniestreich, sondern ein Akt der digitalen Denunziation, der Ekel und Abscheu hervorruft.
Böhmermann gab die Identität eines unter dem Pseudonym „Clownswelt“ bekannten – jedoch bislang anonymen YouTubers – der Öffentlichkeit preis. Ungeniert nannte er dessen Klarnamen, Wohnort, Beruf und intime Details aus seinem Privatleben.
Dieses Vorgehen, euphemistisch als „Recherche“ verbrämt, ist nichts anderes als Doxxing: das gezielte Zusammentragen und Veröffentlichen persönlicher Daten, um jemanden an den Pranger zu stellen. Es ist widerlich, verantwortungslos und moralisch verwerflich – und doch typisch für einen Mann, der sich als Richter über die Meinungen anderer aufspielt. Besonders zynisch ist, wenn Böhmermann von „menschenverachtendem Gedankengut“ spricht und sich dabei menschenverachtend verhält.
Was treibt einen Menschen dazu, das Leben eines anderen so rücksichtslos zu zerstören? Der YouTuber hinter „Clownswelt“ hatte mit seinem Kanal eine Reichweite von über 227.000 Abonnenten. Seine Inhalte, die Böhmermann als „rechtsextrem“ brandmarkt, sind kritische, oft polemische Kommentare zu gesellschaftspolitischen Themen und über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ob man seine Ansichten teilt oder nicht, ist irrelevant – er hat das Recht, sie zu äußern, solange er keine Gesetze bricht.
Anstatt sich mit Argumenten auseinanderzusetzen, greift Böhmermann zur digitalen Keule. Gemeinsam mit der ZEIT setzte er ein Arsenal an Ressourcen ein, das an Geheimdienstmethoden erinnert: wissenschaftliche Stimmanalysen, Recherchen im privaten Umfeld, sogar ein Besuch bei den Eltern des YouTubers, die von den Aktivitäten ihres Sohnes nichts ahnten. Das Ergebnis? Ein Mann, der aus seiner Band geworfen wurde, dessen soziales Umfeld erschüttert ist und der nun dem Hass der Öffentlichkeit als Zielscheibe ausgesetzt ist.
Dieses Vorgehen ist nicht nur ein Angriff auf die Privatsphäre, sondern gezielte Zersetzung. Böhmermann und seine Mitstreiter behaupten, die Anonymität von „Clownswelt“ sei nicht mehr schützenswert, weil er mit seinen Inhalten „im Mainstream angekommen“ sei. Welch perfide Logik! Wenn jemand eine große Reichweite erzielt, verliert er automatisch das Recht auf Privatsphäre?
Nach dieser Argumentation dürfte Böhmermann selbst längst am Pranger stehen, denn er erreicht Millionen. Doch genau hier zeigt sich die Doppelmoral: Als 2020 Gegner der Corona-Maßnahmen Böhmermanns Wohnadresse auf Telegram veröffentlichten, wandte er sich empört an den Staatsschutz. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren. Betreibt er jedoch selbst Doxxing, ist es plötzlich „Journalismus“ im Dienste der Demokratie. Diese Heuchelei schürt Brechreiz.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Der Zorn, der sich nun gegen Böhmermann richtet, ist menschlich. Wenn jemand so dreist provoziert, so skrupellos zuschlägt, dann ist der Impuls zurückzuschlagen nur natürlich. Auf Plattformen wie X kocht die Empörung hoch und mancher mag sich wünschen, es Böhmermann oder seinen Unterstützern mit gleicher Münze heimzuzahlen. Schadenfreude oder Vergeltung ist ein mächtiges Gefühl, besonders wenn jemand wie Böhmermann, der sich hinter dem Schutzschirm des ÖRR verschanzt, so unverfroren agiert.
Doch genau hier liegt die Falle: Wer Böhmermanns Methoden spiegelt, wer ihn, seine Kinder oder seine Anhänger doxxed, sinkt auf sein Niveau herab. Es ist ein wiederholendes Prinzip: Jemand provoziert, schlägt zu, bringt Gewalt – wenn die Gegenwehr kommt, ist der Aufschrei groß. Plötzlich ist der Täter das Opfer und die Moral wird auf den Kopf gestellt.
Diese Wut ist nachvollziehbar. Ich fühle sie selbst, wenn ich sehe, wie Böhmermann mit Zwangsgebühren Menschenleben zerstört, während er sich als Retter der Demokratie inszeniert. Doch moralisch gesehen gibt es keinen Unterschied zwischen seinem Doxxing und dem, was seine Gegner ihm antun könnten. Wer Gleiches mit Gleichem vergilt, wird zu dem Idioten, den er verurteilt. Es ist ein bitterer, aber notwendiger Akt der Selbstbeherrschung, diesen Weg nicht zu gehen. Denn am Ende geht es nicht darum, Böhmermann zu „besiegen“, sondern darum, besser zu sein als er.
Böhmermanns Handeln ist nicht nur ein persönlicher Angriff auf die Person hinter „Clownswelt“, sondern ein Schlag gegen die Meinungsfreiheit. Indem er Menschen, die nicht in seinen Mainstream passen, öffentlich bloßstellt, sendet er eine klare Botschaft: Weiche von der Linie ab und wir werden dich zerstören. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der mit neun Milliarden Euro Zwangsgebühren finanziert wird, pervertiert zur Waffe gegen Andersdenkende.
Die AfD, die selbst Beiträge von „Clownswelt“ geteilt hat, spricht auf X von Methoden totalitärer Regime. So übertrieben das klingen mag, es liegt ein Kern Wahrheit darin. Wenn der Staatssender zum Denunzianten wird, ist die Demokratie in Gefahr. Dieser Gefahr sollte man sich im ZDF bewusst werden. Abstreiten und laufen lassen, ist nicht nur unprofessionell, sondern wird weitreichenden Schaden auslösen.
Die Konsequenzen für „Clownswelt“ sind bereits spürbar: Seine Band hat sich öffentlich von ihm getrennt, sein Umfeld ist in Aufruhr und er ist dem Hass der Öffentlichkeit ausgesetzt. Doch ironischerweise hat Böhmermanns Angriff auch einen gegenteiligen Effekt erzielt: Die Abonnentenzahlen von „Clownswelt“ sind auf YouTube von 227.000 auf über 300.000 gestiegen. Das zeigt, wie viele Menschen dieses Vorgehen ablehnen und sich mit dem Opfer solidarisieren. Es ist ein kleiner Trost für den Geschädigten und ein Zeichen dafür, dass Böhmermanns Methoden nicht unangefochten bleiben.
Jan Böhmermann hat mit seinem Doxxing eine Grenze überschritten, die in einer liberalen Demokratie unantastbar sein sollte. Er hat nicht nur das Leben eines Einzelnen beschädigt, sondern das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiter erodiert. Seine Handlungen sind ein moralischer Tiefflug, getrieben von Arroganz und der Gewissheit, straffrei zu bleiben. Doch so verständlich die Wut über ihn ist, so wichtig ist es, nicht in die Falle der Rache zu tappen. Es darf nicht passieren, dass Böhmermann durch seine Niedertracht andere auf sein Niveau zieht. Stattdessen muss mit Argumenten, mit Vernunft und mit einem unerschütterlichen Bekenntnis zur Meinungsfreiheit geantwortet werden.
Viele unterstützen „Clownswelt“ bereits durch das Anschauen seiner Videos und stärken damit seine Reichweite. So kann seine Stimme gehört werden und jeder kann sich selbst ein Bild machen. Es ist dringend notwendig, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu reformieren, damit er wieder zum Sprachrohr der Vielfalt wird, nicht zur Waffe der Konformität. Böhmermann muss dort getroffen werden, wo es wirklich wehtut: in der öffentlichen Debatte, mit scharfer Kritik und einem klaren Nein zu seinen Methoden – und wenn seine Sendung läuft, dann schalten Sie am besten ab. Das dürfte ihn besonders treffen.
So könnte man es übrigens bei vielen anderen Sendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenfalls handhaben.