Absurder Terrorverdacht! Algerischem Islamkritiker Boualem Sansal droht lebenslange Haft in Algerien

vor 5 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Der französisch-algerische Schriftsteller Boualem Sansal ist von der Anti-Terror-Staatsanwaltschaft in Algier verhört und anschließend in Untersuchungshaft genommen worden. Wie die französische Tageszeitung Figaro unter Berufung auf seinen Anwalt, François Zimeray, in einer Pressemitteilung berichtet, droht Sansal dort unter Umständen lebenslange Haft. Bereits am vergangenen Freitag hatte die staatliche algerische Nachrichtenagentur APS eine Festnahme Sansals bestätigt, ohne jedoch nähere Details zu nennen.

„Boualem Sansal, der sich in gutem Glauben nach Algier begeben hatte, befindet sich nun in Haft aufgrund von Artikel 87 des algerischen Strafgesetzbuches, das alle Angriffe auf die Sicherheit des Staates unter Strafe stellt“, erklärte Zimeray. Weiter führte der Anwalt aus: „Die Freiheitsberaubung eines Schriftstellers aufgrund seiner Werke ist ein schwerwiegender Akt, unabhängig von den verletzten Empfindlichkeiten oder den vorgebrachten Argumenten.“

Ist den Machthabern in Algerien immer wieder ein Dorn im Auge: der Schriftsteller Boualem Sansal.

Sansal war bereits am 16. November am Flughafen von Algier festgenommen worden. Seitdem herrschte Funkstille, was sein Umfeld zunehmend beunruhigte. „Es gibt jetzt zwei mögliche Szenarien, je nachdem, wie lange die Ermittlungen dauern“, erklärte ein Magistrat in Algier. Die Dauer der Untersuchungshaft kann mehrfach verlängert werden, was bedeutet, dass Sansal möglicherweise mehrere Monate in Haft bleibt. Alternativ könnte der Fall schnell vor Gericht gebracht werden.

Artikel 87 des algerischen „Code Penal“ beschreibt dabei alle Straftaten, die als terroristische Handlungen gegen das Land eingestuft werden. Laut der regierungsnahen Zeitung El Moudjahid wird Boualem Sansal unter anderem „Angriffe auf die nationale Einheit und die staatlichen Institutionen“ vorgeworfen. Auslöser der Kontroverse ist ein Interview Sansals mit dem französischen Sender Frontières, in dem sich der Schriftsteller kritisch über algerische Territorialansprüche und die Westsahara-Politik des Landes geäußert hatte. Die Aussagen hatten in Algerien für Kontroversen gesorgt. Im Falle einer Verurteilung droht Sansal lebenslange Haft. Der dekorierte Autor hat gegen seine Inhaftierung Berufung eingelegt, wie sein Anwalt mitteilte.

Saharauische Soldatinnen und Soldaten nehmen an den Feierlichkeiten anlässlich des 45. Jahrestages der Ausrufung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara teil. Das Gebiet zwischen Algerien, Marokko und Mauretanien gilt immer wieder als territorialer Konfliktherd in Nordafrika.

Vergangenes Wochenende strahlte das staatliche Fernsehen, als Reaktion auf die Äußerungen Sansals, eine Dokumentation mit dem Titel „Diener westlicher und marokkanischer Agenten“ aus, in der Sansal als „Agent unter dem Deckmantel eines Schriftstellers“ dargestellt wurde. „Das algerische Strafgesetzbuch steht über allem“, hieß es in dem Beitrag. Kritik aus dem Ausland wurde zurückgewiesen, indem die staatliche Einheit als unantastbar und deren Gefährdung als terroristischer Akt dargestellt wurde.

Beobachter vermuten allerdings, dass die Äußerungen hinsichtlich des Staatsterritoriums ein bequemer Vorwand für die Regierung in Algier sind, um gegen einen der profiliertesten Kritiker des Landes und des Islam vorzugehen.

2011 sagte Sansal: „Die Religion [der Islam] erscheint mir sehr gefährlich wegen ihrer brutalen, totalitären Seite. Der Islam ist ein furchteinflößendes Gesetz geworden, das nichts als Verbote ausspricht, den Zweifel verbannt und dessen Eiferer mehr und mehr gewalttätig sind. Er muss seine Spiritualität, seine wichtigste Kraft, wiederfinden. Man muss den Islam befreien, entkolonisieren, sozialisieren.“

2017 sagte er, der Antisemitismus sei Teil der islamischen Kultur; er werde im Koran, in den Moscheen und in den Familien verbreitet; nach den Paris-Anschlägen 2015 teilte er mit, dass er nicht überrascht sei. Die Machthaber in Algerien bezeichnete Sansal wiederholt als Despoten und attestierte ihnen totalitäre Tendenzen einer Diktatur, die einen Laizismus verhindern und Herrschaft religiös begründen.

Seit 2019 ist Abdelmadjid Tebboune der Präsident Algeriens.

In Deutschland unterzeichneten als Reaktion auf Sanals Verhaftung neun Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels einen Appell, der die sofortige Freilassung fordert. Sansal gewann im Jahr 2011 selbst den Friedenspreis der Deutschen Buchhandlung. „Boualem Sansal ist ein dezidierter Kritiker des algerischen Regimes und des Islamismus. Er scheut sich auch nicht, einen ‚offiziellen‘ Islam anzuprangern, der weder in den muslimischen, noch in den westlichen Ländern eine Handhabe gegen den Islamismus zustande gebracht hat“, heißt es in dem Brief. „Man muss nicht seiner Meinung sein. Aber wer diskutieren will, der darf sich sein Gegenüber nicht rauben lassen.“ Unter den Unterzeichnern befinden sich Literaturnobelpreis-Träger wie Orhan Pamuk, Herta Müller und Irina Scherbakova, aber auch die Publizistin Anne Applebaum, Daniel Kehlmann, Seyla Benhabib oder die Vorsteherin des Börsenvereins, Karin Schmidt-Friderichs.

2011 gewann Sansal den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Die algerische Opposition zeigt sich uneins über den repressiven Umgang mit dem Autor. Soufiane Djilali, Vorsitzender der Partei „Jil Jadid“, verurteilte Sansals Aussagen scharf, plädierte jedoch dafür, die Justiz nicht mit solchen Fällen zu belasten: „Die Geschichte wird ihn schneller in Vergessenheit geraten lassen, als seine Gönner ihn erschaffen haben.“ Der Präsident der islamistischen Partei MSP, Abdelali Hassani Cherif, warf Frankreich vor, durch Personen wie Sansal und andere Schriftsteller eine kulturelle Kampagne gegen Algerien zu führen.

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