
Weil sie ein Schild mit der Aufschrift „Ich bin hier zum Reden, falls Sie möchten“ hochgehalten hatte, wurde die 64-jährige Britin Livia Tossici-Bolt am Freitag verurteilt. Im März 2023 hatte die Britin in einem Pufferbereich vor einer Abtreibungsklinik in Bournemouth, in dem per Gesetz abtreibungskritische Handlungen wie Beten oder Proteste verboten sind, sich so schwangeren Frauen als Gesprächspartnerin angeboten.
In derartigen Pufferzonen gilt die Public Spaces Protection Order (zu Deutsch: Anordnung zum Schutz öffentlicher Räume), die eben auch eine Klausel für abtreibungsbezogene Handlungen enthält. Tossici-Bolt, pensionierte Medizinerin, ist auch nach dem Urteil überzeugt, nicht gegen die Anordnung verstoßen zu haben. „Ich habe nicht protestiert und habe niemanden belästigt oder behindert“, erklärte sie nach der Urteilsverkündung.
„Alles, was ich getan habe, war, ein einvernehmliches Gespräch an einem öffentlichen Ort anzubieten, wie es mein Grundrecht ist, und dennoch hat mich das Gericht schuldig gesprochen.“ Weil sie es zunächst ablehnte, einer festgesetzten Strafzahlung nachzukommen, wurde sie jetzt vom Poole Magistrates‘ Court zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.
Außerdem muss Tossici-Bolt rund 24.000 Euro Strafe zahlen. Die Richterin sah die Meinungsfreiheit der 64-Jährigen, die sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention berufen hatte, nicht beschnitten und fügte hinzu, der Angeklagten würde es „an der Einsicht fehlen, dass ihre Anwesenheit eine nachteilige Auswirkung auf die Frauen, die die Klinik besuchen, ihre Mitarbeiter, das Personal und Personen der Öffentlichkeit haben könnte“.
Utterly appalling. A UK judge has convicted British retiree Livia Tossici-Bolt, ordering her to pay £20,000 for holding this sign in a public place.
The US @StateDept was right: the UK is egregiously punishing a Christian for free speech. pic.twitter.com/9bErOJh0F0
— Kristen Waggoner (@KristenWaggoner) April 4, 2025
Die Verteidigung sah das anders. „Das Gericht konnte keine Beweise vorlegen, dass Frau Tossici-Bolt tatsächlich von einer Leistungsbezieherin gesehen wurde oder dass andere Schäden durch ihr Verhalten verursacht wurden“, erklärte die Anwältin Rosalind Comyn. Laut den Gerichtsunterlagen war ein Polizeibeamter an einem der beiden Märztage, als Tossici-Bolt das Schild präsentierte, auf die Angeklagte zugegangen und hatte sie aufgefordert, die Pufferzone zu verlassen – was sie mit einem Verweis auf die Meinungsfreiheit ablehnte und stattdessen eine Zeit angab, zu der sie selbstständig gehen werde.
Der Beamte teilte auch mit, er habe eine Beschwerde erhalten – von einem Anwohner, der die Anwesenheit der 64-Jährigen als „falsch“ betitelt haben soll. Vor Gericht warf der Beamte aber auch ein, nicht beobachtet zu haben, wie Tossici-Bolt irgendjemanden belästigt haben soll. Auch die Polizistin, die am zweiten Tag der Aktion von dem Klinikpersonal gerufen worden war, konnte keine Belästigungsvorwürfe untermauern.
Schon vor der Urteilsverkündung war die US-Regierung auf den Fall aufmerksam geworden. Die Abteilung für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit innerhalb des US-Außenministeriums hatte daraufhin mitteilen lassen, „besorgt über die Meinungsfreiheit im Vereinigten Königreich“ zu sein und die Verhandlung deshalb im Auge zu behalten. Anschließend zeigte sich die Abteilung auf X „enttäuscht“ über das Ergebnis.