
Wenn es um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht, wird sich zumeist über die Propaganda der großen Sendungen aufgeregt. Über die Tagesschau, über Monitor, über Jan Böhmermann, über all die Talkshows. Die viel gefährlichere Dauerpropaganda der Radiosendungen wird hingegen kaum beachtet.
Exemplarisch für diese Gefahr stehen wenige Minuten Brosius-Gersdorf-Berichterstattung des Radiosenders Bayern 3, die ich am vergangenen Mittwoch bei einer Autofahrt erleiden musste. Ja, tatsächlich, als politischer Masochist wird im Auto selbstverständlich ein ÖRR-Sender eingeschaltet. Außerdem: Wenn das Radio schon finanziert werden muss, kann es auch gehört und als Kolumnen-Vorlage ausgenutzt werden.
An diesem Mittwoch wurde das Thema Brosius-Gersdorf zwischen 12:00 Uhr und 12:30 Uhr gleich in zwei Themenblöcken besprochen, nachdem es in den Mittags-Nachrichten kurz erwähnt wurde. Zwischen Musikblöcken und nicht als Meinungsstücke gekennzeichnet, erwartete der nichts Böses ahnende Zuhörer natürlich ausgewogene Informationen. Er bekam jedoch ultralinke Propaganda, getarnt als sachliche Berichterstattung.
Der Moderator Markus Lanz befragt Frauke Brosius-Gersdorf: Doch wirklich informiert über das Gespräch werden Radiohörer nicht.
„Es sollte am letzten Freitag eigentlich eine reine Routineabstimmung sein, aber was dann im Bundestag passiert ist, hat viele fassungslos gemacht“, leitete der Moderator Sebastian Schaffstein den Themenblock ein. Es folgte ein Einspieler zu der Hysterie-Rede von Britta Haßelmann im Bundestag. Keine andere Stimme aus dem Parlament konnte einen Platz in der Sendung ergattern, aber gut, vielleicht weiß man beim ÖRR auch nicht, dass es dort noch andere Parteien als die Grünen gibt.
Darauf folgte kurz eine tatsächlich sachliche Einordnung der Geschichte. Der Moderator erwähnte sogar, dass die Juristin der Union „zu links, gerade beim Thema Abtreibung“ sei. Danach endete die Sachlichkeit abrupt. Direkt im Anschluss wurde ein Einspieler abgespielt, in dem den Zuhörern erzählt wurde, dass Brosius-Gersdorf wegen ihrer „liberalen Haltung zur Abtreibung“ in der Kritik stünde. Das zog sich dann durch den ganzen Themenabschnitt. Plötzlich wurde die linke Abtreibungsposition von Gersdorf als „liberal“ verkauft.
Normalerweise wird der schöne Begriff „liberal“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nie benutzt, um Personen zu verteidigen, sondern immer, um Personen zu diffamieren. Warum wird er also bei dem Thema positiv genutzt? Ganz einfach: Um den Kern der Debatte zu verschleiern. Linke vermitteln gerne den Eindruck, dass es bei dem rechtlichen Status von Abtreibungen um das Selbstbestimmungsrecht der Frau geht. Das ist natürlich Unfug. Es geht einzig und allein um die Frage, ab wann menschliches Leben schützenswert ist. Selbst im libertären Minimalstaat wäre es immer staatliche Aufgabe, menschliches Leben vor Gewalt zu schützen. Es kommt also ausschließlich darauf an, wo diese Linie bei Ungeborenen gezogen wird. Desinformation Nummer eins.
Desinformation Nummer zwei war dann der Versuch, Brosius-Gersdorf mit einer zitierten Aussage zu entlasten. Von wem diese Aussage kam? Von Brosius-Gersdorf selbst, bei Markus Lanz. Den Zuhörern wird von der Sendung berichtet, dass Brosius-Gersdorf gar keine problematischen, linken Positionen hätte. Deshalb „wird es noch peinlicher“ für die Union, da angeblich der Grund für ihre Umstrittenheit gar nicht vorhanden sei. Man stelle sich vor, ein rechter Jurist stünde in der Kritik und der ÖRR wischte die Kritik mit dem Verweis auf eine Selbstfreisprechung des rechten Juristen beiseite. Nein, das ist wahrlich unvorstellbar.
An Brosius-Gersdorfs Einlassungen zum Abtreibungsrecht und Lebensschutz von Ungeborenen entzündete sich die Kontroverse.
Zudem wird vermittelt, dass sie nie gesagt habe, dass Abtreibungen im neunten Monat möglich sein sollen. Blöderweise hat in ihrem Konzept der Gesetzgeber die Möglichkeit, Abtreibungen in der letzten Schwangerschaftsphase straffrei zu stellen. Ob Brosius-Gersdorf das selbst tun würde, tut dabei nichts zur Sache, sie würde es ermöglichen. Das ist der Punkt, der von ihren Verteidigern gewissenhaft ignoriert wird und den kein Bayern-3-Konsument an diesem Tag erfahren wird. Desinformation Nummer drei.
Die vierte Desinformation sollte dann die schwerwiegendste werden. Der Moderator kam zu seinem eigentlichen Punkt: „Und erst jetzt wird klar: Das Ganze scheint eine große Schmutzkampagne von Rechtsextremen im Netz zu sein. Teile der Union sind wohl darauf reingefallen.“ Schuld seien „rechtsgerichtete Plattformen“. Schon das beliebige Wechseln zwischen rechtsextrem und rechtsgerichtet lässt erkennen: Hier sind politische Vollprofis am Werk.
Eine „große Schmutzkampagne von Rechtsextremen“ also. Gerne würde man von Bayern 3 erfahren, welche Rechtsextremen sie genau meinen. Vielleicht die Rechtsextremen von der Welt oder der NZZ? Oder die Rechtsextremen von den ebenfalls tief in westlichen Werten verwurzelten neuen Medien Apollo News und NIUS? Oder den rechtsextremen Erzbischof Woelki? Überhaupt stellt sich die Frage: Warum gelten diejenigen als extrem, die verhindern wollen, dass ein jahrzehntealter Kompromiss der Bundesrepublik aufgekündigt wird? Wir werden wohl nie Antworten von Bayern 3 auf diese Fragen erhalten. Wenn es keine Argumente gibt, wird diffus diffamiert. So will es das Framing-Handbuch.
Der Moderator war sich in dem Gespräch mit einer zugeschalteten Korrespondentin freundlicherweise nicht zu schade, seine Ahnungslosigkeit offenzulegen: „Die Richter am Bundesverfassungsgericht halten sich ja an das geltende Recht, ja, sie legen es aus, aber immerhin steht da ja schwarz auf weiß wie die Dinge hier zu sein haben im Grundgesetz und beurteilen demnach zum Beispiel Gesetze, ob die damit konform laufen oder nicht.“
Als Verfassungsrichterin in Karlsruhe könnte Brosius-Gersdorf über ein AfD-Parteiverbot entscheiden.
Die zugeschaltete Korrespondentin relativierte das zwar, aber vielleicht sollte jemand, der an die absolute Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts und einen nicht vorhandenen Interpretationsspielraum im Grundgesetz ernsthaft glaubt, keine Zwangsgelder für sein politisches Geschwätz erhalten. Es ist naheliegend, dass solche Themen ein bisschen zu komplex für Sebastian Schaffstein sind.
Er schloss den Abschnitt, der nur wenige Minuten dauerte, aber bei allen Informierten nachhaltige Kopfschmerzen verursacht haben muss, dann mit einem von ihm als gut empfundenen Zitat des notorisch linken Kardinals Marx: „Ohne Wohlwollen, ohne den Versuch, den anderen zu verstehen, gibt es keine Lösung.“
Interessant, wie wäre es mal mit ein wenig öffentlich-rechtlichem Wohlwollen gegenüber politisch Andersdenkenden rechts der SPD? Dann käme bei den politischen Gehversuchen von Radiomoderatoren vielleicht auch etwas mehr Qualität raus.
Nun ist es nichts Neues, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk linke Agitation ein gemütliches Zuhause hat. Drei Faktoren machen das Radio aber zu der gefährlichsten Propagandaabteilung des ÖRR. Die Reichweite und die Niederschwelligkeit. Um 12 Uhr mittags berichtete Bayern 3 am vergangenen Mittwoch stolz von der enormen Reichweite der Radiosender des Bayerischen Rundfunks. Man erreiche knapp die Hälfte der Bayern, alleine Bayern 3 werde täglich von 2,25 Millionen Menschen eingeschaltet. Radio läuft überall, im Auto, in Küchen, an Arbeitsplätzen, in Wartezimmern. Radio läuft den ganzen Tag. Das unterscheidet es von den großen Fernsehsendungen, die vor allem am Abend stattfinden.
Gerade weil das Radio ein niedrigschwelliges Medienangebot ist, so unser Autor, besteht hier die Gefahr für Indoktrinierung.
Der zweite Faktor beim Radio ist dessen Niederschwelligkeit. Die meisten Menschen denken nicht an Politik, wenn sie 1Live, WDR 2 oder Bayern 3 während der Autofahrt oder in der Mittagspause hören. Die scheinbar unpolitischen Moderatoren, die in der einen Sekunde noch über Taylor Swifts neuen Freund oder einen obskuren Internet-Trend geredet haben, schwingen sich in der nächsten Sekunde zu sympathischen Welterklärern auf.
Wer Jan Böhmermann oder Sarah Bosetti einschaltet, weiß genau, dass er einen sehr linken Blick auf Politik serviert bekommen wird. Wer das Radio einschaltet, möchte zumeist einfach nur Musik oder Staumeldungen oder seichte Comedy hören. Die Politik läuft nebenbei, unterschwellig, subtil und trifft deshalb auf ein unvorbereitetes Gehirn, das vielleicht Thesen als wahr akzeptiert oder unterbewusst aufnimmt, die es bei bewusstem Konsum kritisch sehen würde. Zudem: Wer die Tagesschau oder Maischberger schaut, hat meistens schon eine gefestigte Meinung. Radio wird auch von Millionen Menschen gehört, die politisch tendenziell weniger interessiert sind. Die Chance auf Beeinflussung ist größer.
Auch die Kontrolle des Gesagten ist im Vergleich zum Fernsehen oder geschriebenen Texten kaum vorhanden. Ausschnitte von Fernsehsendungen oder Textzitate werden täglich massenhaft geteilt und kritisiert. Falschbehauptungen des Zwangsradios erfahren so gut wie nie Aufmerksamkeit. Sie laufen unter dem Radar der kritischen Öffentlichkeit. Eine massive Reichweite, gerade auch bei unpolitischen Menschen, politische Desinformation als unauffälliges Nebenprodukt und kaum Kontrolle des Gesagten. Diese Faktoren machen das zwangsfinanzierte Radio viel gefährlicher, als selbst die meisten ÖRR-Kritiker denken.
Ich behaupte, dass ohne das halbstündige Radio-Bombardement der Menschen mit Inzidenzzahlen, Berichten von Intensivstationen und Maskenappellen die Corona-Maßnahmen ein halbes Jahr eher vorbei gewesen wären. In Bayern wählen 70 Prozent der Menschen rechts der Mitte. Besonders in diesem Bundesland stellt sich die Frage nach der Existenzberechtigung von zwangsfinanzierter, allgegenwärtiger linker Propaganda. Wie lange will sich die CSU das noch gefallen lassen?
Auch bei NIUS: Die Causa Brosius-Gersdorf beweist: Viele Linke sind verrückte Verschwörungstheoretiker