
Einen Beitrag und ein Interview mit Hauptstadtkorrespondent Matthias Deiß bietet die Tagesschau am 7. August auf, um ihre Zuschauer über den Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf zu informieren.
Vier Minuten und 45 Sekunden, in denen mit keinem Wort erwähnt wird, welche die problematischen Positionen der SPD-Kandidatin für das Amt einer Verfassungsrichterin sind, noch, was sie schließlich zu Fall brachte: Die Plagiatsvorwürfe, die sich, ursprünglich fadenscheinige Ausrede der CDU-Fraktion, im Laufe der Zeit erhärteten, bis die Juristin die Kandidatur nicht mehr aufrechterhalten konnte.
Stattdessen Geraune über „Plattformen“, denen die CDU-Abgeordneten mehr Glauben geschenkt hätten als „ihren Fachpolitikern“, so Sonja Eichwede, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD. Aus dem Off wird die Richtung vorgegeben: „Die nächste Kampagne von rechts rollt bereits.“
Der Zuschauer wird darauf eingeschworen, Vorbehalte gegen Ersatzkandidaten und natürlich gegen die zweite SPD-Kandidatin, Ann-Katrin Kaufhold, von vornherein als rechte Verschwörung zu betrachten.
Das ist glasklar: Desinformation.
Fast fünf Minuten lang jegliche relevante Information zu umgehen, ist eine herausragende Leistung der Tagesschauredaktion.
Sie wirft ein schmerzhaftes Licht auf das mangelnde Demokratiebewusstsein im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, auf die Unfähigkeit, gesellschaftliche Debatten abzubilden, und den Unwillen, seriöses Material bereitzustellen, um die Meinungsbildung in der Bevölkerung zu befördern.
Das ist fatal. Denn dass Frauke Brosius-Gersdorf über Plagiatsvorwürfe gestolpert ist, ist im Grunde ein Warnschuss: Gerade noch gut gegangen. Ein weiteres Mal darf man nicht darauf zählen, dass alte Verfehlungen die Wahl von in ihrer Verfassungstreue zweifelhaften Personen vereiteln. Noch einmal wird man einen solchen Notausgang nicht aus dem Hut zaubern können.
Sicherlich ist Plagiieren kein Kavaliersdelikt. Aber im Kontext dessen, was Frauke Brosius-Gersdorf über sich selbst offenbart hat, von ihren juristischen und weltanschaulichen Positionen bis hin zu ihrem intolerant-fanatischen Habitus, ist eine Zusammenarbeit mit dem Ehemann, die akademische Gepflogenheiten verletzt, als sekundär zu betrachten, wenn überhaupt. Eine Notiz am Rande, die weder Häme noch Spott verdient. Sie hätte nicht ausschlaggebend sein dürfen, sondern lediglich bestätigen, was ohnehin Konsens sein müsste: Dass Frauke Brosius-Gersdorf für das Amt der Verfassungsrichterin untragbar ist.
Doch diese Einsicht ist den politischen Kräften, die sie in Stellung brachten, vollkommen fremd. Weitgehend verstehen sie nicht einmal, dass sie mit diesem Versuch, die Union zur Selbstaufgabe zu zwingen, zu weit gegangen sind, die Demokratie beschädigt haben.
Und das bedeutet, dass es höchste Zeit ist, sich in Deutschland darüber bewusst zu werden, wie sehr man den Pfad einer pluralen Demokratie bereits verlassen hat, wie weit entfernt man von freiheitlich-demokratischen Idealen ist, und wie noch viel weiter man die weltanschaulichen, philosophischen, und ja – auch die religiösen – Grundlagen und Errungenschaften der europäischen Geschichte und Geistesgeschichte hinter sich gelassen hat. Ganz abgesehen von Grundregeln des Anstands.
Ein Land, in dem überhaupt darüber diskutiert wird, ob Menschenwürde der Verfügbarkeit durch die Rechtswissenschaften unterliegt, ist auf einer abschüssigen Bahn bereits ins Rutschen geraten.
Die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien spricht dabei Bände: Der politische Wille zur Meinungslenkung hat jegliche Neutralität und sogar gebotene Fairness verdrängt.
Die Verantwortlichen meinen, der Bevölkerung genügend Sand in die Augen streuen, die Union willfährig genug machen zu können, um mit der Aufgabe von Brosius-Gersdorf zumindest Ann-Katrin Kaufholds Wahl sicherzustellen.
Hier ging und geht es nicht nur um die demokratische Verfasstheit des Landes, sondern um die Wahrung zivilisatorischer Standards.
Gegen die Aushöhlung derselben formierte sich breiter Widerstand, der so groß war, dass er selbst zaudernden Unionsabgeordneten ausreichend Rückgrat verschaffte, um der Schelte durch SPD, Grüne, Linke und den ÖRR standzuhalten. Das zeigt, dass bürgerliches politisches Engagement durchaus Wirkmacht entfalten kann – wenn genügend Medien außerhalb der Propagandamaschinerie die relevanten Informationen zugänglich machen und die vermeintliche Isolation durchbrechen, die jeden Einzelnen denken lässt, dass seine Unzufriedenheit und sein Einsatz nicht zählten.
Dennoch sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer noch zu wenig Menschen realisieren, wie knapp die Deutschen hier einer Katastrophe entronnen sind, die sich immer noch einstellen kann, wenn linke Kräfte daran festhalten, die Justiz weiter politisieren zu wollen.
Die Versuche, die Gesellschaft umzubauen, werden sich nun, da man weiß, dass die Gegner einer solchen Transformation keinesfalls mundtot gemacht und kaltgestellt sind, eher intensivieren.
Man wird nun zum Gaslighting übergehen, und mit der Moralkeule auf die Union eindreschen. Es ist abzusehen, dass man ihr so lange wechselweise Unzuverlässigkeit, Blockadehaltung und rechte Indoktrination vorwerfen wird, bis die wenigen integren Politiker in ihren Reihen meinen, aufgeben müssen. Dann musss eine Zivilgesellschaft, die den Namen verdient, hinter ihnen stehen. Sonst wird das, was die Wahl Brosius-Gersdorfs bedeutet hätte, lediglich mit Verzögerung eintreten.