
Die überfällige Wahl von drei Richtern zum Bundeverfassungsgericht (BVerfG) ist erst einmal gescheitert, sie wird aller Voraussicht nach das große Sommerlochthema werden. Das kann man bedauern, weil dadurch andere wichtige politische Themen in den Hintergrund geraten. Man sollte es aber nicht bedauern, denn hier geht es nicht nur um bestimmte Personen, sondern um sehr grundsätzliche Positionen, ja Ideologien, für die jedenfalls die beiden SPD-Kandidatinnen Frauke Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold stehen: Schwangerschaftsabbruch, AfD-Verbot, Verstaatlichungen/Enteignungen, Impfpflicht, Klimapolitik am Parlament vorbei u.a.m. TE hat sich damit an vorderster Stelle und mehrmals befasst.
Wiewohl eine angestrebte schwarz-rot-grün-dunkelrote Zwei-Drittel-Mehrheit für die drei Kandidaten im Bundestag am 11. Juli am Widerstand von etwa fünfzig Unions-MdBs (von insgesamt 208 CDU/CSU-Leuten!) scheiterte, macht die Unionsspitze der zweiten Reihe nun zum Start in die Parlamentsferien auf Zuversicht, Kompromisslerei und Harmonie. Und „Respekt!“
Markus Söders Statthalter in Berlin, Alexander Hoffmann (CSU), will den festgefahrenen Koalitionsstreit beenden. Wenn es nach ihm geht, könnten alle drei Richterkandidaten ausgetauscht werden – auch der CDU-Kandidat Günter Spinner, der von der Union erst nachgeschoben wurde, weil die Grünen den ersten Unionsvorschlag nicht mittragen wollten und die CDU/CSU einknickte: Kandidat Robert Seegmüller passte den Grünen nicht wegen seiner vor sieben Jahren geäußerten migrationspolitisch kritischen Einschätzungen. CSU-Mann Hoffmann wörtlich: „Wir müssen aus dieser Situation rauskommen. Da ist Gelassenheit angesagt, da ist Sachlichkeit angesagt und eben auch die Überlegung, ob es gelingen kann über ein neues Personalpaket.“ Und noch etwas verlangt Hoffmann: „Respekt“ unter den Koalitionären.
Zur Erinnerung: Hoffmann war es, der alle 208 Unionsabgeordneten Anfang Juli mit einem Brief zur Wahl der SPD-Kandidatinnen Brosius-Gersdorf und Kaufhold aufgefordert hatte.
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) setzt derweil auf den Bundesrat. Er sagt, es sei wichtig, sich aufeinander zuzubewegen – und von „Maximalpositionen“ herunterzukommen. Frei zugleich: „Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden werden.“ Eine Sondersitzung des Bundestags im Sommer werde es dafür nicht brauchen. Frei betonte: „Klar ist, man muss sich aufeinander zubewegen. Und das bedeutet, dass man eben von Maximalpositionen runterkommen muss.“ Frei lehnte auch die Forderung der Linken ab, ihr ein eigenes Vorschlagsrecht für einen Richter am Bundesverfassungsrecht im Gegenzug dafür zuzugestehen, dass sie den Richter-Vorschlägen von Schwarz-Rot im Bundestag zu einer Zweidrittelmehrheit verhilft. Zu einem entsprechenden Angebot von Linken-Chef Jan van Aken sagte er: „Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.“
Thorsten Frei weiß: Der Bundesrat wird auf Linie sein. Die Konstellationen im Bundesrat mögen unübersichtlich sein. Dennoch ist die Lage hier überschaubar. Dort, wo Schwarz/Rot/Dunkelrot/Grün – in welcher Konstellation auch immer – die Landesregierungen stellen, hätten sie mit 47 Stimmen knapp eine Zwei-Drittel-Mehrheit: als knapp mehr als 46 von 69 Stimmen. Diese Mehrheit würde auch nicht kippen, wenn sich die Regierungen mit FDP-Beteiligung (Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt: 4 + 4 Stimmen), mit BSW-Beteiligung (Thüringen und Brandenburg: 4 + 4 Stimmen) und mit Beteiligung der Freien Wähler (Bayern: 6 Stimmen) enthalten müssten: Das waren dann 22 Stimmen. Im Bundesrat müssen die einzelnen Länder geschlossen abstimmen; im Falle eines Widerspruchs eines der Koalitionspartner müsste sich ein Land dann enthalten. So sehen es die Koalitionsvereinbarungen in den Ländern vor.
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Es ist am Ende alles wieder „Jacke wie Hose“. Die Union wird sich erneut von der Schrumpf-Partei SPD dirigieren lassen. Und die 50 MdB-Widerständler der Union hätten im Bundesrat nichts zu sagen.