
Feierstunde in Berlin. Bundeskanzler Friedrich Merz präsentierte am Montag das vermeintliche Comeback der deutschen Depressionswirtschaft. Unter dem wirklich originellen Titel (Ironie) „Made for Germany“ legten 60 Großkonzerne ihre selbstverständlich längst verbuchten Investitionen für die kommenden Jahre als aggregierten Befreiungsschlag vor. „Deutschland ist zurück“, schrieb Merz auf „X“, pathetisch, infantil – Gänsehautstimmung der unangenehmen Art.
Die Realität der deutschen Wirtschaft sieht ein wenig anders aus: Der Arbeitsmarkt ist längst gekippt, hunderttausend Industriejobs werden in diesem Jahr noch gestrichen. Rekordinsolvenzzahlen und ein dramatischer Kapitalabzug runden das Bild einer krachend gescheiterten Wirtschaftspolitik ab. Wie weit der PR-Auftritt von Merz und seiner Konzern-Crew von der ökonomischen Wahrheit abweicht, zeigen Zahlen zu den Netto-Direktinvestitionen in den letzten Jahren: Im vergangenen Jahr verlor Deutschland 64,5 Milliarden Euro netto an das Ausland, 2023 waren es 67,3 Milliarden, 2022 sogar 112,2 Milliarden Euro.
Deutschland blutet aus. Und dass sich die politische Führung und die, nennen wir sie aus praktischen Gründen „Wirtschaftselite“, über die wahren Gründe dieses Kollapses ausschweigen, ist der eigentliche Skandal. Ein Wirtschaftsgipfel „Made for Germany“ müsste den Ausstieg aus der grünen Katastrophenagenda verkünden. Er müsste einen drastischen Rückbau von Bürokratie und Regulierungszwang zum Inhalt haben, von der Rückkehr zum günstigen russischen Gas und zur Kernkraft, die unverzichtbaren Säulen der deutschen Standortpolitik, ganz zu Schweigen.
Kontrastiert man die Konzernrunde mit diesem Zahlenwerk, so wird klar, weshalb die PR versandete und uninspiriert und schmallippig kommentiert in den Archiven politischer Plazebopolitik abgelegt wurde.
Merz´ Gedanken dürften sich eh bereits um einen anderen Problemkreis gedreht haben. Während des Sektempfangs diskutierte halb Europa über das ausufernde Budget seiner Parteigenossin Ursula von der Leyen. Die EU-Kommissionschefin hatte zuvor ihren Finanzrahmen für 2028 bis 2034 präsentiert und ein Budget von 1,8 Billionen Euro zur Debatte gestellt.
Man kann nicht sagen, dass sie in Brüssel unambitioniert wären. Mit 100 Milliarden Euro will man den Stellvertreterkrieg in der Ukraine am Leben halten und gleichzeitig etwa 650 Milliarden in die grüne Subventionsmaschine einspeisen, um die künstliche Euroökonomie am Leben zu halten. Das EU-Budget würde damit um 750 Milliarden Euro oder um die Hälfte aufgestockt. EU-Europa begnügt sich nicht mit dem chinesischen Fünf-Jahres-Prinzip. Hier plant man direkt für sieben Jahre im Voraus. Ganz in der Tradition überzeugter Zentralplaner.
Für die Bundesrepublik implizierte das Mega-Budget der EU, käme es denn zustande, einen massiven Anstieg der Transferkosten. Da sich die Beiträge der Mitgliedstaaten nach ihrer ökonomischen Größe bemessen, stünde Deutschland mit 25 Prozent, also etwa 450 Milliarden Euro, in der Pflicht.
Deutschland zahlte zuletzt rund 30 Milliarden Euro in den EU-Haushalt ein und erhielt etwa 14 Milliarden zurück – ein jährlicher Nettoverlust von knapp 16 Milliarden Euro. Der kommende mehrjährigen Finanzrahmen könnte Deutschland jedes Jahr bis zu 64 Milliarden Euro kosten. Zugleich soll der Rückfluss von EU-Mitteln an Deutschland weiter sinken. Der Nettozahlerbeitrag wüchse auf bis zu 50 Milliarden Euro pro Jahr an – mehr als das Dreifache des heutigen Niveaus.
Zyniker würden nun sagen, Deutschland könne mit seiner geplanten Neuverschuldung in Höhe von 90 Milliarden Euro im kommenden Jahr die 26 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden problemlos schultern. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt wären das gerade einmal 0,6 Prozent zusätzlicher Ausgaben. Eine Kleinigkeit, geht es doch immerhin um die Stabilisierung der großen europäischen Zentralbehörde. Um im Duktus der deutschen Politik zu bleiben: Eine Art Demokratieabgabe.
Und da sich niemand mehr an die Maastricht-Regeln gebunden fühlt, steht der nächsten Runde der europäischen Schuldenorgie eigentlich nichts mehr im Weg.
Friedrich Merz teilt zudem mit Ursula von der Leyen und seinem Kollegen Emmanuel Macron die feste Überzeugung, dass es der Konsolidierung der politischen Macht innerhalb des Zentralkörpers Brüssels bedarf, um Europa geopolitisch im Spiel zu halten. Merz, und das wird von Tag zu Tag deutlicher, ist ein überzeugter Zentralplaner. Mit ihm wird es keine ordnungspolitische Wende geben.
Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung zeigt, dass man im Großen und Ganzen am selben Strang zieht. Die ökonomische Krise soll durch ein gigantisches Schuldenpaket und durch staatliche Allokationen des Kunstkredits überwunden werden. Für die europäische Budgetzwangslage wird es daher eine komplexe Lösung aus neuen Steuern für Brüssel und höheren Beiträgen der Mitgliedstaaten geben.
Ich wage an dieser Stelle die Prognose, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten eine Debatte über die Eliminierung des Veto-Rechts einzelner Mitgliedstaaten im Rahmen der Haushaltsverhandlungen für Brüssel erleben werden, um auch die letzten Hürden aus dem Weg zu räumen. Da kann Viktor Orbán in Budapest im Quadrat tanzen – den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf – bei der CDU sollten sie die Internationale mittlerweile auswendig gelernt haben.
Dann wäre der Weg frei, die nationalen Schulden unter die Obhut der EU-Kommission zu bringen, den Schuldenberg über die Europäische Zentralbank liquide zu halten und mithilfe des digitalen Euro das Ausbluten der Eurozonen-Wirtschaft zu stoppen. Der Ukraine-Konflikt dient in diesem Kontext als Rechtfertigungsmechanismus für die massive Kreditschöpfung des öffentlichen Sektors.
Soweit die Planspiele der Eurokraten. Glücklicherweise kommt es in der Realität immer anders, als wir uns das im Schutzraum unserer Ideologien und Phantastereien zusammenspinnen.
Angesichts der sich langsam regenden konservativen Opposition innerhalb der EU ist es unwahrscheinlich, dass es während der kommenden Schuldenkrise keine Dissidenten geben wird. Sie werden Brüssel entweder fiskalpolitisch einhegen oder den Kollaps dieses Kartenhauses der Macht erzwingen.