Bündnisse mit Wagenknecht im Osten? Das BSW kann kein Partner für die CDU sein

vor 7 Monaten

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Bildquelle: NiUS

An dieser Brombeere könnte sich die CDU verschlucken: Sowohl in Thüringen als auch in Sachsen loten die Christdemokraten gerade aus, ob sie gemeinsam mit der SPD und dem am Jahresanfang gegründeten Bündnis Sahra Wagenknecht eine Koalition schmieden können. Die bisher beispiellose Kombination einer eher konservativen Partei mit zwei linken Partnern wird ob ihres schwarz, lila und rot schillernden Farbenspiels nach der Spätsommerfrucht benannt. Die Zeichen stehen auf Einigung, und eine solche wäre für die Partei des Friedrich Merz fatal. Die CDU würde durch eine Koalition mit dem BSW ihre Seele verkaufen, ihre Werte verraten und sich für einen neuen Slogan empfehlen: „CDU – auf das Regieren kommt es an!“

Der CDU Vorsitzende Friedrich Merz muss seine Partei durch schwierige Zeiten steuern.

Niemand, auch nicht die Unterhändler in Erfurt und Dresden erwecken den Eindruck, das bei den letzten Landtagswahlen auf knapp 16 beziehungsweise 12 Prozent empor geschossene BSW sei ein Wunschpartner. Mit Pathos in der Stimme wird aber verkündet, aus staatsbürgerlicher Verantwortung gehe es nicht anders. Es brauche eben „stabile Verhältnisse“ – so der Thüringer Landesvorsitzende Mario Voigt.

Er war es auch, der sich nach dem zweitschlechtesten CDU-Ergebnis überhaupt zum eigentlichen Wahlsieger erklärte. Bescheidene 23,6 Prozent und damit knapp zehn Punkte weniger als die AfD reichten für diese kühne Umdeutung der Wirklichkeit. Voigts Trick? Er rechnete die AfD aus dem Kreis der legitimen Wettbewerber heraus. Simsalabim, plötzlich war die gebeutelte CDU „stärkste Kraft der politischen Mitte“ (Voigt) geworden. Nimmt man diese Interpretation so ernst, wie sie vorgetragen wurde, sollten künftig den Wahlzetteln Warnhinweise beigegeben werden: „Achtung, Sie verlassen die politische Mitte – Ihre Stimme könnte wertlos verfallen.“

Mario Voigt (CDU, rechts) mit Georg Maier (SPD, links) und Katja Wolf vom BSW.

Zu Voigts Leidwesen käme selbst das heikle Bündnis mit SPD und BSW auf lediglich 44 von 88 Mandaten. Nach „stabilen Verhältnissen“ klingt das nicht. Von Fall zu Fall müsste, um das Berührungsverbot mit der AfD durchzuhalten, die vom Wähler dramatisch abgewählte Linke des amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zustimmen. Damit wäre der Alptraum für die konservativen Wähler der CDU vollendet: Die Partei von Bernhard Vogel und Christine Lieberknecht stellte dann zwar wieder den Ministerpräsidenten. Voigt hinge aber fest verschnürt am Gängelband sogar dreier faktischer Mitregenten. Die Thüringer Bevölkerung hätte mehrheitlich rechts-konservativ gewählt und würde zum Dank für dieses klare Votum mehrheitlich links regiert. Man sieht: Das strategisch unkluge Brandmauer-Dogma kann aus der einst stolzen CDU eine Lebensversicherung für linke Hegemonie machen.

Solche Klimmzüge stehen dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer nicht bevor. Seine CDU landete knapp vor der AfD, erhebt also zu Recht den Regierungsanspruch. Doch auch er ist auf die Gunst der Wagenknechtianer und der Sozialdemokraten angewiesen, will er die AfD außen vor halten. Am kommenden Montag wollen die drei potenziellen Partner sich wechselseitig ihre jeweiligen „Leuchtturmprojekte“ vorstellen – das also, was ihnen besonders am Herzen liegt. Womöglich wird der ideologisch flexible Kretschmer beim Blick auf die BSW-Signale schlucken müssen.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf dem Weg zur letzten Landtagssitzung in der abgelaufenen Legislaturperiode.

Im Wahlprogramm für Sachsen stand zu lesen, mit dem BSW solle künftig „kein sächsischer Arbeitnehmer weniger als 14 Euro die Stunde“ verdienen und „kein Rentner mit einer gesetzlichen Rente unterhalb von 2000 Euro Steuern bezahlen müssen“. Auch, versprach Wagenknecht, werde ihr Bündnis die „Militarisierung bis in die Schulen hinein“ stoppen, der Bundeswehr also ein Betretungsverbot auferlegen, und gegen „Militärtransporte durch Sachsen“ aufbegehren.

Kretschmer und Voigt haben gemeinsam mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke Wagenknecht bereits eine Morgengabe dargebracht. In einem FAZ-Artikel plädierten sie gemeinsam für mehr diplomatische Bemühungen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Kretschmer und Voigt antichambrierten auch persönlich bei der ehemaligen Linkenpolitikerin – beide in Berlin, nicht in Erfurt, nicht in Dresden.

Umworbene Frau: BSW Chefin Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht hielt Hof. Die CDU-Granden ließen sich nicht zweimal bitten. Schon das war ein bemerkenswertes Zeichen machtstrategischer Verzwergung. Das Kalkül ist nachvollziehbar, aber falsch: Ohne Wagenknechts Segen kann keine Regierung unter Ausschluss der AfD gebildet werden. Die wahre Morgengabe an Wagenknecht war die christdemokratische Selbstverleugnung.

Man muss nicht nur die Wahlprogramme lesen, um zu erkennen, dass das BSW sich trotz einiger Schnittpunkte in der Inneren Sicherheit und der Migrationspolitik zur CDU verhält wie das Feuer zum Wasser, der Morgen zum Abend, die Null zur Eins. Wagenknechts zahlreiche Interviews lassen keinen Zweifel: Das BSW hält wenig von den USA und fast nichts von der Nato, viel aber von Russland. Der Sozialstaat soll ausgebaut, der Gesundheitssektor den „Renditejägern“ entzogen, die Daseinsvorsorge „wieder in kommunale Hände“ gelegt, eine „Bürgerversicherung in der Pflege“ eingeführt werden.

Ein frontaler Angriff auf die Westbindung der CDU und die traditionelle Solidarität mit Israel sind Wagenknechts Auslassung zum Gaza-Krieg. Soeben im TV-Duell bei „Welt“ warf sie Israel Staatsterrorismus vor und nannte Gaza „quasi ein Freiluftgefängnis für die Menschen“. Zuvor schon hatte sie „Züge eines Vernichtungsfeldzuges“ auf israelischer Seite geortet.

Friedrich Merz mit Michael Kretschmer und Mario Voigt

Mario Voigt erklärte nun immerhin gegenüber NIUS, Wagenknechts Vorwurf, Israel handele barbarisch, sei „falsch und gefährlich“. Als Gründungsmitglied des Freundeskreises Israel im Thüringer Landtag sei für ihn, Voigt, das „Bewusstsein der historischen Verantwortung“ unverhandelbar, auch in Thüringen.

Voigt und Kretschmer täuschen sich, wenn sie solche fundamentalen Unterschiede ausblenden und darauf verweisen, für die deutsche Außenpolitik sei keine Landesregierung zuständig. Die Wahrnehmung bei Menschen, die die CDU wählen oder mit ihr sympathisieren, ist eine ganz andere: Da ist eine Partei bereit, das letzte verbliebene programmatische Tafelsilber über Bord zu werfen, um sich Macht zu sichern und eine rechte Regierung zu verhindern. Da bläst die CDU die Backen für eine konservative Wende und pfeift dann mit im linken Chor. Warum, werden solche Wähler und Sympathisanten sich vor der nächsten Bundestagswahl fragen, warum soll ich votieren für ein fabelhaftes Truggebilde namens CDU?

Eine Brombeerkoalition in Sachsen und in Thüringen könnte deshalb zweierlei sein: das Mahnmal einer vollendeten programmatischen Beliebigkeit und der Sargnagel auf den Kanzlerambitionen des Friedrich Merz.

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