Bürgergeld völlig außer Kontrolle: Missbrauch wird verwaltet, nicht verhindert

vor 11 Tagen

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Das „Bürgergeld“ ist bei allen, die sich Sorgen um dessen ausufernde Kosten und dessen Missbrauch machen, längst in Verruf geraten. Mit anderen Worten: Diese Anfang 2023 eingeführte Maßnahme des Sozialstaates Deutschland ist oft nichts anderes als ein Geldverbrennungsofen und ein Beitrag für Förderung von Arbeitsverweigerung. Dazu ein paar Fakten:

Nun will die CDU/CSU/SPD-Koalition das Bürgergeld durch eine neue Grundsicherung ersetzen. Wird es wieder nur ein Bürokratiemonster? Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) kündigte jedenfalls an, gegen Betrug bei Sozialleistungen vorgehen zu wollen. Sie sagte: „Es gibt ausbeuterische Strukturen, die Menschen aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland locken und ihnen Mini-Arbeitsverträge anbieten. Gleichzeitig lassen sie diese Menschen Bürgergeld beantragen und schöpfen die staatlichen Mittel dann selbst ab. Das sind mafiöse Strukturen, die wir zerschlagen müssen.“ Bas weiter: Es müsse für Beschäftigte in Jobcentern einfacher werden, Sanktionen einzusetzen. Wörtlich: „Und sie müssen schneller kommen und, wo nötig, auch verschärft werden.“ Wer Leistungen erhalte, habe eine Mitwirkungspflicht. Und: „Wer Termine beim Jobcenter grundlos ausfallen lässt, muss schnell und klar sanktioniert werden. Das ist sonst unfair gegenüber allen, die sich anstrengen.“ Schnell schränkte sie aber ein: „Eine rote Linie sind für mich Haushalte mit Kindern.“

Wie machtlos die Jobcenter sind (und womöglich bleiben werden), zeigen Beispiele, über die die „Welt“ in einer Reportage aus dem Bereich des Jobcenters Tempelhof-Schöneberg berichtet. Die „Welt“ war mit zwei Arbeitsvermittlern unterwegs – bei Hausbesuchen, genannt „aufsuchende Beratungen“ nach schriftlicher Ankündigung. Konkret bei Besuchen bei Bürgergeldempfängern, die sich über Monate, oder gar Jahre, jeder Mitwirkung entziehen. Zentrales Ergebnis: Zu vielen Bürgergeldempfängern haben die Behörden den Kontakt verloren.

In einem siebenstöckigen Sozialbau in Berlin-Schöneberg steht eine „aufsuchende Beratung“ an. Deutsche Nachnamen auf den Klingelschildern sind die Ausnahme. Eine Frau öffnet die Tür mit einem Zettel in der Hand. „Mein Mann nicht daheim“. „Arzttermin.“ Die Jobcenter-Leute fragen: „Warum rufen Sie nicht an?“ Keine Reaktion. Es geht um den 57-jährigen Issam H. Er ist wohl staatenloser Palästinenser. Vor über 20 Jahren kam der Mann aus dem Libanon nach Berlin. Er lernte weder ernsthaft Deutsch, noch hat er in all diesen Jahren seinen Lebensunterhalt selbst bestritten. Vor acht Jahren hat ihn das Jobcenter das letzte Mal gesehen. Das Geld fließt trotzdem, die Behörden haben kaum eine Handhabe, die Zahlungen einzustellen. Frau H. bezieht ebenfalls Bürgergeld, wird allerdings als Teilnehmerin eines Ein-Euro-Jobs beim Amt geführt, dazu kommen die Regelsätze für drei Kinder und die Miete, die übernommen wird. Laut Aussage der Ehefrau sei ihr Mann nicht in der Lage zu arbeiten. Er habe Diabetes.

Szenenwechsel in Richtung Tempelhofer Feld zum nächsten Problemfall. Viel wissen die Mitarbeiter des Jobcenters nicht über den anzusprechenden Mann, außer, dass er einen arabischen Nachnamen hat und auf die Kommunikation des Jobcenters nicht reagiert. Angekommen im Haus, versuchen die Mitarbeiter den Mann ausfindig zu machen. Schnell wird klar: Hier stimmt etwas nicht. An den Briefkästen stehen bis zu sechs Namen pro Wohnung; der Gesuchte ist nicht darunter. Die Jobcenter-Mitarbeiter versuchen es an drei Türen. An zwei werden sie mit „Weiß ich nicht, tut mir leid“, abgewiesen, die dritte bleibt verschlossen. Unverrichteter Dinge ziehen die beiden weiter, das unzustellbare Mahnschreiben müssen sie wieder mitnehmen.

Ein paar Häuser weiter der nächste Einsatz. Es geht um einen Mann, 33 Jahre alt, vielleicht obdachlos. Alle Kontaktversuche waren bislang erfolglos. Letztes Jahr war er bei seiner Mutter gemeldet. Die Mutter öffnet die Tür: „Ich weiß nicht, wo er ist … Er meldet sich gar nicht. Ich bin doch seine Mutter.“ Wieder ein aussichtloser Fall.

Sanktionen? Offiziell werden bundesweit weniger als fünf Prozent aller Bürgergeldbezieher sanktioniert. Und: Vielerorts liegt die Quote der nicht wahrgenommenen Pflichttermine beim Jobcenter bei über 50 Prozent. Wenn dann mal 62 Euro im Monat durch eine Kürzung fehlen, fällt das den Menschen teilweise gar nicht auf. Es wird in Kauf genommen oder mit Schwarzarbeit kompensiert.

Im Schnitt zahlen die Jobcenter bei Sanktionen nämlich allenfalls 62 Euro pro Monat weniger, was 11 Prozent entspricht. Erlaubt ist laut Bundesverfassungsgericht eine Kürzung von maximal 30 Prozent, zwei Monate am Stück. Mehr geht nicht, dann muss erneut eine Pflichtverletzung nachgewiesen werden. Die Miete und die Bürgergeldsätze für die Kinder indes bleiben vom Fehlverhalten der Eltern unberührt.

Folge: Statt Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen, ist die Arbeitslosenquote gestiegen, die Zahl erfolgreicher Jobaufnahmen rückläufig. Und das bei mehr als 1,4 Millionen offenen Stellen. Selbst die Quote an offenen Jobs, für die es keine Ausbildung braucht, etwa viele Hilfstätigkeiten, hat ein Rekordhoch erreicht. Obendrein zeigt eine Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): 72 Prozent der mehr als dreitausend an der Erhebung beteiligten Mitarbeiter in den Jobcentern sehen die momentanen Verhältnisse eher als Arbeitshemmnis an.

Das Bürgergeld lädt jedenfalls zu Tricksereien ein. RTL berichtet von dem 53-jährigen deutschen „Stephan“, der auf Mallorca leben und vom Jobcenter Geld bekommen will. Dem Sender sagt er in die Kamera: „Lass mich doch auch mal spielen mit dem Amt.“ So kann man die Arbeit dieser Behörde auch lahmlegen.

Klar: Dieser hypertrophierte deutsche Sozialstaat lädt zum Missbrauch ein. Und er ist ein weltweit bekannter „Pull-Faktor“. Finanziert von einem deutschen Michel, der einer geregelten Arbeit nachgeht sowie seine Steuern und Sozialabgaben zahlt. Und der dafür ein ums andere Mal von den Regierenden ausgenommen wird.Bürgergeld außer Kontrolle: Missbrauch wird verwaltet, nicht verhindert

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