
„Je näher der Zusammenbruch eines Imperiums rückt, desto verrückter sind seine Gesetze.“ Das ist ein Zitat von Marcus Tullius Cicero, und wenn er recht hatte, dann sind Deutschlands Tage gezählt.
Früher haben sie noch richtige Häuser gebaut. So wie das von Tino Kunze. Es steht in Taura, das ist ein hübsches Örtchen in Mittelsachsen und gehört zur sogenannten Verwaltungsgemeinschaft Burgstädt.
Das Haus und das Grundstück sind seit mehr als 300 Jahren kaum verändert. Und seit 300 Jahren führt ein Rohr den Regen von der Dachrinne durch eine pittoreske steinerne Ufermauer in den kleinen Bach direkt daneben.
Das ursprüngliche Rohr hielt gute 250 Jahre, dann zerbrach es an Alter und Schwerkraft. Zu DDR-Zeiten wurde es dann durch ein Steinzeugrohr ersetzt – streng nach TGL, versteht sich: also nach den damals im Osten unseres Landes geltenden „Technischen Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen“. Auch dieses Rohr überstand etwa 50 Jahre. Dann brach es ab.
Hauseigentümer Tino Kunze ist studierter Architekt. Noch in der DDR hat er ein Baupraktikum gemacht, nach der Wende arbeitete er einige Zeit als Kreisarchitekt in einem Landratsamt, dann in einem renommierten Ingenieurbüro. Danach machte er sich als Architekt selbstständig. Kurz: Der Mann ist vom Fach. Also ersetzte der Fachmann das alte, kaputte Rohr durch ein neues.
Und da fingen die Probleme an.
Durch das neue Rohr floss genauso verlässlich und ökologisch das Regenwasser vom Hausdach in den Bach wie vorher. Am Rohrbau selbst hat bis heute niemand etwas auszusetzen. Doch dann hat die Patrouille vom örtlichen Ordnungsamt entdeckt, dass da ein kaputtes altes Rohr zwar absolut fachmännisch, aber ohne Erlaubnis durch ein intaktes neues Rohr ersetzt wurde.
Diese unerhörte Eigenmächtigkeit des Tino Kunze wurde angezeigt: bei der „Unteren Wasserbehörde“ (wir sind in Deutschland, und da gibt es so etwas wirklich).
Weiter floss Regenwasser verlässlich und ökologisch vom Hausdach durch das neue Rohr in den Bach, wie seit über 300 Jahren. Dann bekam Kunze Post von der Unteren Wasserbehörde. Sie verlangte von ihm, einen Antrag auf Erneuerung der „Einleitstelle“ nachzureichen. Das tat der Mann, man will als Bürger ja seine Pflicht tun.
Regenwasser floss verlässlich und ökologisch vom Hausdach durch das neue Rohr in den Bach, wie seit über 300 Jahren. Dann bekam Kunze wieder Post von der Unteren Wasserbehörde: In einem elf (!) Seiten langen Bescheid wurde sein Antrag auf Erneuerung der Einleitstelle genehmigt.
Der Genehmigung beigefügt war ein Gebührenbescheid über 134,72 Euro.
Kunze hat ein kaputtes altes Rohr an genau derselben Stelle fachmännisch und auf eigene Kosten durch ein intaktes neues Rohr ersetzt. Für die nachträgliche Genehmigung, das zu tun, knüpft die Behörde ihm jetzt Geld ab.
Bürokratie gibt es überall. Aber wer ein bisschen in der Welt herumgekommen ist und andere Länder nicht nur als Tourist bereist, sondern auch länger in ihnen gelebt hat, der weiß:
Nirgendwo ist die Bürokratie so schlimm wie in Deutschland.
Inzwischen funktioniert unsere Verwaltung als geschlossener Kreislauf: Sie verwaltet völlig überflüssigerweise unzählige Dinge und Vorgänge, die überhaupt keiner Verwaltung bedürfen – nur, um für diese überflüssige Verwaltung Gebühren eintreiben zu können, mit denen dann die Verwaltungsmitarbeiter bezahlt werden.
Praktisch werden die Verwaltungsmitarbeiter nicht gebraucht, und schon gar nicht ihre „Dienstleistungen“. Auf unser tägliches Leben haben sie im besten Fall keinen Einfluss. Im schlimmsten – und leider mit Abstand häufigsten – Fall behindern sie sinnvolle Tätigkeiten der normalen Bürger. Oder sie verhindern sie auch gleich ganz.
Aber es werden nicht weniger. Im Gegenteil. In nur einem Jahrzehnt hat sich die Zahl der Beamten um fast genau die Hälfte erhöht: von etwa 15.000 im Jahr 2013 auf heute über 22.000. Das ist ein Plus in Höhe von 47 Prozent. Der sonstige Aufwuchs des Öffentlichen Dienstes über Angestellte ist da noch gar nicht mitgezählt.
Dirk Salewski ist Präsident des Bundesverbands freier Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Er erklärt aus seiner täglichen Praxis anschaulich, weshalb die Verwaltung in Deutschland schon längst mehr schadet als nützt:
„Jede Regel hat einen Beamten, der sie verteidigt.“
Die Frösche legen ihren eigenen Sumpf niemals trocken. Bürokratieabbau kann man halt nicht den Bürokraten überlassen. Es gibt in der Geschichte der Menschheit keine Institution, die sich selbst abgeschafft hätte. Bürokratieabbau funktioniert nur von außen.
In Argentinien schafft Präsident Javier Milei ganze Ministerien einfach ab. In den USA macht Donald Trump dasselbe. Komischerweise brechen diese Länder deshalb nicht zusammen. Es läuft eher alles besser als vorher.
In Deutschland ist so etwas nicht in Sicht. Hier belästigen Ordnungsämter und Untere Wasserbehörden weiter vorzugsweise Menschen, die sinnvolle Dinge tun, und verlangen für diese Belästigung Gebühren.
Cicero wusste, was dann passiert.