Bürgerwehren an Polens Grenzen: Tusks Gründe für Grenzkontrollen

vor 3 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Es gibt anscheinend zwei Methoden in der Asyl- und Grenzpolitik der EU, und beide müssen begangen werden, um das Ziel einer Verminderung der Migrationsströme zu erreichen. Zum einen lassen sich Grenzen durch konkrete Maßnahmen, physische Barrieren und Kontrollen schützen. Damit wird man aber nicht bis zum Ende hinkommen, wenn nicht auch das Vorgehen im Hinterland der Grenze angepasst wird. Der zweite Teil der Lösung ist deutlich komplexer als der erste. Man könnte sagen, dass ein Donald Tusk derzeit die einfache Flucht nach vorn, an die Grenze gewählt hat. Polen schützt nun nicht mehr nur seine Grenze zu Weißrussland mit einem Zaun, mit Grenzpolizei und einer Bannmeile, sondern hat auch Grenzkontrollen zu Deutschland und Litauen eingeführt.

Die beiden betroffenen Grenzen senden allerdings auch unterschiedliche Signale: Die Kontrollen nach Osten dürften bedeuten, dass Polen versucht, illegale Einreisen von dort zu unterbinden und also die Litauer an ihren Status als Erstankunftsland zu erinnern, das die EU-Außengrenzen schützen oder Asylverfahren durchführen muss. Durch die Kontrollen nach Westen soll dagegen wohl eher verhindert werden, dass die Bundespolizei unbemerkt vom polnischen Grenzschutz Zurückweisungen vornimmt, die die Regierung Merz für ihr gutes Recht hält.

Vor allem mit den Grenzkontrollen nach Westen reagierte Tusk zudem auf die national gesinnte Opposition der PiS (samt ihrem neugewählten Präsidenten). Denn die unterstützt gewisse Bürgerwehren, die sich in den letzten Wochen vermehrt an der deutschen Grenzen einfanden und illegale Einreisen (Rückreisen?) von Migranten eigenhändig verhindern wollten. Genau dadurch geriet Tusk politisch unter Druck und hatte vielleicht kaum noch eine andere Wahl, als die Kontrollen einzuführen, um diesen Raum – der von keiner Bannmeile belegt ist – wieder für sich einzunehmen.

Es ist wohl nicht die Wirkung, die sich Merz und Dobrindt von ihren Grenzkontrollen erhofft haben, aber vielleicht unvermeidlich. Die Kontrollen nach Litauen wären wohl eher nach dem Geschmack der Union. Dort kommt ein gewisser Domino-Effekt der Grenzkontrollen zum Ausdruck. Ein Land nach dem anderen muss Kontrollen einführen, um sich vor illegalen Einreisen zu schützen, weil Deutschland als Endabnehmer ausfällt.

Dennoch riecht es im deutsch-polnischen Verhältnis aus den genannten Gründen eher nach Spannungen. Die deutsche Haltung hat Unfrieden in die Europäische Union gebracht, nachdem Merkels Grenzöffnung und das großzügige Sozialregime zuallererst für den Anstieg der Migrationszahlen gesorgt hatten. Immer ist Pünktchen Deutschland schuld.

Den anderen Weg einer Reform oder Rosskur für das Asylsystem in der EU und Europa wählt die Dänin Mette Frederiksen im Verein mit Giorgia Meloni. Wenn der andere Kurs eher holzschnittartig und grob daherkommt, könnte man dieses Vorgehen sacht und sachlich nennen. Warum Viktor Orbán nicht mit von dieser Partei war und den offenen Brief nicht unterschrieb, bleibt offen. Vielleicht ist ohnehin von seiner Zustimmung auszugehen, die dem Schreiben im Vorfeld aber nicht geholfen hätte.

Ins Auge fällt, dass es doch eher Politiker der vagen „Mitte“ (plus Meloni) sind, die sich hier für eine Verschärfung der Abschieberegeln ausgesprochen haben. Auch Tusk und weitere Osteuropäer haben unterzeichnet. Insgesamt aber eher das „Fußvolk“ der EU, die beiden Großen (Frankreich und Deutschland) sind wiederum nicht von der Partie. So war es immer, auch wenn es um physische Barrieren und mehr Grenzschutz ging.

Nichtsdestotrotz steht die Initiative für mehr Augenmaß bei Anwendung von Menschenrechtskonventionen nun im Raum und würde bei Erfolg die Bemühungen um „Ordnung“ in der Migration unterstützen. Es ist ja in der Tat verworren, wer in diesem Europa, dieser EU überhaupt die wilde Migration über die Grenze will und davon profitiert. In Frage kommt freilich die internationale Asylindustrie von staatlich bezahlten Dienstleistern, aber auch die Bauindustrie in ‚Endlagerstätten‘ wie Deutschland. Auch der Großindustrie allgemein wird immer wieder ein Interesse an recht vielen „billigen Händen“ unterstellt, die das Lohnniveau insgesamt unter Druck setzen, was von linken wie christdemokratischen, christsozialen Kommentatoren immer außer Acht gelassen wird: Dafür gibt es ja den Sozialstaat. Tusk gehört hier eigentlich nicht konsequent in einen Raum rechts der CDU. Ob er jetzt eine Kehrtwende macht oder versucht, eine Rechtswende der EVP durch Lärm und Aufruhr zu hintertreiben, bleibt vorerst offen.

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