Bürokratie außer Kontrolle: Das Ende des ökonomischen Zyklus gewinnt Kontur

vor etwa 3 Stunden

Blog Image
Bildquelle: Tichys Einblick

In den sozialen Medien zirkuliert ein Bonmot, das das Verhältnis der Europäer zu ihrem Staat beschreibt. Es lautet in etwa so: Die Europäer lieben es so sehr, regiert zu werden, dass sie sich in Brüssel eine Regierung für ihre Regierungen leisten. Gemeint ist selbstverständlich der Bürokratieapparat der Europäischen Union, der die nationalen Regierungen Schritt für Schritt entmachtet und den Bürgern die Lasten des Zentralisierungsexperiments aufbürdet.

Jüngstes Beispiel: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das die Definition des „sicheren Herkunftsstaats“ aufweicht und den EU-Staaten damit nahezu jedes Mittel gegen die erdrückende illegale Migration aus der Hand schlägt.

Brüssels ideologische Verbohrtheit, die Realitätsferne seiner Institutionen korrespondiert mit einer dynamischen Kraft, die darauf gerichtet ist, wachsende Bereiche der europäischen Gesellschaft regulatorisch zu unterwerfen. Es ist, als würde sich ein illegitimer Bastard in einer Familie einnisten und die legitimen Erben um ihr Erbe bringen wollen.

Zum Beweis präsentierte uns die EU-Kommission vor wenigen Tagen ihr neues 7-Jahres-Budget, das inzwischen auf ein Volumen von 1,8 Billionen Euro inflationiert wurde – eine Bürokratie außer Rand und Band, zu einem Zeitpunkt, in dem die Ökonomien der Union eine schwere Produktivitätskrise durchlaufen und die Mitgliedsstaaten fiskalisch aus dem letzten Loch pfeifen.

Brüssel tritt den traurigen Beweis für die These an, dass Bürokratiekörper vom ersten Tag ihrer Errichtung an ein Eigenleben entwickeln. Sie streben, wie jeder soziale Organismus, nach Wachstum, höheren Budgets, die in der Regel mit ausufernder Regulierung zur Absicherung der eigenen Machtbasis einhergehen. Ihre Aktivitäten wachsen selbst unter der Bedingung eines erkrankten Gesellschaftskörpers über den Punkt hinaus, an dem die Wachstumskräfte des Wirts zum Erliegen kommen.

Diesen Punkt hatte man ganz offensichtlich vor zwei Jahren in Argentinien erreicht, als man dem Libertären Javier Milei buchstäblich die Kettensäge in die Hand gab, um den Urwald an Regulierungen, Bürokratie und unsinniger Gängelung der Bürger zu roden. Das Ergebnis ist eine Wachstums-Euphorie, von der man in Deutschland bislang nichts wissen will. Hier blühen Bürokratie und Regulierungsarbeit wie eh und je.

Deutschlands Unternehmen ächzen unter einer Bürokratielast, die von Jahr zu Jahr wächst: Nach Berechnungen des ifo-Instituts belastet der Bürokratismus die deutsche Wirtschaft mit 146 Milliarden Euro im Jahr – Lasten, nur um den Wust staatlicher Dokumentationsvorschriften, Nachweispflichten und Kontrollregimes zu bewältigen.

Das ist ein volkswirtschaftliches Desaster, verschrieben vom Staat und seinen Bürokraten zum Ausbau der eigenen Machtbasis. Wir leben längst im Zeitalter des bürokratischen Overkills.

Kein Handwerksbetrieb, kein mittelständischer Unternehmer kommt mehr ohne eigene Verwaltungsabteilung oder teure Berater aus, nur um das nächste Antragspaket fehlerfrei einzureichen oder neue Berichtspflichten zu erfüllen. Millionen von Arbeitsstunden, die Innovation, Produktion und Arbeit, dem eigentlichen Betriebszweck, zugute kommen sollten, werden sinnlos verbrannt.

In Deutschland, einst das Land der Erfinder und visionären Unternehmer, ist die größte Wachstumsbremse, neben einer drückenden Steuerlast, das Dickicht aus Vorschriften und Formularen. Ein Armutszeugnis für die Politik, deren Steuerungswille alle Grenzen des Zumutbaren überschritten hat.

Vor diesem Hintergrund ist die politische Prosa vom Bürokratieabbau, wie sie auch die Regierung von Kanzler Friedrich Merz pflegt, eine grobe Verhöhnung der Leidtragenden.

Dass es auch anders geht, zeigen die USA. Dort kommt seit der Gründung des „Department of Government Efficiency“ (DOGE) flächendeckend künstliche Intelligenz zum Einsatz. Diese wird rund 100.000 – also etwa die Hälfte – aller Bundesregulierungen ersatzlos eliminieren, die als verfassungsrechtlich fragwürdig oder redundant gelten.

Herzstück der Initiative ist das „DOGE AI Deregulation Decision Tool“, das zum modernsten Standard in der Deregulierungsarbeit avancieren könnte.

Der Spar-Effekt wird von der US-Regierung auf bis zu 1,3 Billionen Euro (rund 1,5 Billionen US-Dollar) jährlich beziffert – vor allem durch geringere Bürokratie- und Compliance-Kosten für Unternehmen sowie durch den Abbau staatlicher Ausgaben für Verwaltungspersonal. Die KI wird bereits bei Behörden wie dem Department of Housing and Urban Development (HUD) und der Consumer Financial Protection Bureau (CFPB) eingesetzt; dort wurden in nur zwei Wochen tausend Regulierungsabschnitte geprüft und Streichungen eingeleitet.

Es geht also, wenn man nur will. Reformwille erfordert allerdings eine lange Startbahn. Er muss aus dem Zustand gesellschaftlicher Krisis emporwachsen, sich über lange Zeit aufstauen und dann schlagartig entladen, um den steinernen Schutzwall der Bürokratie zu zerschlagen.

Bürokratien vollziehen ihre Evolution simultan zu dem tragenden Gesellschaftskörper und seiner Ökonomie. Alles unterliegt den Gesetzen des Wachstums, der Reife und des Verfalls. Die Frage ist nun, an welchem Punkt stehen wir in Deutschland, wenn wir auf die Struktur und die Dynamik des Aufbaus öffentlicher Verwaltung blicken. Sicherlich: bis zur mileischen Kettensäge und dem kompromisslosen Rückbau des bürokratischen Apparats ist noch ein beschwerliches Stück des Weges zurückzulegen. Auch warten an dessen Ende schwere ökonomische und soziale Turbulenzen.

Schauen wir auf Argentinien, dann lässt sich ahnen, was auf uns zukommt. Zwei aufeinanderfolgende schwere Währungskrisen mit dem Totalverlust der Kaufkraft, der Zusammenbruch des Sozialstaats, ökonomische Agonie – das phänotypische Potpourri eines gesellschaftlichen und ökonomischen Kollapses.

An diesem Punkt angelangt, verstummt die politische Debatte um weitere Regulierungsschritte des Staates, die Menschen erkennen den vom Bürokratismus verursachten Raubzug. Medien kapitulieren vor der Realität der Ökonomie. Es ist der Moment, in dem die Gesellschaft den Blutzoll akzeptiert, den diejenigen zu leisten haben, die bis zu diesem Zeitpunkt von der Arbeit anderer profitierten und sich im Staatsdienst mit Erfolg den Risikozonen des Lebens entzogen.

Dann werden überflüssige Staatsorgane und Institutionen geschlossen, das Beamtenrecht ausgesetzt, Pensionsansprüche zusammengekürzt – kurz: Das Verhältnis zwischen Staat und privatem Sektor wird auf ein gesundes Fundament gestellt.

Wo steht Deutschland in diesem Prozess? Es sind untrügliche Symptome, die wir im Alltag dieses Landes beobachten können. Aus der überreizten, grotesken Klimapanikregulierung erwuchs die größte Subventionsmaschine in der Geschichte des Kontinents.

750 Milliarden Euro will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zwischen 2028 und 2034 in diesen Hyperkomplex der Kapitalvernichtung einspeisen. Angedockt an diese Maschine operieren hunderte von NGOs, die im Verlauf des Zyklus ihrerseits das Aktivitätsniveau anhoben, um Budgets und Einfluss zu sichern. Denken Sie dabei an infantile Klimakleber, an Extinction Rebellion, an die Letzte Generation, an Fridays for Future – skurrile Exzesse dieser Güte sind symptomatisch für eine seelisch tief verwundete Gesellschaft, die sich ihrer eigenen Werte nicht mehr zu vergewissern weiß. Am Ende des ökonomischen Zyklus angelangt, scheint es, als habe die deutsche Gesellschaft ihre integrierenden und pazifierenden Kräfte aufgebraucht und taumelt nun durch einen Prozess ökonomischer und sozialer Desintegration.

Der deutschen Gesellschaft – wie auch weiten Teilen Europas – fällt es schwer, die Kräfte der Selbstheilung zu aktivieren. Interner Konflikt scheint unausweichlich, es wird zum Kollaps des Klimanarrativs kommen, möglicherweise angestoßen durch die USA, die den Firnis grün-sozialistischer Gesellschaftstransformation abstreifen und den Gründungsmythos ihrer Nation reaktivieren.

Am Ende des Prozesses der Bürokratisierung angelangt, tritt uns in Deutschland das Kafkaeske der Degeneration in unterschiedlichster Form vor Augen. Denken Sie an für Fahrradfahrer weitläufig abgesperrte Bereiche des Straßenverkehrs, die in der Konsequenz das Emissionsniveau und den Feinstaub durch den provozierten Stau drastisch erhöhen. Ein Schildbürgerstreich? Oder bewusste Schikane der Bürokraten? Denken Sie an begrünte Nachbarschaftstreffpunkte in zentraler Verkehrslage in Berlin. Oder an gegendert-vergewaltigte Sprachkultur, an nicht-binäre Toilettenangebote – alles dies ist Wildwuchs einer entgrenzten, ideologisch bis ins Extrem aufgeladenen Bürokratie.

Die bisweilen grotesken Wucherungen des Bürokratismus sprechen dafür, dass Deutschland in ein spätes Stadium seines wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zyklus eingetreten ist. Eine schwere Krise, eine Katharsis und Neuorientierung scheinen unvermeidbar. Der Kollaps der Ökonomie ist bereits so weit fortgeschritten, dass es selbst Apologeten des linken Staatssozialismus schwerfällt, diesen mit Klimapropaganda im Panikmodus oder mit Märchenerzählungen über das bevorstehende grüne Walhalla zu übermalen.

Die Geschichte gesellschaftlicher Evolution wiederholt sich strukturell und wellenartig. Wachsender Bürokratismus absorbiert wachsende ökonomische Energie des privaten Sektors, der am Ende des Zyklus die beschleunigte Metastasierung des Staatsgebildes nicht mehr tragen kann. Zerfällt der private Sektor, was wir in Deutschland visuell-greifbar in der Verwahrlosung öffentlicher Räume sowie am Zahlenwerk der Ökonomie konstatieren müssen, wächst der Druck auf den politischen Apparat.

Die Gesellschaft steuert dann einer Weggabelung zu. Die sich öffnenden Pfade weisen entweder auf den totalen Kollektivismus, wie wir ihn im 20. Jahrhundert erlebt haben, oder sie führen zurück in eine bürgerliche Gesellschaft, in der freie Märkte, die Familie und ein effizienter Minimalstaat die Säulen der Gesellschaft bilden.

Abseits der nationalen Entscheidungen über die Zukunft der Gesellschaften Europas lichten sich auch in Brüssel die Nebel. Die politische Klasse hat die drängende Konsolidierung der Staatsfinanzen verworfen und sucht ihr Heil nun in der beschleunigten Verschuldung. Es ist nicht mehr die Frage ob, sondern nur noch wer die nächste Staatsschuldenkrise initiieren wird. Nach gegenwärtigem Stand dieses Races to the Bottom könnte Frankreich die historische Aufgabe zuteil werden, der Brüsseler Großmannssucht den Stecker zu ziehen.

Frankreich, das sich mit einer Staatsverschuldung von 114 Prozent und einer Staatsquote von 57 Prozent tief in seiner Schuldenfalle eingegraben hat, kann sein politisches Patt nicht überwinden. Aller Voraussicht nach werden es Marine Le Pen und der Rassemblement National sein, die in zwei Jahren bei den Wahlen den gordischen Knoten durchschlagen und mit einer Abkehr von Brüssel Schockwellen über den Kontinent senden.

Die nationalen Regierungen der Europäischen Union sollten in jedem Falle einen Plan B in der Tasche haben, wenn es in Brüssel zum Schwur kommt.

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von Tichys Einblick

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von Tichys Einblick zu lesen.

Weitere Artikel