
Es braucht Zeit, bis sich staatliche Akteure an einen Richtungswechsel des Wirtschaftsgeschehens anpassen. Ihre ökonomischen Modelle sind auf Expansionsphasen geeicht und spiegeln eine eindimensionale Betrachtung des Wirtschaftslebens wider. Umso bemerkenswerter ist da die Meldung der Deutschen Bundesbank, die ihre Wachstumsprognose für die Wirtschaft anpasste und kleinmütig eingestand, was kritische Beobachter seit Jahren konstatieren: Deutschland befindet sich in der Rezession.
Auf die negative Bestandsaufnahme folgt aber unmittelbar der für staatliche Institutionen verpflichtende Zweckoptimismus. Ab dem kommenden Jahr, so die Ökonomen der deutschen Zentralbank, ginge es mit der größten Volkswirtschaft Europas schrittweise wieder bergauf. Für 2026 rechnet man mit einem Wachstum von 0,7 Prozent, für 2027 mit 1,3 Prozent.
Geht es nach der Bundesbank, wird sich der Rezessionsnebel bald lichten. Dennoch regt sich vorsichtige Kritik am politischen Kurs der Bundesregierung. Zwar ist es lediglich ein sanftes Antasten des öffentlich Sagbaren, immerhin bewegt man sich mit Kritik an der politischen Führung dieser Tage auf dünnem Eis – aber es ist durchaus ein leises Grummeln in der ansonsten perfekt abgestimmten Berliner Medienmaschine vernehmbar.
Die gegenwärtige Lage würde von der US-Zollpolitik gedrückt. Sie träfe besonders die deutsche Industrie zu einem Zeitpunkt, zu dem sie sich nach längerer Schwächephase zu stabilisieren begann, so Bundesbankpräsident Joachim Nagel, der auch gute Nachrichten aus Sicht der Bundesbank verkündete: Zum einen nehme der Inflationsdruck weiter ab und zum anderen dürften ab 2026 die kräftig steigenden Staatsausgaben in den Bereichen der Infrastruktur und im Verteidigungsetat für einen merklichen Nachfrageschub sorgen, so Nagel.
Der Staat als Macher der Wirtschaft – ein wundervolles Märchen für all jene, die John Maynard Keynes noch immer für eine seriöse ökonomische Autorität halten und in ihm nicht den Scharlatan erkennen, der dem wachsenden Staatswesen, gewollt oder nicht, genau das Instrumentarium an die Hand gab, um auf der schiefen Ebene der Staatsverschuldung immer tiefer wirtschaftlich abzugleiten.
Mit Blick auf die Preisentwicklung liegt Nagel richtig: Der Preisdruck schwächt sich ab, Deutschland ist in eine Phase nachlassender Inflation eingetreten (Disinflation), was aber nicht bedeutet, dass die Güterpreise auf das Niveau zurückfielen, bevor die Europäische Zentralbank die Schleusentore zum Lockdown-Entertainment öffnete und eine Liquiditätsflut zur Rettung des Bankensystems anstieß.
Von Entwarnung an der Preisfront kann also für Haushalte und Verbraucher nicht die Rede sein. Langsamer steigende Preise bei nach wie vor wachsender Geldmenge im Euroraum signalisieren lediglich eine latente Schwäche des Konsumenten. Dessen Kaufkraft wird mal schleichend (so wie dieser Tage), mal galoppierend (während der geldpolitischen Flut zur Lockdown-Zeit) von der Geldpolitik zugunsten des größten Schuldners, dem Staat, zersetzt.
Dazu passen die aktuellen Werte des GfK-Konsumklimaindex. Dieser meldet für die deutschen Konsumenten eine historisch schlechte Konsumstimmung. Sowohl die Anschaffungsneigung als auch die Einkommenserwartungen bestätigen den Verdacht: Die expansive Geldpolitik hat tiefe Löcher in die Budgets der Haushalte gerissen und eine Vertrauenskrise in die Fähigkeit der Politik, Wohlstand zu sichern, ausgelöst. Die Bürger in Deutschland werden in den kommenden Jahren lernen, dass der grenzenlose und ausufernde Schuldenstaat einen wachsenden Teil der fälligen Kosten auf die Inflationsrechnung schreiben muss.
Preissteigerungen sind eine effektive Form des versteckten Wohlstandstransfers. Im Gewerk dieser sorgsam verborgenen Ebene des staatlichen Raubzugs durch unsere Geldbeutel rotieren die Schrauben der Verbrauchsteuern, der kalten Progression und preisindexierter Zahlungspflichten des Staates, die einen anschwellenden Geldstrom erzeugen, sobald die Preise steigen – daher sollte man eine Politik, die der Inflation den Kampf ansagt, niemals für bare Münze nehmen. Ein europäischer Javier Milei, der Preisstabilität zum Nukleus seiner Regierungsagenda ausruft, wird erst am Ende des Katastrophenzyklus des Euro das Interesse der Wähler auf sich lenken.
Bis es soweit ist, wird weiter im bewährten Eurokraten-Stil herumgepfuscht – Schmerzvermeidungspolitik, die den Vermögenstransfer vom privaten Sektor auf den Staat mit seinem unüberschaubaren Dickicht aus Verwaltungsebenen und Regulierung stabilisieren soll. Der grüne Wohlfühlsozialismus mit seinem medialen Schutzgürtel aus NGOs und dem brüchigen Vollversorgungsversprechen für eine leistungsferne Dekadenzkaste zapft den Tank des produktiven Motors unserer Gesellschaft auf eine derart dreiste Weise an, dass es einem schwindelt.
Den deutschen Etatisten ist es gelungen, ihren Vorstoß in die Herzkammer der Ökonomie soweit voranzutreiben, dass der Staat inzwischen die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung für sich beansprucht. Unbemerkt, hinter dem Nebel von Paniknarrativen – man denke nur an den omnipräsenten Klimawahnsinn –, wurden die Frontlinien verschoben. Wer in Deutschland eine Firma gründet oder das Wagnis eingeht, ein Haus zu bauen, taucht ein in die Erlebniswelt kafkaesker Psychodynamik: Ohnmacht, Zorn und Resignation angesichts des dumpfen Bürokratismus verschmelzen zu einem Gefühl zunehmender Distanz zwischen denen, die dieser Gesellschaft Werte hinzufügen, und dem tiefen Labyrinth der Nehmerkaste, die zynischerweise über ihre politische Repräsentanz das entscheidende Wort führt.
Dass die Bundesbank in diesem Moment der ökonomischen Wahrheit Kritik am Bürokratismus übt, ist lobenswert. Auch folgt ihr leises Murren der tradierten politischen Linie. Als konservative Hüterin der Geldwertstabilität stand sie seit ihrer Gründung, auch aus der historischen Erfahrung der Deutschen, stets an der Seite der Verfechter stabiler öffentlicher Haushalte. Die Weimarer Hyperinflation sowie die Finanzierung der deutschen Kriegsmaschinerie im Zweiten Weltkrieg mit dem Gelddrucker prägten ihre DNA gleichermaßen und hielten sie auf Distanz zur Tagespolitik.
Früher oder später war Kritik am ökonomischen Crashkurs der deutschen Politik also durchaus zu erwarten. Doch was wir hier erleben, ist Placebo-Kritik: Phrasen, die in ihrer eigenen Inkohärenz ertrinken. Wie kann es sein, dass die Bundesbank den Bürokratismus und die für jedermann sichtbaren Strukturprobleme als Grund für die gegenwärtige Rezession benennt und Deutschland dennoch in wenigen Monaten wieder in den Wachstumsmodus wechseln sieht? Rechnet man in Frankfurt damit, dass die Bundesregierung tatsächlich Verwaltungsstrukturen abbaut? Dass der Fiskalstaat sich selbst gesundet und dass das giganteske Ausgabenstrohfeuer der Regierung Merz dem BIP auch nur ein Jota an realem Wert hinzufügen wird?
Sollte dies der Fall sein, dürfen wir in Zukunft den ökonomischen Rat der Bundesbanker einreihen in die kompetenten Beiträge der Wirtschaftspolitiker vom Schlage Habeck. Dann fügt sich auch die Bundesbank ein in das Orchester der Etatisten und Traumdeuter staatlicher Allmachtsphantasie. Und die Hoffnung, dass sie in der Zukunft Einfluss auf die Europäische Zentralbank nehmen und deren wachsenden Kontrollanspruch im internen Machtkampf der nationalen Notenbanken einhegen wird, dürfte damit auch gestorben sein.