Bundesbank und Rechnungshof kritisieren Finanzplanung

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Unser Nachbar Frankreich erlebt derzeit ein politisches Chaos, das nun auch zur fiskalischen Demütigung führte. Am Freitagabend senkte die Rating-Agentur Fitch den Daumen und stufte die Staatsfinanzen des Landes von AA- auf A+ herab. Frankreich steckt in einer Schuldenspirale, in die es sich mit seiner ungezügelten Ausgabenpolitik und dem Versuch, soziale Verwerfungen mit billigem Kredit zu übertünchen, selbst manövriert hat.

Paris liefert ein denkbar schlechtes Vorbild, und doch arbeitet die deutsche Politik seit einigen Jahren mit höchstem Einsatz und erstaunlicher Kreativität daran, dem Nachbarn nachzueifern. Die Nachkriegsdisziplin im Ausgabenverhalten der Deutschen ist längst Geschichte. Über Parteigrenzen hinweg herrscht Einigkeit, mit kreativer Buchführung in Form sogenannter Sondervermögen jede Begrenzung des Haushalts über Bord zu werfen. Höhepunkt dieser neuen Ausrichtung ist das Billionen-Euro-schwere Schuldenpaket der Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz, das unter anderem die Schaffung von Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro vorsieht.

Stets geht es um hehre Ziele: Die Wehrfähigkeit soll nicht am Kreditmarkt scheitern, ebenso wenig wie die Modernisierung der maroden deutschen Infrastruktur. Medial gut verpackt wird das deutsche Volk den neuen Schuldenberg schon akzeptieren. Schließlich geht es ja um das große Ganze, so der schlichte Gedanke.

Aus Sicht des Bundes der Steuerzahler handelt es sich beim Sondervermögen allerdings lediglich um einen gigantischen Verschiebebahnhof: Eigentlich steuerfinanzierte Ausgaben werden verdeckt in einen Schattenhaushalt ausgelagert, der über Kreditaufnahme gedeckt ist.

Der Kreditmarkt wiederum ist längst ein Derivat der Geldpolitik. Berlin setzt, ebenso wie seine europäischen Partner, eindeutig darauf, dass die EZB den Schuldenberg liquide hält und im Bedarfsfall mit Interventionen bereitsteht, wenn Anleger sich aus der Finanzierung zurückziehen.

Im Zusammenspiel mit der Geldpolitik und befeuert durch den Brüsseler Interventionismus ist ein politisches Rahmenwerk entstanden, das die Überdehnung staatlicher Aktivitäten geradezu provoziert. Von parlamentarischer Kontrolle ist nicht mehr die Rede. Deutschland wandelt sich zunehmend zu einem interventionistischen Staat, der inzwischen mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung durch seine Hände gleiten lässt.

Wirksame Opposition – sei sie parlamentarisch oder eine intellektuelle Bewegung – erhält nicht den Resonanzraum, um eine öffentliche, druckvolle Phalanx gegen diese Katastrophenpolitik zu bilden.

Kritik an dieser Praxis der haushaltspolitischen Beugung und Verschleierung kommt nun aus unerwarteter Richtung – von der Deutschen Bundesbank, die nur selten in tagespolitische Abläufe interveniert. Sie beanstandete in ihrem Monatsbericht aus dem August insbesondere die Mittelverwendung im Rahmen des Sondervermögens. Dort heißt es klipp und klar: „Angesichts beträchtlicher Defizite in den Haushalten von Ländern und Gemeinden ist zu befürchten, dass sie mit den für sie reservierten Mitteln des „SV IK“ (Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität) stattdessen eher vorhandene Finanzierungslücken schließen.“

Kritik am überbordenden Staatswesen ist nicht neu – doch dass ausgerechnet fundamentale Staatsorgane wie die Bundesbank sich in die Reihe der Kritiker einreihen, ist bemerkenswert. Sie zeigt unmissverständlich: Deutschland bewegt sich weiter auf dem Pfad in den Schuldenstaat, als die Öffentlichkeit wahrhaben will. Die Bundesbank bestätigt auch diesen Eindruck und sieht das Defizit des deutschen Staates in den kommenden beiden Jahren auf 4 Prozent anwachsen. Dies immer vorausgesetzt, dass sich die ökonomische Lage nicht noch weiter verschlechtert.

Die Bundesbank bestätigt in ihrem Bericht ganz ohne Zweifel den akuten Verdacht, dass vor allem die rund 100 Milliarden Euro, die den Ländern und Kommunen zugewiesen werden, sachfremd verwendet werden und eben nicht Infrastrukturinvestitionen zugutekommen, wie man es dem Bürger vollmundig versprochen hat.

Der Bürger quält sich Tag für Tag – sofern er zur produktiven Bevölkerung zählt – entweder durch einen völlig desolaten öffentlichen Nahverkehr oder vergeudet seine Zeit in endlosen Staus auf maroden Autobahnen und wartet vor zerbröselnden Brücken.

Deutschland befindet sich im Modus des Stopfens seiner Haushalte und seiner Sozialbudgets. Ein großer Teil dieser zusätzlichen Ausgaben drohe, so die Bundesbank, konsumtiven Zwecken zuzufließen.

Wir erleben Politik im Feuerwehr-Modus, die nicht erkennt, dass zur Überwindung der Krise ein Rückzug notwendig wäre – die Rückkehr zum schlanken Staat und zur Marktwirtschaft.

Die Bundesbank hat deshalb einen Reformvorschlag vorgelegt, der die Kreditspielräume für Investitionen klar begrenzen und Transparenz schaffen soll. Alternativ sieht sie ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für Sachinvestitionen nur als vorübergehende Lösung, betont jedoch die Notwendigkeit strikter parlamentarischer Kontrolle.

Substanzielle Unterstützung erhält die Bundesbank schon seit Monaten vom Bundesrechnungshof. Auch der mahnt eine zielgerichtete, effiziente und nachhaltige Steuerung der neuen Kreditmittel in die investiven Kanäle der Bundesrepublik an.

Zur Not, so die Forderung, solle der Bund Mittel zurückfordern dürfen, die nicht den ursprünglich vorgesehenen Investitionszwecken – etwa im Bereich der Infrastruktur – zugutekommen. Diese Praxis ist aus der Vergangenheit wohlbekannt: Die Politik schafft sich ein Budget, sei es ein Integrationsfonds oder, wie im Falle der Corona-Lockdowns, setzt es bewusst hoch an, um später überschüssige Gelder anderweitig verwenden zu können, etwa zum Stopfen der Löcher in den Sozialkassen – alles wie gehabt.

Der Kunstgriff bei dieser Übung ist einfach: Neue Schulden werden vor der Öffentlichkeit verschleiert, und die Belastungen werden in die Zukunft verschoben. Der kurzfristige Effekt eines konjunkturellen Strohfeuers soll im Kampf gegen die erstarkende Opposition Luft verschaffen.

Grundsätzlich überrascht es nicht, dass sich die Politik über Schattenhaushalte Luft verschafft. In Berlin herrscht parteiübergreifend die Überzeugung vor, man könne mit kreativer Buchführung und überdimensionierter Staatsnachfrage sowohl die strukturellen Haushaltsprobleme als auch die schwere ökonomische Krise des Landes aus der Welt schaffen.

Der Staat als Super-Leviathan, als Alleskönner – und doch scheitert die Politik in den Augen ihrer Vertreter keynesianischer Wirtschaftsmagie an der Realität. Wiederkehrendes Scheitern wird gern dem Kreditmarkt zugeschoben, der sich der Illusion widersetzt, schuldenfinanzierte Zentralplanung könne sämtliche Probleme lösen.

Unabhängig von seiner Mittelverwendung ist das Sondervermögen ein deutliches Zeichen des politischen Scheiterns der Bundesrepublik. Die Verantwortung dafür liegt bei Friedrich Merz, der all dem aus Koalitionsräson und aus eigener Überzeugung zugestimmt hat.

Grundsätzlich gilt: Jeder Euro, der vom freien Kapitalmarkt abgezweigt und durch die gigantische Verwaltungs- und Umverteilungsmaschine des Staates gesteuert wird, ist ein verlorener Euro. Und jedes kreditfinanzierte Staatshandeln hinterlässt letztlich nichts als neue Schulden, die später über Fiskalabgaben oder Inflation zurückgezahlt werden müssen. Einen Free Lunch gibt es nicht – es gibt nur schlechte Politik.

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