Die Schreibtischkrieger: Zu viel Führung, zu wenig Soldaten in der Bundeswehr

vor etwa 23 Stunden

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Eigentlich wollte Kanzler Friedrich Merz (CDU) mit seinen Worten Stärke zeigen. “Whatever it takes”. Er werde die Armee mit ausreichend Geld ausstatten. So die geplante Botschaft. Doch was rüberkam, war Schnoddrigkeit. Die Botschaft, dass es dem Regierungschef nicht nur egal sei, wie viel Geld in die Armee fließt – sondern auch, was dann dort mit dem Etat passiert. Zumindest scheint es so, als ob es unter seinen Vorgängern so war. Denn die Bundeswehr ist eine Behörde geworden, die ihre Führungskräfte umso mehr pampert, desto weniger es an der Basis funktioniert. Das lässt sich aus der Prüfung ablesen, die der Bundesrechnungshof zur Bundeswehr durchgeführt hat.

“Geld allein reicht nicht”, urteilt der Bundesrechnungshof über die deutsche Armee. Die müsse sich auch in ihrer Organisation und in ihrem Personal ausrichten. Zumindest wenn das auf Schulden basierte Geld, das demnächst an die Bundeswehr fließt, sinnvoll angelegt sein soll. “Der vergrößerte Finanzrahmen erfordert einen besonders verantwortungsvollen Umgang mit den finanziellen Mitteln”, gibt der Bundesrechnungshof Merz und seinem Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) als Hausaufgabe auf.

Eigentlich bräuchte die Bundeswehr 203.000 Soldaten, findet aber derzeit nur 181.000, wie die ehemalige Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) noch im März verkündete. Doch die Personalnot herrscht in der Armee nur in den Bereichen, in denen ihre Angestellten ein Gewehr in die Hand nehmen müssen, marschieren oder sich in den Dreck werfen. Für die Etappe hat die Bundeswehr genug Personal gefunden. Die Stellen ab und oberhalb der Besoldungsgruppe A15 sind laut Bundesrechnungshof seit 2010 von 4649 auf 6078 Stellen gestiegen. Ein Zuwachs von 33 Prozent in einer Einrichtung, die zu 20 Prozent unterbesetzt ist. Das Einstiegsgehalt in der Stufe A15 liegt bei 6300 Euro im Monat. In der Besoldungsgruppe B6 sind es über 11.000 Euro im Monat.

Es wirkt daher plausibel, wenn der Bundesrechnungshof fordert, die Bundeswehr müsse “noch stärker auf ihren Kernauftrag” ausgerichtet werden. Derzeit leide die Truppe unter ihrer “Kopflastigkeit”. Und: “Der neue finanzielle Spielraum entbindet nicht von der Notwendigkeit, die Ausgaben auf das zu fokussieren, was die Bundeswehr für ihren Kernauftrag benötigt.”

Die bisherigen Aussagen der verantwortlichen Politiker lassen befürchten, dass die Worte des Rechnungshofes unbeachtet bleiben. Merz und Pistorius haben eine Zahl zum politischen Ziel erhoben: fünf Prozent des Bruttoinlandproduktes für die Militärausgaben. Deutlich über 200 Milliarden Euro im Jahr. Viel gleich gut. Ein Kanzler, der sich verbal auf die Brust schlägt: “Whatever it takes”. Dass der Staat dieses Geld sinnvoller als bisher ausgibt, ist nicht zu erwarten.

Das befürchtet auch der Rechnungshof: “Es besteht zudem das Risiko, dass sich das Signal der unbegrenzten Verschuldungsmöglichkeiten negativ auf die Preisentwicklung im Verteidigungsbereich auswirkt.” Sprich: Wenn das oberste Ziel der Politik darin besteht, viel Geld auszugeben, kommt die Rüstungsindustrie ihr gerne mit überteuerten Preisen entgegen. “Anreize für die Industrie, für gleichbleibende Leistungen nunmehr höhere Preise zu verlangen, sind aufgrund nahezu unbegrenzt verfügbarer finanzieller Mittel und einer erhöhten Nachfrage zu erwarten”, formuliert der Rechnungshof. Schon bisher habe das Verteidigungsministerium in der Aufrüstung Stückzahlen genehmigt, die über dem eigentlichen Bedarf lagen. Auch habe Pistorius’ Haus die Leistungen mitunter vorzeitig bezahlt.

Nächstes Beispiel: die Digitalisierung. Die betreibt die Bundeswehr seit nunmehr 25 Jahren. Das führt zum Abbau von Bürokratie. Zumindest ist das in anderen Ländern so. Die Bundeswehr hat zu diesem Zweck laut Rechnungshof eine “parallele Prozessorganisation” aufgebaut. Das führte zu 2500 zusätzlichen Dienstposten in der Verwaltung. Wird der nächste Krieg mit Gewehren, Panzern oder Drohnen entschieden, sieht es übel aus für Deutschland. Geht es darum, das Internet auszudrucken, dann ist die Bundeswehr gerüstet.

Noch ein Beispiel: “Die Bundeswehr betreibt wenig frequentierte Betreuungsbüros”, erklärt der Rechnungshof. Die sollen sich darum kümmern, dass die Soldaten ihre Freizeit sinnvoll gestalten. Allein für dieses Animateur-Bataillon hat die Bundeswehr 200 Dienstposten geschaffen. Deren Arbeit hätten vorher Soldaten nebenher geleistet. In ihrer Freizeit. Nun ist die Operation Feierabendbier eine Staatsaufgabe der deutschen Armee. Der Rechnungshof wirft der Bundeswehr und dem Verteidigungsministerium vor, es fehle an Aufgabenkritik in der Armee. Angesichts der Animationstruppen klingt das recht plausibel.

“Die Beispiele lassen erkennen, dass Verteidigungsministerium, Streitkräfte und Bundeswehrverwaltung derzeit zum Teil Tätigkeiten nachgehen, die keinen unmittelbaren Bezug zum Kernauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung aufweisen”, formuliert der Rechnungshof. Das seien vor allem Arbeiten am Schreibtisch. Die 20.000 fehlenden Soldaten fehlten dort, wo Armee eigentlich stattfindet: auf dem Feld, im Panzer oder im Raketenabschuss. Wollte diese ihren Kernauftrag erfüllen, müsste sie aus ihrer “Komfortzone” raus.

Nicht nur in ihrer Tätigkeit erinnert die deutsche Armee an eine Behörde. Auch in ihrer Altersstruktur. Seit 2010 ist es laut Rechnungshof von 28,5 auf 34 Jahre gestiegen. Für sie hat das Ministerium die Struktur der Armee “systematisch” verändert: von der Mannschaft hin zu den Unteroffizieren, von den Unteroffizieren weg zu den Offizieren. In der unterbesetzten Armee wuchs der Anteil der Planstellen für Offiziere seit 2010 von 15 auf 21 Prozent. “Im Ergebnis ist der militärische Personalkörper heute deutlich kopflastiger als im Jahr 2010”, urteilt der Rechnungshof.

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