Bundesregierung macht Rekordschulden, schiebt Probleme auf und sorgt für ein „mulmiges Gefühl“

vor etwa 5 Stunden

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850 Milliarden Euro Schulden will die schwarz-rote Bundesregierung in dieser Wahlperiode machen. Halb so viele Schulden, wie alle Regierungen davor in 76 Jahren zusammen aufgetürmt haben. Im Geldausgeben denken CDU, CSU und SPD groß. Nur wenn es um die eigentlichen Probleme geht, ist die neue Regierung genauso bräsig wie ihre beiden Vorgänger.

Zum Beispiel die Kosten für die Sozialversicherungen. Die sind auf insgesamt 41,9 Prozent gestiegen. Ein Wert, der die Regierungen Helmut Kohl (CDU) und Gerd Schröder (SPD) in ihr Ende getrieben hat. Einer, der gefährlich ist für die deutsche Wirtschaft. Der ihr die Luft zum Atmen nimmt. Die hohen Beiträge für Kranken-, Pflege-, Renten und Arbeitslosenversicherung sind ein wichtiger Grund, warum die deutsche Wirtschaft in den beiden vergangenen Jahren geschrumpft ist – und dieses Jahr bestenfalls stagniert.

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) haut die ganz großen Summen raus, als er den Entwurf seines Haushalts der Bundespressekonferenz vorstellt: 166 Milliarden Euro für Straßen, Brücken und Schienen bis zum Ende der Wahlperiode. 150 Milliarden Euro fürs Militär ab 2029 jedes Jahr. Im Vergleich dazu sind die Zahlen mickrig, mit denen Klingbeil die Sozialversicherungen – in Ermangelung eines besseren Wortes – reformieren will.

Je 2,6 Milliarden Euro erhält die Krankenversicherung in diesem und nächstem Jahr vom Bund. 1,5 Milliarden Euro bekommt die Pflegeversicherung im nächsten Jahr vom Bund, 500 Millionen Euro in diesem Jahr. Angesichts der atemberaubenden Verschuldung stehen Millionenbeträge im deutschen Haushalt fast schon unter Artenschutz. Doch die Kassen dürfen das Geld nicht einmal behalten. Etwa als Ausgleich für die Kosten der Pandemie oder für die Versorgung der Empfänger von Bürgergeld, die der Bund auf Kosten der Betriebe, Beschäftigten und ihrer Beiträge quer finanziert. Die Pflege- und Krankenkassen erhalten das Geld nur als Darlehen.

Zurückzahlen sollen die Kassen es dem Bund, wenn es ihnen besser geht. Die Regierung Angela Merkel (CDU) hat über die langen Jahre ihrer Amtszeit eine Reform der Sozialversicherungen versprochen. Die Regierung Olaf Scholz (SPD) hat in den wenigen Jahren ihrer Amtszeit eine Reform der Sozialversicherungen versprochen. Die schwarz-rote Koalition geht das Thema nun praktisch an. Sie schafft entschlossen Fakten: Sie gründet eine Kommission. Einen Arbeitskreis. Die soll Reformen für die Sozialversicherung entwickeln.

Die hohen Lohnnebenkosten sind eines der drängendsten Probleme der Wirtschaft, und damit eines der wichtigsten Themen des Landes. Klingbeil lässt sie vor der Bundespressekonferenz weg, geht erst auf bohrende Nachfrage darauf ein. Er weiß, warum. Dem Finanzminister ist völlig klar, wie kümmerlich sein Ansatz ist – und dass er die Lösung eines der dringendsten Probleme der deutschen Wirtschaft auf den St. Nimmerleinstag verschoben hat.

Zwei Milliarden Euro Kredit für die Pflegeversicherung. Das könnte gerade so reichen, um weitere Erhöhungen des Beitragssatzes für 2025 und 2026 zu vermeiden – nachdem Karl Lauterbach (SPD) den Beitrag in seiner kurzen Amtszeit als Gesundheitsminister gleich zweimal erhöht hat. 5,2 Milliarden Euro Kredit für die Krankenkassen in zwei Jahren. Das wird vermutlich nicht einmal reichen, um für diese Zeit eine weitere Erhöhung der Kassenbeiträge zu vermeiden – nachdem diese zu Beginn dieses Jahres mit 0,8 Prozentpunkten einen Steigerungs-Rekord hingelegt haben.

Die Fach- und Wirtschaftsverbände zeigen sich entsprechend enttäuscht von Klingbeils Entwurf: „Luftschlösser“ seien die Versprechen der neuen Regierung gewesen, kommentiert der Verband der Pflege-Arbeitgeber, der AGVP: „Statt echter Unterstützung gibt es Darlehen, die im besten Fall kurzfristig stabile Beiträge sichern.“ Das sei „Kosmetik und keine wirksame Lösung“. „Wir sind enttäuscht, dass die vollständige Refinanzierung versicherungsfremder Leistungen wieder nicht angegangen wird“, kommentiert der Verwaltungsrat der GKV. Sie ist der Dachverband der Pflege- und Krankenkassen. Zehn Milliarden Euro müssen allein die Krankenkassen jedes Jahr für die Versorgung von Empfängern des Bürgergelds bezahlen. 2,6 Milliarden Euro gibt der Bund nun zurück. Als Kredit. Das sei „kraftlos“ und „wenig zielführend“, kommentiert der Dachverband – der eigentlich unter starkem Einfluss von SPD-Funktionären steht.

Der Druck auf die Beitragssätze bleibt, wie die GKV analysiert. Und sie weist auf das entscheidende Loch in Klingbeils Plan hin: „Im Jahr der Rückzahlung (der Kredite) stellt sich die Frage der Finanzierung dann erneut und noch dringlicher.“ Das gilt für die Beiträge zu Pflege- und Krankenversicherung. Das ist aber auch der Wesenszug des Haushalts von Lars Klingbeil. Er ist ein Glücksspieler. Der Finanzminister geht eine Wette ein: Er macht Schulden und gibt das Geld aus, die Wirtschaft floriert dadurch und generiert folglich mehr Einnahmen, damit will dann Klingbeil die Schulden zurückzahlen – oder wenigstens die Zinsen bedienen. Die wachsen laut Finanzministerium noch in dieser Wahlperiode von 33 auf 50 Milliarden Euro im Jahr.

Es ist Glückspiel. Nicht ausgeschlossen, dass Klingbeil mit dem Jackpot in der Hand nach Hause geht. Viel wahrscheinlicher aber, dass es in dem Ruin endet, in dem fast jedes Glückspiel dauerhaft endet. Zumal die Befürchtungen der Kritiker wahr werden: Vieles von den 850 Milliarden Euro endet nicht als Investition, die künftig mehr Gewinne generiert und so die Zahlung von Schulden und Zinsen ermöglicht. Der Staat gibt sie als Konsum aus. So macht der Bund den Ländern und Kommunen zum Beispiel keine Vorgaben, wofür sie die 100 Milliarden Euro neuer Schulden aus dem „Sondervermögen“ ausgeben dürfen – dabei war die Aufweichung der Schuldenbremse ursprünglich mit dem Versprechen verbunden, das Geld werde nur für Investitionen verwendet.

Vor der Bundespressekonferenz offenbart Klingbeil ein – in Ermangelung eines besseren Wortes – Wirtschaftsverständnis, das ein mulmiges Gefühl hinterlässt. Ein Journalist hakt nach, dass die Städte und Gemeinden jetzt mit dem Geld Sportplätze oder Schwimmbäder sanieren werden und will wissen, inwiefern das der Wirtschaft auf die Beine hilft. Klingbeil antwortet, auch der Bau eines Sportplatzes kurble die Wirtschaft an. Das muss man erst mal wirken lassen.

Und dann sezieren: 850 Milliarden Euro neue Schulden macht Lars Klingbeil. Mehr Einnahmen aus der Wirtschaft sollen die höheren Zinsen finanzieren und eine Rückzahlung ermöglichen. Etwa durch den Bau eines Sportplatzes. Nur: Die Firma, die den Zuschlag bekommt, hat durch den Auftrag ein gutes Jahr, vielleicht auch zwei. Doch schon drei Jahre nach dem Bau wird sie dadurch keine zusätzlichen Einnahmen mehr haben, die auch zu höheren Steuern führen. Eher wird sie einen Überschuss an Arbeitsplätzen abbauen, den sie während des Auftrags aufgebaut hat. Weniger Lohnsteuern, mehr Ausgaben fürs Bürgergeld. Und der Sportplatz selber wird auch kaum Einnahmen generieren. Ein paar Cent Mehrwertsteuer pro Bratwurst.

Die Wirtschaftsverbände mahnen die schwarz-rote Regierung, nicht allein auf Wachstum zu setzen, das auf Investitionen folgen soll, die der Staat mit Schulden bezahlt. Reformen im Vergaberecht seien zum Beispiel „überfällig“, teilt die Deutsche Industrie- und Handelskammer mit. Ebenso wie bei den sozialen Sicherungssystemen. Überfällig. Klingbeil geht es mit einem Arbeitskreis an, den er Kommission nennt.

„Diese Bundesregierung genießt in der Wirtschaft einen großen Vertrauensvorschuss“, analysiert der Verband „Die Familienunternehmer“. Doch das könne sich schnell ändern: „Mit einer falschen Finanzierung und zu wenig guter Wirtschaftspolitik kann das Vertrauen schnell wieder auf das trübe Ampelniveau abrutschen.“ Um Hoffnung zu wecken, müsse diese Regierung „viel schneller eine gute Wirtschaftspolitik durch Strukturreformen vorantreiben“. Auch die Familienunternehmer nennen die hohen Lohnzusatzkosten als das erste Problem, das die Regierung angehen müsse.

Der Punkt, der Klingbeil so peinlich ist, dass er vor der Bundespressekonferenz nur auf Nachfrage darauf eingeht. Der Vertrauensverlust, vor dem die Familienunternehmer warnen, wird dadurch schnell real. Und er ist nur das Wenigste. Es steht viel mehr auf dem Spiel: „Wenn… die Wirtschaft in ihrer ganzen Breite nicht kräftig brummt, wird die nächste Generation an Wohlstand verlieren.“ Doch die Regierung sorge für ein „mulmiges Gefühl“, wie es die Familienunternehmer ausdrücken: „Während die schwarz-rote Koalition die Wirtschaftswende nur zögerlich einleitet, vollzieht sie die Wende zum Rekordschuldenstaat in unglaublichem Tempo.“

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