Streit um Fraktionsräume im Bundestag: Warum es gar keinen „Otto-Wels-Saal“ gibt

vor 24 Tagen

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Bildquelle: NiUS

Der Vorgang klingt auf den ersten Blick wie die mutige Verteidigung der demokratischen Kräfte gegen böse Rechtsparteien: Die SPD will künftig im Otto-Wels-Saal zusammenkommen, obwohl dieser eigentlich der Größe nach der AfD zu steht. Das wiederum klingt, als wolle man die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag aus der großen Tradition ihres Widerstands gegen das Hitler-Regime reißen und sie zugunsten der AfD aus dem „Otto-Wels-Saal“ vertreiben. Wels, an den ein Porträt im Vorraum des Fraktionssaals erinnert, hatte als letzter Sozialdemokrat des freien Reichstags 1933 jene historische Rede gehalten, in der er der NSDAP entgegenschleuderte: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, unsere Ehre nicht!“

Doch zur Wahrheit gehört auch, dass es offiziell gar keinen „Otto-Wels-Saal“ gibt, wie die Bundestagsverwaltung auf NIUS-Anfrage bestätigte. Die SPD hat ihren Sitzungssaal schlicht selbst so genannt. Fakt ist aber: „Die Fraktionssitzungssäle haben offizielle Raumbezeichnungen entsprechend der Raumnummerierung im Gebäude“, wie die Bundestagsverwaltung schreibt. Im Falle des „Otto-Wels-Saales“ ist es die Nummer 35 001. „Darüber hinaus haben sie bisher keine Namen erhalten. Lediglich einige Fraktionen benennen die durch sie genutzten Säle innerhalb ihrer Fraktion nach Personen oder anderweitig.“

In diesem Saal wird die SPD Platz nehmen – eigentlich wäre er für die AfD vorgesehen.

Wenn es also um die Raumvergabe für die Fraktionen geht, sind rein pragmatische Gepflogenheiten – etwa über die Personalstärke der jeweiligen Parteien zu diskutieren – keine Traditionslinien oder historische Bindungen. „Die Bezeichnung von Räumen ist in der Geschäftsordnung nicht geregelt“, stellt die Parlamentsverwaltung in der Antwort auf die NIUS-Anfrage klar. Wenn die SPD also andere Räume nutzen würde, könnte sie auch die Benennung gewissermaßen mitnehmen: „In einzelnen Fällen kam es durch Nutzungsveränderungen auch zu Veränderungen der fraktionsinternen Benennungen der Säle.“ Ansonsten ehrt der „Deutsche Bundestag die Lebensleistung von herausragenden Parlamentariern der deutschen Geschichte, indem Bundestagsliegenschaften in Berlin-Mitte nach ihnen benannt werden. Bei Sälen oder Räumen werden dagegen keine Namen vergeben.“

Mit anderen Worten: Wirklich amtlich sind Namen wie „Jakob-Kaiser-Haus“, „Paul-Löbe-Haus“ oder „Marie-Elisabeth-Lüders-Haus“, die an große Namen der deutschen Parlamentsgeschichte erinnern.

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