Bundestag lehnt Linke Reichinnek zurecht ab und offenbart trotzdem ein Problem

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Das “Parlamentarische Kontrollgremium” des Bundestags erfordert einen bestimmten Typus von Politiker. In dieser Runde erhalten die Mitglieder Informationen der Geheimdienste, die aus gutem Grund nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Nicht einmal für alle Abgeordnete des Bundestages. Das Gremium erfordert Mitglieder, die schweigen können und die genügend natürliche Autorität ausstrahlen, um ihre Fraktion von Entscheidungen abzuhalten – allein aufgrund von Informationen, die sie nicht näher erörtern dürfen.

Die Fraktionsvorsitzende der Linken ist von alledem genau das Gegenteil. Sie kann an keinem Mikrofon vorbeigehen, was in ihrer Funktion auch in Ordnung ist. Auf Tiktok posiert Reichinnek zum “F…enfreitag” und im Bundestag kann sie sprachlich kein Maß halten. Etwa wenn sie nach Beschlüssen, die ihr nicht passen, die Bürger aufruft “auf die Barrikaden” zu gehen. Käme diese Formulierung von einer rechten Politikerin, würden sich die deutschen Medien in Leitartikeln und Brennpunkten zur Gefährdung “unserer Demokratie” überbieten.

Reichinnek für ihre unsolide Art zu kritisieren, spielt ihr in die Karten: Nach der Abspaltung des Bündnis Sahra Wagenknecht schien die Partei die Linke politisch tot. Ihre heute 37 Jahre alte Spitzenkandidatin als wildes Punk-Girlie zu inszenieren, rettete der Linken das Leben. Vor allem durch ihren Erfolg bei den jungen Wählern konnte die Partei bei der Bundestagswahl ein starkes Ergebnis erreichen, das ihr noch im November die wenigsten politischen Kommentatoren zugetraut haben. Wenn die Mehrheit des Bundestages ihr nun mit den Stimmen der Union den Einzug ins parlamentarische Kontrollgremium verweigert, spielt sie Reichinneks Spiel mit. Und dennoch ist es im Einzelfall richtig, der Barrikaden-Stürmerin den Zugang zu sensiblen Daten zu verweigern.

In der Gesamtheit zeigt der Vorgang allerdings auch auf, in welch absurde Situation die regierenden Parteien das Parlament mit der “Brandmauer” gebracht haben. Denn den beiden Kandidaten der AfD hat die Mehrheit des Bundestags ebenfalls den Einzug in das Gremium verweigert. Dort sitzt jetzt in der Folge nur noch ein Vertreter der Opposition, um die Geheimdienste zu kontrollieren: der Grüne Konstantin von Notz.

Das stellt die an sich richtige Entscheidung im Einzelfall Reichinnek wieder in Frage. Denn geht es um die persönliche Solidität des Grünen Konstantin von Notz, dann hätte der Bundestag ihm ebenfalls den Wiedereinzug in die sensible Runde verwehren müssen. Im Frühjahr erklärte von Notz, dass der Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl vor allem auf den Einfluss Russlands zurückging. Ohne jeden Beweis. Eine Verschwörungstheorie. Es wäre völlig okay derart zu spekulieren – kurz bevor man besoffen vom Thekenhocker fällt. Würden Bürger in sozialen Netzwerken solche Vermutungen über andere Parteien als die AfD äußern, müssten sie mit Hausdurchsuchungen rechnen. Sie stammen aber von einem Grünen mit Zugang zu Geheimdienst-Informationen – den der Bundestag in dieser Funktion jetzt bestätigt hat.

Das zeigt das Dilemma der “Brandmauer”-Politik auf. Der Bundestag macht in der Regel nicht wie im Einzelfall Reichinnek von seinem Recht Gebrauch, eine individuelle Person aufgrund berechtigter Zweifel abzulehnen. Stattdessen missbrauchen die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD zusammen mit der Reserve-Regierungspartei die Grünen immer wieder dieses Recht, um AfD-Kandidaten grundsätzlich abzulehnen. Wie auch, wenn es um den Vorsitz in anderen Ausschüssen geht. Während eine individuelle Person wie von Notz trotzdem gewählt wird. Einfach, weil er mit den Grünen in der richtigen Partei ist. Obwohl er mit seinem Russland-AfD-Rhabarber seine Seriosität eigentlich verspielt hat.

Nur noch sechs statt der vorgesehenen neun Abgeordneten kontrollieren die Geheimdienste. Darunter keiner von der Opposition. Einer von der Reserve-Regierungspartei die Grünen. Reichinnek hat sich in Interviews offengehalten, persönlich erneut für das Gremium zu kandidieren. Sie hat diese Kandidatur offen mit der Erinnerung verbunden, dass ohne die Linke die Wahl von Friedrich Merz (CDU) zum Bundeskanzler am 6. Mai nicht möglich gewesen wäre.

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