
In der Hauptstadt überstürzen sich die Ereignisse: Die geplante Neuwahl von drei Verfassungsrichtern hat bereits nach zwei Monaten schwarz-rotem Chaos die erste schwere Koalitionskrise heraufbeschworen. In der Unions-Bundestagsfraktion kam es am Morgen zum offenen Aufstand gegen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Die Fraktion will die für 12 Uhr geplante Wahl der von der SPD vorgeschlagenen und von Merz befürworteten Juristin Frauke Brosius-Gersdorf von der Tagesordnung des Parlaments absetzen. Gegen die Frau, die kein Problem damit hat, dass ungeborene Kinder auch noch „zwei Stunden vor der Geburt“ abgetrieben werden können, sind unterdessen auch Plagiatsvorwürfe laut geworden.
Nach einer turbulenten Sondersitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion schien am Morgen festzustehen, dass Brosius-Gersdorf keine Chance mehr hat, Richterin am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu werden. Um gewählt zu werden, braucht die Rechtsprofessorin zwei Drittel der abgegebenen Stimmen im Bundestag.
Sollte die SPD einer Absetzung der Wahl nicht zustimmen, will sich die Union bei der Abstimmung im Parlament enthalten. Enthaltungen zählen wie Nein-Stimmen – Brosius-Gersdorf wäre durchgefallen, Kanzler Merz von seiner eigenen Fraktion gedemütigt und die Koalition hätte ihre erste schwere Krise. Begründet wird die Ablehnung der SPD-Kandidatin jetzt nach außen mit Plagiatsvorwürfen im Zusammenhang mit der Doktorarbeit der Juristin. Intern machen Unions-Abgeordnete aber keinen Hehl daraus, was der eigentliche Grund ist: „Wenn wir diese Frau wählen, können wir uns in unseren katholischen Wahlkreisen nicht mehr blicken lassen“, beschreibt eine rheinland-pfälzische CDU-Abgeordnete die Stimmung in der Fraktion.
Die Plagiatsvorwürfe sollen gravierend sein und die fachliche Expertise von Brosius-Gerdorf in Zweifel ziehen, heißt es zudem aus der Unionsfraktion. Diese angebliche Expertise sei aber ein zentrales, auch von Kanzler Merz betontes Argument für die Wahl der SPD-Kandidatin gewesen.
Unklar war zunächst, ob es bei der Wahl der beiden anderen Richter bleibt – darunter eine von der SPD vorgeschlagene linksradikale Klima- und Enteignungsideologin.