
Demokratie kostet, Bauen für die Demokratie kostet mehr. Viel mehr.
Gerade machte das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (MELH) des Deutschen Bundestages durch eine mehrsprachige Ausstellung des Künstlers Hans Haacke „Wir (alle) sind das Volk“ Schlagzeilen, NIUS berichtete. Doch fertig übergeben ist der markante Bau an der Spree noch immer nicht. Dafür stehen drastisch gestiegenen Baukosten wuchtig im Haushaltsplan des Bundestags.
Statt der ursprünglich veranschlagten 190 Millionen Euro schlägt der 2018 begonnene und 2023 unfertig eingeweihte Bau mit 429 Millionen Euro zu Buche, wie das zuständige Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) auf Anfrage von NIUS mitteilte:
„Für die Baumaßnahme liegen die haushaltsmäßig anerkannten Kosten bei rund 429 Millionen Euro (Preisstand Dezember 2024)“, teilte eine Sprecherin mit. „Die ursprünglich 2007 von der (heute nicht mehr existenten) Bundesbaugesellschaft Berlin (BBB) aufgestellten und 2008 haushaltsmäßig anerkannten Kosten beliefen sich auf rund 190 Millionen Euro (damaliger Preisstand). Die Mehrkosten infolge der Mängel an der Bodenplatte setzen sich aus den für die Sanierung notwendigen Umplanungen sowie aus zusätzlichen Vergütungsansprüchen und Baupreissteigerungen zusammen, die auf die Verzögerung der Bauausführung zurückzuführen sind.“
Im Klartext: Baumängel und die jahrelange Verzögerung haben die Kosten mehr als verdoppelt. Zunächst brach Wasser in die Fundamente des direkt am Spreeufer gelegenen Hauses ein, mussten jahrelang teuer saniert werden, dann lief auf Grund der Verzögerung die Betriebsgenehmigung für das Blockheizkraftwerk im Keller ab, weil in der Zwischenzeit neue Standards galten.
Baumängel haben die Kosten mehr als verdoppelt, unter anderem durch Wasser, das in die Fundamente des direkt am Spreeufer gelegenen Gebäudes eindrang.
Wann das MELH, auf dessen Freiterrasse auch die ARD-Sommerinterviews aufgezeichnet werden, endgültig an den Bundestag übergeben werden kann, ist trotzdem noch immer nicht klar, wie das Bundesamt gegenüber NIUS mitteilte:
„Die bauliche Fertigstellung des Erweiterungsbaus des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses ist weit vorangeschritten und weitestgehend abgeschlossen. Derzeit läuft die technische Inbetriebnahme. Der Übergabeprozess an die Bundestagsverwaltung hat mit dem Teilbereich ,Forum Kunst‘ begonnen. Nach erfolgten Prüfungen und Abnahmen wird der Erweiterungsbau schrittweise übergeben.“ Mit anderen Worten: Läuft. Genauer Termin unklar. Bei öffentlichen Bauprojekten ist das eine Nachricht, die Skepsis weckt. Ursprünglich war von einer Übergabe im Oktober dieses Jahres die Rede. Jetzt will man sich auch darauf offenbar nicht mehr festlegen
Besucher verfolgen am 20. Juli 2025 eine Film- und Lichtprojektion zur Geschichte des deutschen Parlaments auf der Fassade des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses.
Immerhin: „Die Sanierung der Bodenplatte im 2. Untergeschoss des Erweiterungsbaus konnte 2019 erfolgreich abgeschlossen werden.“ Allerdings treibt die Verzögerung die Kosten immer weiter in die Höhe. „Die sich anschließenden umfangreichen technischen Umplanungen sind unter anderem den zwischenzeitlich geänderten gesetzlichen Vorschriften geschuldet, die maßgeblich die im Gebäude befindlichen Energieerzeugungsanlagen betrafen.“
O-Ton Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung: „Mit der im Sommer 2019 durch den Gesetzgeber eingeführten neuen Bundesimmissionsschutzverordnung (44. BImSchV) wurde eine EU-Richtlinie umgesetzt. Diese 44. BImSchV hatte gegenüber der bei Planung und Bau zugrunde gelegten EU-Richtlinie abweichende Abluftgrenzwerte festgelegt. Daher musste die aus drei Blockheizkraftmodulen bestehende Anlage im Erweiterungsbau angepasst werden. Eines der drei Module wurde ausgebaut, um räumlich die gemäß der neuen BImSchV zusätzlich erforderliche Abgasreinigungsanlage für die zwei verbliebenen Blockheizkraftmodule unterzubringen.“
Tatsächlich hätte ein Heizkraftwerk nach aktuellen Standards nicht mehr an die vorgesehene Stelle gepasst. Vor allem Abgeordnetenbüros sollen im MELH untergebracht werden, schreibt die Bundestagsverwaltung auf NIUS-Anfrage. „Neben den Büronutzungen befinden sich im Erweiterungsbau künftig ein multifunktionaler Saal für 200 Personen, Besprechungsräume in verschiedenen Größen, ein neuer Kunstausstellungsbereich ,Forum Kunst im Bundestag‘, eine Kantine, Archivflächen sowie ein Lesesaal für das Parlamentsarchiv. Die Fläche beträgt 16.300 qm (Hauptnutzfläche und Nebennutzfläche).“
Eine Außenansicht des Erweiterungsbaus des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses.
Allerdings sind das noch nicht alle Kosten mit Blick auf die Bau-Panne des MELH. Auch wegen der Bauverzögerungen wurde gleich nebenan eine Art Behelfsbau für die Abgeordneten für weitere 70 Millionen Euro errichtet, der nun allerdings wohl dauerhaft dort bleibt, weil im Zuge weiterer Sanierungsarbeiten an Liegenschaften des Bundestags immer wieder Ausweichflächen gebraucht werden, wie der Bundestag NIUS mitteilt: „Die Baukosten für den Modulbau lagen bei rund 70 Millionen Euro.“ Was die Bewirtschaftung kostet, ist unklar. „Da der reguläre Unterhalt und die Bewirtschaftung der Gebäude verschiedenen Organisationseinheiten obliegen, können keine pauschalen Angaben zum gesamten Unterhalt gemacht werden.“
Und das ist noch nicht das Ende der Bundestagsbautätigkeit. Denn obwohl das Parlament durch das neue Wahlrecht kleiner geworden ist, braucht der Bundestag weitere Flächen, die gleich nebenan entstehen sollen. „Östlich der Luisenstr. wird momentan der Luisenblock Ost I (LBO I) geplant. Die Bauarbeiten für diese Baumaßnahme beginnen voraussichtlich 2027. Die Haushaltsunterlage hierfür befindet sich derzeit in Aufstellung. Östlich des LBO I wird derzeit durch die Senatsverwaltung von Berlin ein städtebaulicher Wettbewerb erarbeitet, der voraussichtlich Anfang 2026 durchgeführt werden soll. Auf dem Areal sollen neben der Nutzung durch den Deutschen Bundestag Flächen für das Wohnen und Kleingewerbe geschaffen werden.“
Es bleibt spannend – und mit Sicherheit bleibt es auch teuer.
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