Von „Kein Mensch ist illegal“ bis „Abschiebeoffensive“: So positionieren sich die Parteien in der Einwanderungspolitik

vor 4 Monaten

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Die Zuwanderung benennen Wähler in Umfragen regelmäßig (mit) als größtes aktuelles Problem, dennoch wird die ehrliche Auseinandersetzung mit dem emotional aufgeladenen Thema meist gescheut. Lesen Sie hier, welche Positionen die größeren deutschen Parteien ausweislich ihrer Programme beim Thema Migration vertreten.

Die anhaltende Migration steht bei den Deutschen ganz oben auf der Liste der Themen, die ihnen auf den Nägeln brennen. Schließlich hat die Zuwanderung von Millionen über das Asylrecht insbesondere seit 2015 das Land verändert und bereits bestehende Probleme verschärft. Dennoch scheuen die Parteien davor zurück, das heiße Eisen vor der Wahl anzufassen – mit Ausnahme der AfD, deren Positionen medial gewöhnlich in der Tendenz nicht korrekt dargestellt werden, jedoch mehrheitsfähig sein dürften.

Die gravierenden Auswirkungen der Massenmigration machen sich vielfältig bemerkbar: Milliardenkosten, Belastung der Sozialsysteme, Wohnraummangel, ein rasanter Anstieg der Kriminalität, die steigende Gefahr des islamistischen Terrorismus. Immer wieder beteuert die Politik, etwas unternehmen zu wollen, doch passiert ist nichts. Selbst die vergleichsweise wenigen Abschiebungen vollziehbar Ausreisepflichtiger scheitern zum größten Teil. Die Politik gaukelt Entschlossenheit vor, wenn sie kurz vor Landtagswahlen einmal 28 Afghanen abschiebt – und danach geschieht nichts mehr.

Wie also stehen die größeren Parteien – also die, die nach der Wahl im Februar 2025 mutmaßlich in den Bundestag einziehen oder sich zumindest Chancen ausrechnen dürfen, zur Gretchenfrage der deutschen Politik? Ein Blick in die Parteiprogramme zeigt: Schon die grundsätzliche Einstellung zur Migration differiert zwischen „One-World“-Ideologie, Humanität, Pragmatismus und echter Sorge um das Land ob des eingeschlagenen Weges.

Hier die Positionen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, AfD, FDP, Linke und BSW im Detail:

Die Union, deren Kanzlerin vor einem Jahrzehnt die deutschen Grenzen für alle Mühseligen und Beladenen dieser Welt öffnete, will nun die Zuwanderung begrenzen und irreguläre Migration stoppen. Sie fordert eine bessere Überwachung der EU-Außengrenzen. Bis diese funktioniert, setzt die CDU/CSU auf Grenzkontrollen an den Binnengrenzen, um die Schleuserkriminalität einzudämmen. Wer bereits in einem anderen EU- oder Schengen-Staat erfasst wurde, soll zurückgewiesen werden. Nach geltendem EU-Recht ist das Land für das Asylverfahren zuständig, in dem die „Flüchtlinge“ erstmals registriert wurden (Dublin-III-Verordnung), in der Praxis reisen viele der illegalen Zuwanderer jedoch trotzdem nach Deutschland weiter.

Die Unionschefs Merz und Söder wollen einen „Politikwechsel“ – und in der Migrationspolitik ein Korrektiv.

Die Union möchte die Bundespolizei stärken, damit diese Personen ohne Duldung, Pass oder Reisedokumente festnehmen kann. Ausreisepflichtige Straftäter sollen zeitlich unbegrenzt in Abschiebehaft genommen werden. Um die Zuwanderung nach Europa zu begrenzen, fordern die beiden Unionsparteien eine EU-weite Umsetzung des Konzepts der sicheren Drittstaaten, in die sie die Asylverfahren verlagern wollen. Um die „Fluchtursachen“ zu bekämpfen, sollen Herkunfts- und Transitländer vor allem in Nordafrika unterstützt werden, um den Migranten eine Perspektive zu bieten.

Die Maghreb-Staaten will die Union zu sicheren Herkunftsländern erklären, die sie in der Praxis ja auch sind. Das neue Staatsangehörigkeitsrecht, das die Ampel einführte und Migranten bereits ab drei bzw. fünf Jahren ermöglicht, Deutsche zu werden, wollen CDU und CSU rückgängig machen.

Da die Sozialdemokraten Deutschland als Einwanderungsland betrachten und die europäische Idee offener Grenzen teilen, stehen sie der Zuwanderung grundsätzlich positiv gegenüber. Sie will eine „solidarische Migrations- und Geflüchtetenpolitik“. Entsprechend betrachtet sie „Pushbacks“ (Zurückweisungen an den EWU-Außengrenzen) kritisch, diese seien eine „eklatante Verletzung des Völkerrechts“.

Kündigte einst an, im großen Stil abschieben zu wollen – will jetzt aber Einwanderung positiv besetzen: SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz.

„Seenotrettung“ (tatsächlich die Verbringung von Migranten aus dem Mittelmeer in die EU statt in den nächsten sicheren Hafen) müsse in der EU staatlich gewährleistet werden. Auch was die „sicheren Herkunftsstaaten“ betrifft, legt die SPD andere Maßstäbe an und fordert regelmäßige Überprüfungen der Sicherheitslage in den betreffenden Ländern. Eine Auslagerung des EU-Asylsystems auf Drittstaaten lehnt sie ab, fordert stattdessen mehr legale Zugangswege nach Europa.

Wie die SPD verstehen auch die Grünen Deutschland als Einwanderungsland und pochen bei Asylverfahren auf Humanität und die Wahrung der Menschenrechte. Migranten will man integrieren und ihnen „Teilhabe“ garantieren, den Familiennachzug erleichtern. Katrin Göring-Eckardts Freude über die drastische Veränderung des Landes hält unvermindert an, die „Seenotrettung“ soll staatlich unterstützt werden, Migranten die Doppelstaatsbürgerschaft besitzen dürfen. Die Grünen sind gegen das Drittstaatenkonzept, gegen Pushbacks – die sie sogar rechtlich und politisch konsequent geahndet sehen wollen, gegen Grenzkontrollen in Deutschland und natürlich auch gegen Ausreisehaft.

Katharina Fegebank (links auf dem Podium) ist Grünenpolitikerin und zweite Bürgermeisterin von Hamburg: Hier wirbt sie für Seenotrettung – ein zentraler Punkt grüner Migrationspolitik.

Es dominiert weiter der spürbare Unwille, die Massenmigration zu stoppen oder auch nur zu begrenzen. Weiterhin gilt: Offene Grenzen und „kein Mensch ist illegal“ statt wenigstens Maßnahmen gegen kriminelle und/oder abgelehnte Asylbewerber zu beschließen.

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Der Gegenentwurf zum „Jeder ist willkommen“ der Grünen ist die Haltung der AfD, die „die desaströsen Folgen der unregulierten Massenzuwanderung seit 2015“ für unübersehbar hält, diese strikt begrenzen will und vehement eine Trendwende in der Migrationspolitik fordert. Dementsprechend hat sie ziemlich konkrete Vorstellungen davon, wie eine solche auszusehen hätte. Humanitäre Hilfe solle in den Krisenregionen selbst geleistet werden, Aufnahme in Deutschland nur „ausgewählten, besonders schutzbedürftigen Personen“ gewährt werden. Zur Abwehr unerlaubter Zuwanderung und zur Kriminalitätsbekämpfung will die AfD die Grenzen auch mit physischen Barrieren ausstatten.

Illegale Migranten sollen möglichst schon an der EU-Außengrenze abgewiesen werden, die Partei bevorzugt das Drittstaaten-Modell. Für besonders Schutzbedürftige – etwa Kinder, die medizinische Versorgung benötigen –, kann sich die AfD eine befristete Aufnahme aus humanitären Gründen vorstellen, wenn die Aufnahmekapazitäten Deutschlands dies erlauben.

Alice Weidel und die AfD sehen in der Migrationspolitik ein Kernthema – und wollen eine ganze „Abschiebeoffensive“ durchsetzen.

Alle Bleiberechtsregelungen für Ausreisepflichtige will die AfD abschaffen, stattdessen eine „Abschiebungsoffensive“ starten. Die Partei fordert die ausnahmslose Remigration von Gefährdern und Straftätern, auch nach Afghanistan, Irak und Syrien. Sollten diese nicht in ihre Herkunftsstaaten abgeschoben werden können, seien sie „hilfsweise in aufnahmebereite Drittstaaten zu überführen“. Die Verhinderung von Abschiebungen soll zum Straftatbestand erklärt werden.

Qualifizierte Einwanderung soll nach den Vorstellungen der AfD nicht nach dem Vorbild der großen Einwanderungsländer wie Kanada oder Australien, sondern eher nach japanischem Vorbild gestaltet werden und sich nach den Bedürfnissen des Landes richten. Die AfD ist für ein Punktesystem für Fachkräfte aus dem EU-Ausland, hochqualifizierte außereuropäische Bewerber sollen die „Blaue Karte EU“ bekommen (Aufenthaltstitel für Hochschulabsolventen und für Drittstaatenangehörige mit besonderer beruflicher Erfahrung).

Integration sieht die AfD als Bringschuld der Einwanderer, „Regeln, Traditionen und Werte unserer Gesellschaft“ müssten akzeptiert werden, weil dies der Identitätswahrung diene. Die Turbo-Einbürgerung lehnt die AfD ab, eine Niederlassungserlaubnis für anerkannte Asylbewerber will sie erst nach 10 Jahren erteilt sehen. Der Familiennachzug soll eingestellt, Falschangaben im Asylverfahren streng bestraft und der Missbrauch des Kirchenasyls beendet werden. So soll das „Asylparadies Deutschland“ geschlossen werden.

Sichere Grenzen und striktes Unterbinden illegaler Migration, um die Akzeptanz bei der Bevölkerung für reguläre Einwanderung von wirklichen Fachkräften zu erhöhen – das sieht die FDP ähnlich wie Union und AfD. Die EU-Außengrenze solle auch durch moderne Sicherheitstechnik geschützt werden, die Grenzschutzagentur Frontex personell ausgebaut und auch mit der Seenotrettung betraut werden, um einerseits humanitäre Hilfe zu leisten, andererseits aber die illegale Verbringung in die EU zu unterbinden.

Bijan Djir-Sarai gilt als einer der konservativeren FDP-Politiker – wurde aber jüngst erst als Generalsekretär abgesägt.

Schutzbedürftige aus Kriegsländern sollen nach Beendigung des Krieges in ihre Heimatländer zurückkehren. Ausreisepflichtige Personen sollen keine Sozialleistungen mehr bekommen und „zügig zurückgeführt“ werden, wozu die Schaffung von Abschiebehaftplätzen dienen soll. Die FDP plädiert für einen robusteren Umgang mit jenen, die keine Chance auf ein Bleiberecht hätten – diese Menschen sollten „möglichst gar nicht erst einreisen“. Auch sollen Asylbewerber in den Kommunen zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden können.

Ganz nah bei den Grünen ist in der Migrationsfrage die Linke. Sie fordert ein „Bleiberecht für alle“ und einen sofortigen Stopp von Abschiebungen, insbesondere nach Afghanistan und Syrien. Als besonders schützenswert erachten die Linken Frauen sowie wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgte Menschen. „Keine Festung Europa“ forderte die Partei bei den EU-Wahlen. Frontex soll zur „Rettungsmission“ umgestaltet werden.

„Nazis raus aus den Köpfen“ – dafür Ausländer rein nach Deutschland: Die Linke spricht sich gegen eine „Festung Europa“ aus und will Migration möglich machen.

Aufnahmebereite Städte will die Linke mit einem zu gründenden EU-Fonds für „Willkommenskommunen“ unterstützen. Grenzkontrollen innerhalb des EU-Schengen-Raums lehnt die Partei ebenso ab wie die Prüfung von Asylverfahren in Drittstaaten. Dafür setzt sie sich ebenso wie die Grünen für eine „soziale, kulturelle und demokratische Teilhabe“ von Flüchtlingen in Deutschland ein. Flüchtlingsheime sollen abgeschafft werden.

Wiewohl ein Ableger der Linken, vertritt das Bündnis Sahra Wagenknecht in der Migrationspolitik einen ganz anderen Ansatz: eine Wende nach dänischem Vorbild. Die illegale Migration müsse gestoppt werden, die Abschiebungen werden als zu schleppend und ineffizient kritisiert. Außerdem müsse das „menschenverachtende Schlepperwesen konsequent bekämpft werden“. Die Verbesserung der Kooperation mit Drittstaaten wird befürwortet.

Auch Sahra Wagenknecht plädiert für ein Ende der unkontrollierten Migration und konsequente Abschiebungen von straffälligen Migranten.

Nur wer wirklich aus politischen, religiösen oder anderen Gründen verfolgt werde und deshalb aus seiner Heimat fliehen müsse und nicht aus einem sicheren Drittstaat einreise, habe einen Anspruch auf Asyl in Deutschland. Doch nur die Hälfte der Bewerber sei wirklich schutzbedürftig, kassiere aber trotzdem Sozialleistungen, die im europäischen Vergleich zu hoch und daher Pull-Faktoren seien. Abgelehnten Asylbewerbern soll jegliche finanzielle Leistung und auch Sachleistungen gestrichen, Asylverfahren bei nachgewiesenem Urlaub in der Heimat abgebrochen werden.

So weit die Theorie – mit erstaunlichen Parallelen zwischen AfD und BSW, die beide einen Stopp der unkontrollierten Migration und die konsequente Abschiebung straffälliger Migranten fordern. Was sich in möglichen Koalitionen nach der Bundestagswahl in die Praxis umsetzen lässt, steht ohnehin auf einem anderen Blatt. Die Union etwa steht in der Migrationsfrage der AfD näher als den Grünen. Und dann ist da immer die Furcht vor dem medialen Shitstorm und dem Aufschrei der „Zivilgesellschaft“. Das Eisen bleibt heiß.

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