
In Deutschland wird im Februar gewählt und die anstehende Bundestagswahl bedeutet Wahlkampf über die Wintermonate. Wahlkampf wiederum bedeutet das Comeback des TV-Duells. Und eigentlich könnten die Bedingungen nicht besser dafür sein: Vier Parteien liegen in den Umfragen jenseits der zehn Prozent, die Wahl verspricht einen Rechtsruck und der Wahlkampf selbst durchaus Spannung. Doch angesichts der Verlautbarungen der letzten Tage fragt man sich als Wähler: Wer will hier eigentlich wen verarschen?
Denn seit gestern ist bekannt, dass es keinen Vierkampf der Kandidaten um das beste Argument geben wird, sondern lediglich Friedrich Merz und Olaf Scholz am 9. Februar in ARD und ZDF gegeneinander antreten sollen, moderiert von Sandra Maischberger und Maybrit Illner. Ein zweites Duell zwischen Scholz und Merz soll am 16. Februar bei RTL folgen, geleitet von Günther Jauch und Pinar Atalay.
Daneben, so der ursprüngliche Plan des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks, sollten dann Robert Habeck und Alice Weidel gegeneinander debattieren, wobei der Plan bereits daran scheiterte, dass der Grünen-Kandidat ankündigte, die Debatte zu verweigern. „Wir hatten ein solches Duell im Vorfeld klar ausgeschlossen und auch mitgeteilt, dass wir eine Einladung nicht akzeptieren werden“, hieß es von Seiten eines Sprechers. Seitdem wiederum fordern Grüne ein Triell, also die Teilnahme Habecks an der Diskussionsrunde zwischen Merz und Scholz – und beschuldigen ARD und ZDF, „in den Wahlkampf einzugreifen“, wie die grüne Parteichefin Franziska Brantner verlauten ließ.
Merkt denn keiner, zu was für einem hochnotpeinlichen Schauspiel die Debatte um die Debatte verkommen ist? An der Chose ist so gut wie alles belastend: die Tatsache, dass der ÖRR in die Meinungsbildung dermaßen eingreift, dass er tatsächlich nicht alle vier Kandidaten gegeneinander antreten lässt. Dass sich dies aus logistischen Gründen nicht bewerkstelligen lasse, wie manch einer anführte, ist eine reine Schutzbehauptung – und die Aufgabe von ARD und ZDF wäre es, notfalls das ganze Programm umzuwerfen und die Kandidaten drei Stunden lang zu senden, um jedem Zuschauer ein vollumfängliches Informationsangebot im Vorfeld der Bundestagswahl zu ermöglichen.
Auch die künstlich getroffene Vorauswahl entlang von hauptstadtjournalistischen Haltungs- und Abgrenzungskriterien leuchtet nicht ein: Wenn man schon nur ein Duell will, muss dieses Merz gegen Weidel heißen, da die AfD-Chefin in allen relevanten Umfragen besser als Olaf Scholz und Robert Habeck abschneidet. Die Aufgabe von ARD und ZDF kann es in jedem Fall aber nicht sein, Brandmauer-Kriterien in die Selektion der Debattenteilnehmer einzuspeisen.
Im Oktober kam es zur Debatte zwischen AfD-Chefin Alice Weidel und Sahra Wagenknecht bei „Welt“.
Und: Auch Robert Habeck blamiert sich mit seiner Verweigerungshaltung, gegen Alice Weidel überhaupt antreten zu wollen. Jahrelang hieß es, man müsse die AfD inhaltlich stellen. Jetzt, wo der grüne Wirtschaftsminister die Chance dazu hätte, AfD-Argumente zu entkräften und Menschen von sich zu überzeugen, kneift er. Das Argument, dass man Faschisten keine Bühne bieten dürfe, wirkt dabei angesichts der Tatsache, dass die „Faschistin“ Weidel in allen relevanten Umfragen besser abschneidet als Habeck, besonders befremdlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass gerade die in Politik und Medien weitverbreitete sture Verweigerungshaltung, mit der AfD überhaupt zu reden, einer der Gründe ist, weshalb die Partei seit Jahren stärker und stärker wird.
Was am Ende bleibt: Das Normalste der Welt, nämlich die inhaltliche Auseinandersetzung aller relevanten Kandidaten, bekommen die deutschen Bürger nicht zu sehen. Leidtragender dieses Vorgangs ist die politische Willensbildung. Seit gestern steht fest: Der gescheiterte Ex-Bundeskanzler entscheidet indirekt, mit wem er debattieren will; die Grünen und Robert Habeck würden gerne mitbestimmen, mit wem sie debattieren wollen. Journalisten von ARD, ZDF und RTL hingegen verstoßen gegen ihre Neutralitätspflicht und verheimlichen nicht mal mehr, wie voreingenommen sie sind – und wie sehr sie zu einem ideologischen Verlautbarungsapparat des Mainstreams geworden sind, der die AfD scheut wie der Teufel das Weihwasser.
Die Wähler haben dabei schlicht Besseres verdient als dieses unwürdige Schauspiel.
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