
Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach hat sich umfassend zur Affäre um die Verfassungsrichterwahlen geäußert. Im Gespräch mit Apollo News kritisierte Bosbach das Verhalten der Fraktionsführung der Union und die inhaltlichen Positionen von Frauke Brosius-Gersdorf. Auch über eine möglichen Richterin Kaufhold sprach er kritisch.
Das Narrativ, eine rechte Lügenkampagne hätte die Abstimmung Anfang Juli verhindert, wies Bosbach zurück. „Ich bin schon erstaunt, dass aus verschiedenen Richtungen in den letzten Wochen der Eindruck erweckt worden ist: alle, die hier Bedenken haben, sind Opfer rechtspopulistischer Propaganda, das sind alles Erzkonservative, die lassen sich hier durch Fake News beeindrucken. Ich verstehe das überhaupt nicht“. Kein Abgeordneter würde sich doch von außen sagen lassen: „Ihr seid Opfer von Desinformation. Ihr seid einer rechtsextremen Propaganda zum Opfer gefallen.“
Er sei lange genug Mitglied des Bundestages gewesen, „um zu wissen, welche Bedeutung solche Personalentscheidungen haben“, so Bosbach weiter. Die Abgeordneten würden ihre Entscheidungen „gewissenhaft prüfen“. Er sei nicht der Meinung, dass man denen, die nicht zustimmen wollten, „unlautere Motive unterstellen kann.“ Persönlich sagte Bosbach, der dem Parlament seit acht Jahren nicht mehr angehört: „Ich würde sie nicht wählen“.
Mit Blick auf die Fraktionsführung sparte Bosbach nicht mit Kritik: Es sei „sehr unglücklich“ gewesen, „dass die Union zunächst Zustimmung signalisiert hat“, nur um dann vom Widerstand der eigenen Abgeordneten überrascht zu werden. Die Ausflucht in angebliche Plagiatsvorwürfe sei wohl spontan entschieden worden, beschrieb Bosbach. Das wahre Problem blieben aber die Positionen der Kandidatin.
„Das andere hätte ja schon mindestens seit einem Jahr bekannt sein müssen“, sagte er mit Blick auf die umstrittenen Ansichten Brosius-Gersdorfs. „Ich hätte auch erwartet von meiner Partei, dass sie gesagt hätte: Das widerspricht allem, was wir in den letzten Jahrzehnten zum Thema Lebensschutz gesagt haben. Deswegen können wir die Kandidatin nicht mittragen.“ „Die SPD sagt – und da hat sie nicht unrecht: Die Union hätte ihre Bedenken viel früher artikulieren müssen. Dem kann man nicht widersprechen.“
Das öffentliche Auftreten der Juristin beschrieb Bosbach kritisch: „Sie sagt ja auch immer wieder, sie hätte nur als Wissenschaftlerin argumentiert – so, als hätte sie gar keine eigene Meinung und Überzeugung. Dann liest man aber, was sie in dem Kapitel für die Kommission der Bundesregierung geschrieben hat (…): Sie möchte, in Abweichung der prägenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1993, die ersten drei Monate der Schwangerschaft zur reinen Privatsache erklären“, beklagte Bosbach. Auch in den letzten drei Schwangerschaftsmonaten argumentiere Brosius-Gersdorf für Abbrüche, führte er weiter aus. „Sie ist nur dieser Thematik ganz elegant in allen Interviews ausgewichen, weil sie immer den Eindruck erweckt hat, sie hätte lediglich Pro und Contra abgewogen, die verfassungsrechtliche Situation dargestellt – Nein!“ Es gebe klare Aussagen der Juristin, so Bosbach.
Auch vor der zweiten Gerichtskandidatin, der Juristin Ann-Katrin Kaufhold, warnte Bosbach. „Ich gehe mal davon aus, dass die Union jetzt nicht noch eine Baustelle aufmachen will.“ Er kenne aber Personen, die sagen: „Noch schwieriger als die Personalie Brosius-Gersdorf ist die Personalie Kaufhold.“ Der Unterschied sei aber, dass Kaufhold sich öffentlich nicht so exponiert habe. Aber auch die Personalie Kaufhold hätte die Union „sich früher angucken müssen“, resümierte der Politiker.
Der SPD warf Bosbach vor, mit dem Gericht ein polittaktisches Spiel zu spielen. „Was meinen Sie wohl, warum die SPD genau diese beiden Kandidatinnen vorgeschlagen hat? Die werden sich auch etwas dabei gedacht haben“, sagte er. „Ich kann das natürlich nicht beweisen, aber ich halte es auch nicht für ausgeschlossen oder für zu weit hergeholt, dass sich die SPD bei diesen beiden Nominierungen gedacht hat: Wir kennen die rechtspolitischen Ansichten der Kandidatinnen gut, sie entsprechen unseren politischen Überzeugungen. Die können wir aber im Bundestag nicht durchsetzen, weil uns dafür die Mehrheit fehlt – also versuchen wir es übers Bundesverfassungsgericht.“