
Jetzt steht es endgültig fest: Der Berliner Senat hat der Anmietung eines Bürokomplexes in Berlin-Westend zugestimmt, um diesen in eine Asylunterkunft für 950 Personen umzuwandeln. Im Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses stimmte die Regierungskoalition aus CDU und SPD für den 118 Millionen schweren Deal mit dem Immobilienkonzern Aroundtown. Lediglich die AfD votierte dagegen. Grüne und Linke enthielten sich.
Ursprünglich war eine zehnjährige Anmietung des gesamten Gebäudekomplexes geplant, um dort 1.500 Asylbewerber unterzubringen. Das hätte den Senat 157 Millionen Euro gekostet. Doch der Widerstand der Anwohner gegen das Projekt wuchs, an der CDU-Basis in Berlin rumorte es und auch die Enthüllungen von NIUS rund um die Anmietung führten offenbar zu Verunsicherungen bei den Verantwortlichen. Mehrmals wurde die brisante Abstimmung über den Mietvertrag von der Tagesordnung im Hauptausschuss genommen.
Zu Beginn des Jahres verhandelte der Senat mit dem Gebäudeeigentümer einen neuen Mietvertrag aus, der Anfang Februar präsentiert wurde. Jetzt geht es „nur“ noch um den Gebäudeteil B in der Soorstraße 80-82 in Berlin-Westend, in den nach entsprechenden Umbaumaßnahmen ab Januar 2026 nicht mehr 1.500 Personen, sondern 950 Personen einziehen sollen. „Gebäudeteil A soll als Beherbergungsbetrieb genutzt werden“, heißt es in der Beschlussvorlage, die NIUS vorliegt.
Wer genau in diesem Teil der Immobilie beherbergt werden soll, geht aus dem Dokument allerdings nicht hervor. Ziehen hier am Ende ebenfalls Flüchtlinge ein? Handelt es sich nur um einen Taschenspielertrick des Senats?
Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin mit Cansel Kiziltepe (SPD), Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung.
Die Kosten für die Anmietung der 25.218 Quadratmeter taxiert die Sozialverwaltung auf fast eine Million Euro monatlich. Anfangs sind es genau 889.956 Euro im Monat, durch eine Mietindexierung steigt der Betrag über die Jahre deutlich an. Die Nettokaltmiete liegt pro Quadratmeter bei 24,94 Euro, dazu kommen 10 Euro Nebenkosten. Am Ende verzeichnet das Papier geplante Gesamtausgaben von 118.148.000 Euro für die zehnjährige Anmietung von 2026 bis 2035.
Am Ende hatte sich auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner gegen Widerstände in seiner eigenen Fraktion durchgesetzt und frühzeitig angewiesen, dem Beschluss zuzustimmen. Die Union will den Koalitionsfrieden mit der SPD nicht gefährden. Zuständig für die Anmietung des Gebäudes und die Ausarbeitung der Beschlussvorlage war die Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD), die als linke Hardlinerin gilt, gerade was die Einwanderungsfrage angeht. Dutzende linke NGOs werden über ihre Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung gefördert, dazu obliegt ihr die Verantwortung für die Unterbringung von Asylbewerbern. Kiziltepe lehnt die Forderung nach einem Aufnahmestopp ab und will stattdessen mehr Asylunterkünfte anmieten und bauen, um so mehr Asylbewerber in der Stadt verteilen zu können.
Profiteur der Millionenzahlungen ist unterdessen der Immobilienkonzern Aroundtown. NIUS liegen exklusiv die Grundbuchakten des Bürokomplexes vor, das dem „Projekt Soorstraße 80-82 Berlin Grundstücks ApS & Co. eGbR“ gehört. Dahinter steht der Immobilienkonzern Aroundtown. Das Unternehmen wurde vor zwanzig Jahren durch den israelischen Geschäftsmann Yakir Gabay gegründet. Mittlerweile ist es einer der größten Immobilienkonzerne Europas. Gabay begann ab 2004 in Berliner Immobilien zu investieren. Seinen formellen Sitz hat der Konzern im Steuerparadies Luxemburg, seinen operativen Hauptsitz hingegen in Berlin-Tegel in der Wittestraße 30. Dort ansässig ist ebenfalls das Tochterunternehmen „Projekt Soorstraße 80-82 Berlin Grundstücks ApS & Co. eGbR“.
Interessant ist hierbei auch die Eigentümerstruktur des Grundstücks, denn das „Projekt Soorstraße 80-82 Berlin“ hat seit 2014 zwei Gesellschafter. 40,5 Prozent der Anteile gehören dem Unternehmen „DCE1“, 59,5 Prozent der Anteile besitzt „DCE2“. Beide Firmen haben keine Angestellten und gaben in ihrem jeweiligen Geschäftsbericht für 2023 nur ein Asset an: das Grundstück in der Soorstraße 80 in Berlin-Westend. Geführt werden die Firmen von einem Angestellten der TMF Group (DCE1) und einem Mitarbeiter der Intertrust Group (DCE2), zwei Unternehmen, die darauf spezialisiert sind, Briefkastenfirmen für internationale Wirtschaftskonzerne zu betreuen. In diesem Fall ist ihr Auftraggeber also Aroundtown. DCE2 wird genau wie das „Projekt Soorstraße 80-82 Berlin“ in offiziellen Dokumenten der Bundesfinanzaufsicht als Tochterunternehmen von Aroundtown geführt. DCE1 soll einem südkoreanischen Fonds gehören.
Schon durch die Vermietung eines baufälligen Hotelkomplexes in Berlin-Lichtenberg an den Senat hatte sich Aroundtown kürzlich eine Summe von 143 Millionen Euro über zehn Jahre gesichert. Durch die Zustimmung der Regierung um Kai Wegner zur Unterkunft in Westend überweist das Land Berlin nun weitere Millionen an das Unternehmen.
Besonders brisant: Von 2013 bis 2017 saß Kai Wegner gemeinsam mit Christina Schwarzer für die Union im Bundestag. Beide kennen sich seit Jahrzehnten aus der Berliner CDU. Mittlerweile arbeitet Schwarzer in einer leitenden Position bei Aroundtown. Dem Konzern also, der dem Senat zwei Gebäude vermietet, die in riesige Asylunterkünfte umgewandelt werden.
Der Hotelkomplex in Berlin-Lichtenberg wird vom Senat für 143 Millionen Euro von Aroundtown angemietet.
Doch auch auf Senatsseite gibt es Profiteure: Verantwortlich für die Ausarbeitung des Mietvertrags war die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). Im Falle von möglichen Flüchtlingsunterkünften ist sie beauftragt, Flächen anzumieten, zur Nutzung herzurichten und dazu auch mit privaten Anbietern in Gespräche zu treten. Die Verhandlungen mit Aroundtown über die Grundstücke in Lichtenberg und im Westend führte ebenfalls die BIM.
Das Geschäft ist einträglich: 8.842 Euro monatlich fallen für die BIM laut Beschlussvorlage als „Managementvergütung“ ab. Dazu kommt für den Abschluss des Vertrages eine „einmalige Anmietungsvergütung“ in Höhe von 677.917 Euro. Das landeseigene Tochterunternehmen hatte also ein massives Interesse daran, dass der Deal zustande kommt.
Auch hier gab es merkwürdige Personalrochaden: Bei der BIM arbeitet seit 2023 Jelena Ebner in der Geschäftsleitung. Zuvor war sie seit 2016 für den Konzern Aroundtown in der Geschäftsführung tätig. Jenem Konzern also, der für die Asylunterkunft in Berlin-Lichtenberg über zehn Jahre 157 Millionen Euro vom Land Berlin erhält und für die Asylunterkunft in Berlin-Westend nun 118 Millionen Euro erhalten soll.
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