
Die Grünen flogen 2006 aus dem rheinland-pfälzischen Landtag. Damit verloren sie ihre Abgeordneten und deren Mitarbeiterstab. Ein schwerer Schlag für die Kampagnenfähigkeit einer Partei. Beim Wiedereinzug in den Landtag halfen 2011 Mitarbeiter von Abgeordneten des Bundestags und des Europaparlaments. Ein Verbrechen, dessentwegen die aussichtsreiche französische Oppositionsführerin Marine Le Pen von der Wahl ausgeschlossen wird – und das die heutige Chefin der Grünen, Franziska Brantner, ebenfalls beging. In Rheinland-Pfalz 2011.
Allein der Bundestag stellt jedem Abgeordneten einen Etat von über 25.000 Euro im Monat zur Verfügung, von dem er die Gehälter seiner Mitarbeiter finanzieren kann. Die reinen Gehälter. Die Kosten für die Sozialversicherung kommen dann nochmal oben drauf. In den Landtagen und im Europaparlament gibt es ähnliche Regelungen mit unterschiedlich hohen Etats.
Diese Mitarbeiter dienen zwar dem Abgeordneten. Er sucht sie auch aus. Doch offiziell sind sie bei dem jeweiligen Parlament angestellt. Die Arbeit für die Partei ist ihnen daher verboten. Eigentlich. Doch kaum ein Gesetz wird öfter und offener umgangen als dieses. Es sei denn, es handelt sich um einen aussichtsreichen konservativen Oppositionsführer. Dann greifen auch solche Gesetze. In zwei von 27 EU-Ländern ist es aussichtsreichen Oppositionsführern bereits verboten, zur Wahl anzutreten. Tendenz steigend. CDU, CSU und SPD bereiten unter dem Vorwand der „Volksverhetzung“ ähnliches für Deutschland vor.
Handelt es sich um linke Politiker, sind die gleichen Vorwürfe kein Problem. Zum Beispiel im Fall von Franziska Brantner. Die Vorsitzende der Grünen saß 2011 im Europaparlament. Sie vertrat dort die „Metropolregion Rhein-Neckar“, zu der auch das rheinland-pfälzische Ludwigshafen als Sitz der BASF gehört. Den Vorwand nutzte Brantner, um ihre Mitarbeiterin für den Wahlkampf der rheinland-pfälzischen Grünen aus der Außerparlamentarischen Opposition heraus abzustellen.
Der einfachste Dreh, das Gesetz zu umgehen, ist das „ehrenamtliche Engagement“ der Mitarbeiter von Abgeordneten. Wenn sie Parteimitglieder sind, kleben sie Plakate in ihrer „Freizeit“. Stehen an Ständen, nehmen an Demonstrationen teil oder besuchen Parteitage. Wie fließend die Grenzen zwischen der Arbeitszeit und der „Freizeit“ dieser Mitarbeiter sind, zeigen sie in den sozialen Netzwerken, in denen manche mehrfach am Tag Parteipositionen beziehen.
Drei Bundestagsabgeordnete der Grünen kamen seinerzeit aus Rheinland-Pfalz. Vier ihrer Mitarbeiter stellten die Abgeordneten für die Partei ab. Darunter den Autoren dieser Zeilen. 2010 waren das noch wenige Aufgaben, umso näher die Wahl im März 2011 rückte, desto mehr Aufgaben für die Partei wurden es. Das ging los mit dem Kleistern von Plakaten und endete mit der Presse-Auswertung für die Spitzenkandidaten der Partei zur Landtagswahl – die nicht die Chefs dieser Mitarbeiter waren. Drei dieser vier Mitarbeiter waren alle „ehrenamtlich“ im Kreisverband Mainz tätig und konnten so ihre Zweckentfremdung nach außen rechtfertigen. Drei der vier Mitarbeiter hatten ihre Büros in der Landesgeschäftsstelle der Partei.
Doch es gab auch eine feste Telefonrunde, in der diese Mitarbeiter ihre Unterstützung des Wahlkampfs der Partei koordinierten. Während der Arbeitszeit. Von den Diensttelefonapparaten. Zu dieser Runde gehörte auch die Mitarbeiterin der Europa-Abgeordneten Franziska Brantner. Die Mitarbeiterin war kein Mitglied in einem rheinland-pfälzischen Kreisverband. Sie nahm während der Dienstzeit an diesen Runden teil für einen Landesverband, zu dem sie nicht gehörte. Alles trotzdem „Freizeit“. Alles gängig. Auch in anderen Parteien als den Grünen. Nur im Fall der französischen Oppositionsführerin reicht es zu einer Verurteilung.
Für die Mitarbeiter lohnt sich dieses „Engagement“ ebenfalls. Die Grünen erreichten 2011 – Fukushima sei Dank – mit 15,4 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis in Rheinland-Pfalz. Sie zogen nicht nur in den Landtag, sondern gleich in die Landesregierung ein. Einer der besagten Mitarbeiter war zuvor Kreisvorsitzender der Partei in Mainz. Er erhielt Führungsaufgaben in der Verwaltung, unter anderem von der späteren Bundesministerin Anne Spiegel. Ein anderer war nur ein Mitläufer und besserer Taschenträger. Für ihn reichte es immerhin zum mittleren Management der Verwaltung. Der Autor dieser Zeilen wurde gefragt, ob er Pressesprecher in der Fraktion werden wolle – was er schließlich annahm.
Ein schlechtes Gewissen hatte der Autor seinerzeit nicht. Zu normal war dieses Verhalten immer schon. Sozialdemokratische Mitarbeiter leben es noch viel offener aus. Allen verantwortlichen Politikern ist dieses Problem bekannt. Sie verursachen es schließlich. Wollten sie es angehen – für alle gleich, wie es sich in einem Rechtsstaat gehört – dann hätten sie alle notwendigen Kenntnisse darüber. Dass dieser Missstand nun genutzt wird, um die zweite von 27 Oppositionsführern in der EU loszuwerden, zeigt den Willen der besagten Politiker, an der Macht zu bleiben. Wenn es nicht mehr über den Wähler geht, dann halt über Gerichte.