Chemiegewerkschaft fordert klimapolitische Wende

vor 11 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

In Berlin zieht ein Gewitter auf. Dem leisen Grollen, das noch vor wenigen Wochen kaum Beachtung fand, folgen nun unüberhörbare Donnerschläge: Nach dem Brandbrief von Ola Källenius an den Bundeskanzler, in dem der Mercedes-Chef eine Rückkehr zur Realität und ein Umdenken bei den strikten CO₂-Zielen forderte, meldete sich nun die Chemiegewerkschaft IG BCE mit deutlicher Kritik zu Wort. Ihre Botschaft an die Politik ist unmissverständlich: Die zerstörerische Klimapolitik aus Brüssel und Berlin treibt die Industrie an den Rand des Zusammenbruchs.

Die IG BCE fordert eine Abkehr vom deutschen Sonderziel der Klimaneutralität bis 2045. Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis machte deutlich, dass es für viele Betriebe ums Überleben gehe. 40.000 Jobs stünden auf der Kippe, 12.000 arbeiteten bereits in Kurzarbeit. Mit Blick auf das Klimaziel könne bereits die Anpassung an das geltende EU-Ziel um fünf Jahre bis 2050 ein Hebel sein – doch selbst das reiche nicht aus, so der Gewerkschaftschef, der im Namen von 570.000 Mitgliedern spricht.

Viele Unternehmen bräuchten jetzt und sofort Hilfe, andernfalls drohten Stillstand und Arbeitsplatzverluste.

Immer wieder fällt der deutsche Sonderweg auf. Im Land der streng-gläubigen Klimawandler will man mit gutem Beispiel vorangehen. Realismus, der Blick in die Welt und auf die Fakten der Klimaentwicklung werden von den Klima-Proselyten in den Medien, NGOs und der Politik so gut es geht ridikülisiert und zerstreut. Das hat Folgen. Am stärksten von der Dauerkrise betroffen sind die energieintensiven Branchen – Chemie, Kunststoffe, Gummi, Glas oder Papier. Überall fällt die Produktion, ganze Wertschöpfungsketten verschwinden. Vassiliadis’ Worte sind ein unmissverständliches Signal: Selbst in den Reihen der Gewerkschaften, traditionell SPD-nah und seit Jahren ökologistisch auf Linie getrimmt, wächst nun offener Widerstand gegen die grüne Klimapolitik.

Der Damm scheint gebrochen, das Schweigegelübde von Wirtschaft und Gewerkschaften – es ist aufgekündigt. Zu schwer wiegt die Krise der deutschen Wirtschaft, die sich im dritten Rezessionsjahr befindet und für alle sichtbar zu einem Standort mutiert ist, vor dem das Kapital flieht, anstatt sich dauerhaft anzusiedeln. Allein im vergangenen Jahr wurden 64,5 Milliarden Euro netto an Direktinvestitionen abgezogen. Das ist kein Finanzkapital, das zwischen den Börsen oszilliert. Hierbei handelt es sich um ganz reale Investitionen, die Jobs schaffen und Zukunft für die Menschen sichern.

Die Bauwirtschaft verzeichnet ebenfalls heftige Rückschläge: Die Zahl der Insolvenzen stieg im vergangenen Jahr um 17 Prozent – hohe Zinsen, sinkende Aufträge und eine kafkaeske Bürokratie paralysieren Investoren und Bauherren.

Die Industrie setzt die Segel: Chemie- und Stahlproduktion, um nur zwei Beispiele herauszugreifen, sind seit der Zeit vor den Corona-Lockdowns zweistellig um über 15 Prozent eingebrochen – Deutschlands wirtschaftlicher Abstieg ist absolut, er akzeleriert und zersetzt die Fundamente unserer Gesellschaft.

Die dramatischen Zahlen beschreiben eine ökonomische Depression. Hier von einer Rezession zu sprechen, wäre euphemistisch und würde den Schaden verdecken, den die Politik in ihrem grünen Wahn und entgrenzten Regulierungsrausch heraufbeschworen hat. Der Staat wurde zur Beute grün-sozialistischer Ideologen, die ihn zu ihrer schärfsten Waffe umschmiedeten und mit Katalogen ökologistischer Regulierungen gegen die Herzkammer der deutschen Wirtschaft, die Industrie, in Stellung brachten.

Umso mehr Achtung ist vor Källenius und Vassiliadis geboten, die sich der Phalanx der mächtigen Klima-Lobby nun in den Weg stellen und darauf hoffen müssen, Mitstreiter zu finden.

Deutschland, dies gilt in gleichem Maße für alle Staaten der Europäischen Union, wird aus wirtschaftlichen Gründen schon bald zu einer ordnungspolitischen Wende gezwungen: Kurz gesagt, den Zentralplanern in Brüssel und in den Hauptstädten der EU geht nun auch das Geld für weitere Experimente aus. Diese Erfahrung werden Sie in Kürze auch in der Rüstungsindustrie machen.

Paradigmatisch bliebe nun im Grunde genommen nur noch der Kurs, den Argentinien eingeschlagen hat. Staatsbürokratie und Regulierungsrahmen sollten mit einem Schockmoment eingedampft werden. Das Primat „Wirtschaft vor Politik“ muss wieder in Kraft treten, sämtliche Angriffe auf das Privatvermögen und die ökonomische Entscheidungsfreiheit, seien es Mindestlöhne- oder Mietendeckel, Wärmepumpenzwang oder das Verbrenner-Aus, gehören im tiefen Sumpf sozialistischer Experimente versenkt.

Dass genau zu diesem Zeitpunkt die IG Metall davon überzeugt zu sein scheint, die leidende zivile Produktion mit staatlichen Fördermitteln zur Not in eine Kriegswirtschaft umzuwandeln, wäre der Schritt vom Regeln in die Traufe.

Wir brauchen jetzt den übergreifenden Konsens, dass die Staatswirtschaft als Ganzes gescheitert ist und niemals funktionieren kann. Es muss in dieser Frage Einigkeit herrschen, um die politische Front, die Brüssel nun aufbauen wird, machtpolitisch und narrativisch zu brechen.

Man muss diese beiden Komplexe, die grüne Transformationswirtschaft sowie die angestrebte europäische Kriegswirtschaft, im Zusammenhang verstehen. Es ist der Versuch der Politik, brachliegende Industriekapazitäten wiederzubeleben, große Teile der Grundstoffindustrie und des Energiesektors unter Kontrolle zu bringen und so eine grün-sozialistische Kommandowirtschaft zu etablieren. Machterhalt geht über gesellschaftliche Prosperität und individuelle Freiheit. So klingt das Brüsseler Moll.

Doch endet die Partitur der Eurokraten abrupt. Staatsschulden, eine Dauerrezession, Arbeitsplatzabbau und, wie gesehen, wachsende Kritik am ideologistischen Kurs Brüssels drohen das Projekt der Zentralisierung der politischen Macht zu Fall zu bringen.

Dort kann man die Kritik aus Deutschland nicht mit der üblichen Ignoranz in den Wellenschlägen der Medien verhallen lassen. Wirtschaftsvertreter anderer Länder werden sich den deutschen Streikbrechern anschließen. Für Brüssel tickt nun die Uhr.

Ursula von der Leyen und ihre EU-Kommission befinden sich jetzt in einem Mehrfrontenkrieg, da auch die amerikanische Regierung den Druck auf die Regulierungs- und Zensurpolitik Brüssels erhöht. Brüssel stehen komplizierte Wochen ins Haus.

Möglicherweise haben wir in dieser letzten Augustwoche 2025 einen bahnbrechenden Weckruf der deutschen Wirtschaftselite erlebt, die nun die träge Berliner Koalition aus dem Tiefschlaf reißt. Alles andere als der vollständige Bruch mit der planwirtschaftlichen Klimapolitik wäre das Zeichen, dass die Politik entweder reformunfähig oder nicht reformwillig ist. Angesichts ihrer tiefen Verstrickungen mit dem Klimakomplex dürfte es auf einen schweren Konflikt zwischen Ideologie und Zivilgesellschaft hinauslaufen.

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