China schluckt MediaMarkt: So verläuft der US-Handelskrieg auf deutschem Boden

vor etwa 1 Monat

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Bildquelle: NiUS

Der chinesische Online-Riese JD übernimmt die deutsche Traditionsmarke MediaMarkt-Saturn. Es ist ein weiteres Kapitel des Untergangs von deutschen Konzernen im Kampf um digitale Märkte gegen Amerikaner und Chinesen. Deutschland ist nur noch das Schlachtfeld im Kampf der Online-Giganten, hat selbst aber nichts mehr zu sagen.

Auch wenn Merz, Linnemann, Klingbeil und andere Minister steif und fest das Gegenteil behaupten und vom „attraktiven Digitalstandort Deutschland“ halluzinieren. Attraktiv eben nur noch für Übernahmen von alten Unternehmen, nicht für echte Innovationen. Deutschlands Innenstädte und Handelsmarken werden jetzt chinesischer. Und die Politik kann nur zuschauen.

Es ist ein Deal, der die deutsche Handelslandschaft nachhaltig verändern könnte. Und es ist ein weiterer Schritt im Krieg der chinesischen und amerikanischen Handelskonzerne auf deutschem Boden.

Der chinesische E-Commerce-Gigant JD.com übernimmt die Ceconomy AG, die Muttergesellschaft der Elektronikketten MediaMarkt und Saturn. Mit einem Übernahmeangebot von 4,60 Euro je Aktie bewertet der asiatische Konzern das Düsseldorfer Unternehmen mit rund 2,2 Milliarden Euro – ein strategischer Schachzug der Chinesen gegen Amazon. Auffällig dabei: Deutsche Konzerne sind nur noch der Spielball zwischen China und den USA.

Der chinesische E-Commerce-Gigant JD.com übernimmt die Ceconomy AG.

Und die deutsche oder europäische Politik hat hier überhaupt nichts mehr zu sagen. Interessantes Detail dabei: Karsten Wildberger, Merz’ Minister für „Digitalisierung und Staatsmodernisierung“, war bis vor kurzem (bis 5. Mai 2025) noch selber Vorstandsvorsitzender der Ceconomy AG sowie der Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding! Wie gut es der deutschen Regierung mit dieser Historie in den eigenen Reihen gelingen wird, die deutsche Souveränität im Digitalen zu sichern und Deutschlands Stellung im weltweiten Wettbewerb zu stärken, kann schonmal kritisch hinterfragt werden. Behauptet wird von der schwarz-roten Regierung und ihren Ministern viel. Aber auch Media-Saturn stellte sich immer als unangefochtenen Marktführer dar …

Digitalisierungsminister Karsten Wildberger
war bis vor kurzem Vorstandsvorsitzender der Ceconomy AG sowie der Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding.

Kanzler Merz warnte im Wahlkampf vor der massiven Warenflut der chinesischen Anbieter wie Alibaba, JD, Temu und Shein. Er kritisierte, dass europäische Hersteller streng kontrolliert würden, während diese Plattformen bis zu 200.000 Pakete täglich ohne nennenswerte Zoll‑ oder Qualitätskontrollen nach Deutschland liefern. Der CDU‑Chef forderte „faire Wettbewerbsbedingungen“: „Wettbewerb funktioniert nur, wenn alle zu gleichen Bedingungen produzieren und liefern. Deshalb gehört die Kontrolle der Online-Plattformen aus China jetzt sehr schnell auf die Tagesordnung der Politik“, so Merz vor fast genau einem Jahr. Jetzt passiert genau das Gegenteil. Chinesische Online-Plattformen übernehmen den deutschen Markt und die deutschen Innenstädte und bestimmen die Tagesordnung in deutschen Handelsunternehmen.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann betonte am 23. Juni dieses Jahres auf einer großen Pressekonferenz zusammen mit Wildberger in der CDU-Zentrale, er wolle „Deutschland als Standort für Wachstum und digitale Exzellenz attraktiv machen“. Liu Qiangdong und sein Unternehmen JD waren jetzt schneller als die Worte aus dem Adenauer-Haus. Finanzminister Lars Klingbeil spricht sich stets und ständig dafür aus, die „Datenmacht“ von Google, Apple und Facebook zu begrenzen und gibt den Beschützer der deutschen Kunden und Unternehmen.

Während sich Klingbeil rhetorisch an den amerikanischen Konzernen abarbeitet, rollt der chinesische Angriff schon auf vollen Touren. Und auch die Unionsministerinnen Katherina Reiche und Dorothee Bär sprechen oft und gerne von der Stärkung des Digitalstandortes Deutschland. Die Übernahme von MediaMarkt und Saturn zeigt aber, wie schwach Deutschland hier wirklich aufgestellt ist.

Die Unionsministerinnen Katherina Reiche (re) und Dorothee Bär (li) sprechen auffällig oft und gern von der Stärkung des Digitalstandortes Deutschland. Die chinesische Übernahme der Ceconomy AG deutet eher auf das Gegenteil hin.

Die Geschichte von Ceconomy liest sich wie ein Lehrbuch über die Herausforderungen des deutschen Einzelhandels im digitalen Zeitalter. Und wie ein Lehrbuch über das Scheitern gegenüber schnellen amerikanischen und chinesischen Konzernen, die in ihren Ländern bessere Bedingungen für digitale Geschäftsmodelle vorfinden, als deutsche Traditionsmarken.

Was 1979 mit der Gründung von MediaMarkt in München begann und sich über Jahrzehnte als Erfolgsmodell des stationären Elektronikhandels etablierte, geriet zunächst durch den Aufstieg von Amazon unter enormen Druck. Ceconomy, aus der Metro AG hervorgegangen und seit 2017 eigenständig, kämpfte jahrelang vergeblich um eine erfolgreiche Digitalisierung. Der 2011 für 125 Millionen Euro erworbene Online-Discounter redcoon sollte den Widerstand der dezentral organisierten MediaMarkt-Geschäftsführer gegen das Online-Geschäft brechen – scheiterte jedoch 2018 kläglich. Auf den Markteintritt von Amazon war die damalige Metro-Gesellschaft nicht vorbereitet. Trotz verschiedener Versuche, das Online-Angebot zu stärken und die über 1.000 Filialen in Europa als Omnichannel-Zentren zu positionieren (Omnichannel = Kunden sollen auf allen Wegen und Kanälen erreicht werden und kaufen können), blieb der erhoffte Durchbruch aus. Wie einst von Amazon wurde MediaMarkt-Saturn dann von Alibaba, Temu und JD überrascht und überrollt.

Die Marke MediaMarkt geriet zunächst durch den Aufstieg von Amazon unter enormen Druck.

Der neue Eigentümer aus Fernost bringt eine völlig andere Kultur mit. JD.com, 1998 von Liu Qiangdong als JD Multimedia gegründet, entwickelte sich zu einem der führenden E-Commerce-Konzerne weltweit mit einem Jahresumsatz von über 150 Milliarden Dollar. Im Gegensatz zu Konkurrenten wie Alibaba oder Temu, die primär als Plattformen für Drittanbieter fungieren, setzt JD.com auf ein Modell mit eigener Logistik und lokalem Handel. „JD.com ist der richtige Partner zur richtigen Zeit“, zeigt sich Ceconomy-CEO Kai-Ulrich Deissner überzeugt. Der chinesische Konzern verfüge über „Kompetenzen im E-Commerce und in der Logistik, die weltweit führend sind“. Diese Expertise soll nun den europäischen Markt revolutionieren.

Die Geschichte von JD.com ist untrennbar mit der Person Richard Liu Qiangdong verbunden. Ursprünglich 1998 als kleiner Laden für magneto-optische Produkte in Peking gestartet, erkannte Liu schnell das immense Potenzial des Internets. Im Jahr 2004 wagte er den Sprung in den Online-Handel. Mit einem Startkapital von umgerechnet nur etwa 1.700 US-Dollar, das er sich geliehen hatte, baute Liu ein Unternehmen auf, das heute Milliarden wert ist. Liu Qiangdong ist bekannt für seine unkonventionellen Methoden und seinen unermüdlichen Einsatz. Lius Vision ist es, ein E-Commerce-Unternehmen zu schaffen, das nicht nur Produkte verkauft, sondern auch die gesamte Lieferkette kontrolliert – ein entscheidender Unterschied zu vielen seiner Konkurrenten. Und eine Strategie, die Amazon in den letzten Jahren erfolgreich vorgemacht hat.

Richard Liu Qiangdong ist der Gründer und CEO von JD.com.

Die Strategie der Chinesen basiert auf drei Säulen: Qualität, Logistik und Direktvertrieb. Im Gegensatz zu Alibaba, das primär als Marktplatz für Drittanbieter fungiert, setzt JD.com auf ein Direktvertriebsmodell. Das bedeutet, JD.com kauft die Produkte direkt von den Herstellern, lagert sie in eigenen Warenlagern und liefert sie mit der eigenen Logistikflotte aus.

JD.com hat massiv in seine Logistikinfrastruktur investiert. Mit einem riesigen Netzwerk an Warenlagern und Lieferfahrzeugen, oft unterstützt durch modernste Technologien wie Drohnen und autonome Lieferroboter, kann JD.com in vielen chinesischen Städten eine Lieferung am selben oder am nächsten Tag garantieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt der JD.com-Strategie ist die Kundenorientierung. Das Unternehmen legt großen Wert auf exzellenten Kundenservice und die Authentizität der Produkte. Dies hat JD.com das Vertrauen vieler chinesischer Verbraucher eingebracht, die Wert auf Originalware und zuverlässige Lieferungen legen. In jüngster Zeit hat JD.com auch eine Niedrigpreisstrategie verfolgt, um im Wettbewerb mit anderen E-Commerce-Plattformen zu bestehen und seine Marktposition zu verteidigen. Vor allem Media Markt hat genau diesen Ton in Deutschland schon seit Jahrzehnten gesetzt, mit dem mittlerweile ikonischen „Geiz ist geil“-Slogan.

JD muss sich vor allem gegen Alibaba und Temu behaupten, die auch seit einigen Jahren mit Macht auf den deutschen Markt drängen. In Deutschland entbrennt gerade ein wahrer Krieg im E-Commerce mit weltweiten Ausmaßen. Nur kaum einer spricht es aus. Vor allem für die Politik ist das peinlich und ein Armutszeugnis. Denn Deutschland ist nur noch das Schlachtfeld, hat aber selber nichts mehr zu sagen.

JD muss sich in Deutschland vor allem gegen Alibaba und Temu behaupten.

Alibaba, der Platzhirsch im chinesischen E-Commerce, agiert primär als Marktplatzbetreiber. Plattformen wie Taobao und Tmall verbinden Käufer und Verkäufer, wobei Alibaba selbst selten Produkte direkt verkauft. Dieses Modell ermöglicht eine riesige Produktschwemme und schnelle Gewinne, bei oft geringer Produktqualität und vielen Fälschungen. Temu, der Newcomer auf der globalen Bühne, hat sich durch seine extrem niedrigen Preise und ein gamifiziertes Einkaufserlebnis schnell einen Namen gemacht. Das Geschäftsmodell von Temu ähnelt dem von Shein: Produkte werden direkt von Herstellern bezogen und oft mit längeren Lieferzeiten direkt an den Endkunden versandt.

Alibaba ist der Platzhirsch im chinesischen E-Commerce.

Die Übernahme von Media Markt und Saturn ist weit mehr als ein reines Finanzinvestment. Deutschland fungiert für JD.com als strategischer Türöffner und Testballon für den europäischen Markt. Mit den etablierten Marken MediaMarkt und Saturn sowie der bestehenden Kundenbeziehung zu 50.000 Mitarbeitern in Europa erhält der chinesische Konzern sofortigen Zugang zu einem Markt, der bisher von amerikanischen Playern dominiert wurde.

JD.com kann sowohl online als auch an den stationären Standorten in Innenstädten und Industriegebieten das europäische Konsumentenverhalten studieren und seine Geschäftsmodelle entsprechend anpassen. Dabei müssen sehr unterschiedliche Geschäftsphilosophien in Deutschland und China zueinander passen – oder passend gemacht werden ...

Das chinesische Handelsmodell ist geprägt von extremer Agilität: Dutzende Produktvarianten werden gleichzeitig getestet, erfolglose Artikel schnell wieder aus dem Sortiment geworfen. Diese datengetriebenen Entscheidungsprozesse könnten das traditionelle, eher beratungsorientierte Geschäftsmodell von MediaMarkt und Saturn grundlegend verändern oder für immer abschaffen.

Der deutsche Markt wird chinesischer. Und die deutsche Regierung mit all ihren „Digitalminister:innen“ kann nur zuschauen.

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