
Wie Table.Media unter Bezugnahme auf eine am Montag veröffentlichte neue Leitlinie der chinesischen Regierung berichtet, plant die Volksrepublik China, das bisher nur für eigene Staatsbürger und heimische Unternehmen Anwendung findende Sozialkreditsystem auch international zu etablieren und eine engere Vernetzung mit globalen Finanzinstitutionen zu forcieren.Konkret strebt die chinesische Staatsführung an, „Kooperationen für Drittanbieter-Kreditdienstleistungen mit Ländern der Belt and Road Initiative [Neue Seidenstraße, Anm. d. Red.] und den Brics-Staaten“ einzugehen. In der Praxis würde dies bedeuten, dass ausländische Unternehmen, die in China tätig sind oder mit chinesischen Partnern Geschäfte machen, in Zukunft immer stärker den chinesischen Kreditbewertungsmaßstäben unterliegen könnten.
Die entsprechenden Unternehmen müssten dann nicht nur finanzielle und geschäftliche Kriterien erfüllen, sondern sich möglicherweise auch den politischen und gesellschaftlichen Vorgaben der Kommunistischen Partei Chinas unterordnen. Dies könnte sich nicht nur auf Geschäftspraktiken, Personalentscheidungen oder die Veröffentlichung von Unternehmensberichten auswirken, sondern auch dazu führen, dass Unternehmen sich dazu gezwungen sähen, sich nicht zu politisch heiklen Themen wie etwa der Menschenrechtslage in China oder der Taiwan-Frage zu äußern, um ihren Sozialkredit-Status nicht zu gefährden.
Chinas langfristiges Ziel scheint klar: Peking möchte nicht nur innerhalb der eigenen Grenzen wirtschaftliche Prozesse nach staatlich vorgegebenen Kriterien lenken, sondern die eigenen Vorstellungen auch auf internationaler Ebene durchsetzen. Dass das Sozialkreditsystem und damit der eigene Macht- und Einflussbereich über die eigenen Landesgrenzen hinaus ausgedehnt werden soll, wird heute auch mehr oder weniger unverblümt eingeräumt. Der chinesische Wirtschaftsexperte Tian Yun erklärte gegenüber der Global Times in dieser Woche etwa, dass das Sozialkreditsystem schon heute technisch dazu in der Lage sei, auf zwei oder sogar drei Milliarden Menschen weltweit hochskaliert zu werden und darüber hinaus als Modell für ähnliche Vorhaben in anderen Ländern diene.
Sollte China mit seinen Plänen Erfolg haben, könnte dies langfristig zu einem Handelsumfeld führen, in dem Peking durch seine Kreditbewertungen die Macht hat, über Wohl und Wehe von Unternehmen zu entscheiden – mit erheblichen Konsequenzen für die wirtschaftliche Souveränität anderer Staaten. Absehbar ist auch, dass internationale Unternehmen zunehmend vor der Frage stehen werden, ob sie sich den wachsenden chinesischen Einflussstrukturen unterordnen oder das Risiko eingehen, aus einem der größten Absatzmärkte ausgeschlossen zu werden. So oder so käme die Ausweitung eines von der Kommunistischen Partei Chinas kontrollierten Bewertungs- und Überwachungssystems auf den globalen Markt einer tiefgreifenden Zäsur für die internationale Wirtschaft gleich – und hätte das Potenzial, westliche Marktprinzipien sowie Rechts- und Unternehmensstandards zu untergraben.
China hat in den vergangenen 30 Jahren das weltweit größte und umfassendste Sozialkreditsystem aufgebaut. Bis Ende 2024 umfasste die zentrale Datenbank der chinesischen Volksbank Informationen zu 1,16 Milliarden Einzelpersonen sowie 140 Millionen Unternehmen und Organisationen. Offiziell soll das System der Schaffung eines „fairen und transparenten Marktes“ dienen, indem es Unternehmen und Privatpersonen nach Kriterien wie Vertragstreue, pünktlicher Steuerzahlung und regulatorischer Konformität bewertet.
Die Datenbank fungiert aber nicht nur als Grundlage wirtschaftlicher Bonitätsbewertungen, sondern beeinflusst auch soziale und politische Aspekte – in einem Land, das von der Kommunistischen Partei regiert wird und für seine repressiven Kontrollmechanismen bekannt ist. Tatsächlich ist das chinesische Sozialkreditsystem nicht zuletzt auch ein weitreichendes Instrument umfassender Kontrolle und Überwachung, das innenpolitisch auf die Steuerung von Marktteilnehmern und Herstellung von Konformität der Bürger mit der Regierung abzielt.