Chrupalla auf den Spuren von Friedrich Merz? Unverständnis und Kritik in der AfD nach Sommerinterview

vor etwa 14 Stunden

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Bildquelle: Apollo News

Er wollte es nicht – und landete trotzdem da. Direkt zu Beginn des ZDF-Sommerinterviews ließ sich AfD-Chef Tino Chrupalla in eine außenpolitische Diskussion treiben. Es ging um Israel und Friedrich Merz‘ Schritt, ein Waffenembargo gegen das Land zu verhängen.

Chrupalla begrüßte das schließlich mit deutlichen Worten: „Unsere Position, was zum Beispiel Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebieten angeht, ist klar. Die haben wir von Anfang an, auch im Wahlprogramm, immer abgelehnt und dazu stehen wir auch“, sagte Chrupalla. Im Grunde folge Merz der AfD.

Dann weitere Einlassungen: Israel begehe „Verbrechen“ im Gazastreifen. „In vielem, was wir gerade in Gaza sehen, was die Versorgung der Zivilisten angeht, was die hungernden Kinder angeht, was die Tötung von Kindern angeht, muss man davon sprechen, dass dort Verbrechen stattfinden.“ Diese müssten gesühnt und aufgearbeitet werden.

Der Vorsitzende scheint relativ eigenmächtig vorgeprescht zu sein – ähnlich wie bei Friedrich Merz fand eine Abstimmung dieser Äußerung offenbar nicht statt. In Teilen der Partei herrscht starker Unmut über Inhalt und Art der Kommunikation. Apollo News hört am Sonntagnachmittag von so manchem Abgeordneten, der seinem Frust Ausdruck verleiht. So ein Aufschlag, dazu auch ein Einschlagen auf den Kurs von Friedrich Merz, den man sonst so gnadenlos herunterputzt? Öffentlich will sich jedoch kaum einer äußern. Am Sonntag ist es einzig der AfD-Abgeordnete Dr. Rainer Kraft, der auf X Chrupallas Einlassungen zu Verbrechen der israelischen Armee kommentiert: „Das russische Vorgehen als Verbrechen zu bezeichnen, dazu hat es nie gereicht.“

Eine Anspielung darauf, dass Chrupalla es stets peinlich genau vermeidet, russische Kriegsverbrechen in der Ukraine anzuerkennen – in zahlreichen Auftritten fragten ihn Journalisten danach und versuchten, ihm das Bekenntnis abzuringen, Putin sei ein Kriegsverbrecher oder beispielsweise die Erschießungen in Butscha seien ein Kriegsverbrechen. Beim Thema Israel war der Vorwurf der Kriegsverbrechen hingegen schnell zur Hand.

Der Unmut ist aber auch wegen der Art des Vorgehens groß: Zuvor soll Chrupalla eine Positionierung aus der Fraktion heraus gestoppt haben, weil er als Parteichef selbst die Linie festzurren wollte, heißt es. Es ist nicht das erste Mal, dass der Vorsitzende große Teile seiner Partei in außenpolitischen Fragen vor den Kopf stößt, wenn man etwa an seinen Auftritt in der russischen Botschaft zur Siegesfeier am neunten Mai 2023 denkt. Schon damals hatten Abgeordnete intern scharfe Kritik geübt: „Wen gewinnt man damit als Unterstützer? (…) Sind unsere Umfragewerte wieder zu gut, dass wieder so eine Aktion sein musste?“, zitierte damals die Berliner Zeitung.

Heute verweist mancher darauf, dass die Deutschen laut Umfragen einen Waffenexportstopp immerhin mit deutlicher Mehrheit befürworten. Aber ausgerechnet dem Bundeskanzler ein paar „Gratislorbeeren“ zu schenken? Wen man als AfD damit gewinnen will, bleibt für manchen am Sonntag ein Rätsel. Auch, dass Chrupalla zum wiederholten Male herrisch in eine innerparteiliche Auseinandersetzung zu dem Thema eingreift, dürfte nicht allen gefallen.

Und auch der Spin Chrupallas im Interview, dass Merz damit AfD-Programmatik übernähme, verfängt nur halb. Es stimmt, dass Chrupalla schon vor Merz‘ Umschwung einen Stopp von Waffenlieferungen an Israel gefordert hatte – es dürfe „keine Lieferung deutscher Waffen an irgendeine Kriegspartei“ geben, hatte er etwa im vergangenen Jahr im Bundestag gesagt. Aber niemand glaubt im Ernst, dass Friedrich Merz sich ausgerechnet in der Außenpolitik von der AfD treiben lässt.

Im Interview wurde allerdings auch ersichtlich, dass der Moderator den AfD-Chef in das Thema und die Fragestellung, ob er Merz zustimme, etwas hineindrängte. Chrupalla schien zunächst bemüht, eine allzu klare Positionierung zu vermeiden und betonte auch, dass Israel „befreundetes Land“ und „strategischer Partner“ sei. Er berief sich dann auf die UNO und Ärzte ohne Grenzen, um zu argumentieren, dass Unrecht „kein weiteres Unrecht“ rechtfertige. Er sprach von „Verbrechen“, die stattfinden würden, ohne Israel dieser direkt zu beschuldigen, sprach über „hungernde Kinder“ und „Tötung von Kindern“. Diese Verbrechen müssten „gesühnt“ werden – Aufarbeitung fände in der israelischen Armee teilweise statt.

Später flüchtete er sich in die Argumentation, man müsse Druck auf Israel machen, damit die Geiseln freikommen könnten. Doch Moderator Wulf Schmiese ließ den AfD-Chef nicht aus der gestellten Frage heraus – und unterstrich: „Also da stimmen Sie Merz auch zu.“

Der Auftritt könnte ein jüngst erst mühsam befriedetes Konfliktfeld aufbrechen – die Außenpolitik. Erst vor wenigen Monaten gab es in der AfD lebhafte Diskussionen um die außenpolitische Ausrichtung, insbesondere im Verhältnis zu den Kriegen in Nahost und in der Ukraine. Dass Politiker aus der AfD, wie der Abgeordnete Rainer Kraft oder sein Fraktionskollege Matthias Moosdorf, sich öffentlich äußerten und die politische Kontroverse auch austrugen, kam bei der Parteispitze gar nicht gut an und wurde bestraft. Jetzt ist es der Parteichef, der das Thema erneut aufmacht – und damit zu berechtigten Gegenreaktionen einlädt. Mal wieder hat der Chef in außenpolitischen Fragen seine Partei brüskiert – mindestens in diesem Sinne wandelt Chrupalla auf den Spuren von Friedrich Merz.

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