
Am Montag hat sich im Bundestag die Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Krise konstituiert. NIUS stellt die Mitglieder vor. Unter ihnen sind Corona-Hardliner, aber auch zwei der bekanntesten Kritiker der Corona-Maßnahmen. Anders als ein Untersuchungsausschuss hat sie keine weitreichenden Befugnisse, kann beispielsweise keine Zeugen laden. Dennoch könnte spannend werden, zu welchen Diskussionen sie anrührt und zu welchen Ergebnissen sie führt.
Im Folgenden werden sie in der Reihenfolge der von ihnen repräsentierten Fraktionen vorgestellt.
Prof. Stefan Kluge – Intensivmediziner (UKE Hamburg)
Der Direktor der Intensivmedizin am UKE, Mitautor der COVID-Leitlinien, war ein radikaler Befürworter der Impfpflicht: „Alle Impfstoffe […] sind hoch effektiv in der Vermeidung schwerer Verläufe. Eine Impfung ist der Ausweg aus der Pandemie.“ (Februar 2021)
Eine Stimme für Fachkompetenz – zugleich ein Gesicht der Politik, die Grundrechte durch eine Impfpflicht massiv eingeschränkt hätte, begründet mit einer Behauptung, die Gegenstand eines spektakulären Gerichtsprozesses ist, wie NIUS berichtete. In dessen Zentrum steht der schwere Vorwurf, dass die von Seiten der Pharmaunternehmen behauptete hohe Wirksamkeit mit statistischen Tricks herbeikonstruiert wurde.
Christoph M. Schmidt – Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung
Chef des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Früh mahnend, Modelle nicht zu überschätzen: „Ob die derzeit ergriffenen Maßnahmen wirken, lässt sich zudem erst mit zeitlicher Verzögerung sagen. Ländervergleiche stoßen schnell an ihre Grenzen, weil Fallzahlen und Todesfälle nicht nach einheitlichen Verfahren erhoben werden.“
Einerseits abwägend und nüchtern – eine seltene Qualität inmitten von jahrelangem Corona-Alarmismus –, andererseits gelangte er dennoch zu dem Schluss, auf eben jene Modellierungen zu setzen: „Hinsichtlich von Statistiken gilt derzeit das Prinzip, sich beim Fahren auf Sicht durch die skizzierten Modellrechnungen leiten zu lassen, sich von Einzelinformationen jedoch nicht zu sehr beeindrucken zu lassen.“
Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, hier beim Vorstellen einer Studie zum Thema „Aufbruch Klimaneutralität“ bei der Bundespressekonferenz.
Franziska Hoppermann – CDU-Bundestagsabgeordnete, Vorsitzende der Kommission
Die CDU-Politikerin legte eine Impfpflicht nahe und kritisierte die Bundesregierung, weil sie diese zur Gewissensfrage erklärte:
„Die Zeit zum entschlossenen Handeln ist jetzt und nicht erst in ein paar Wochen. Die Bundesregierung muss Antworten liefern, insbesondere auch Klarheit schaffen, was die Debatte um eine allgemeine Impfpflicht angeht.“ Aus ihrer Sicht war es „eine klare Regierungsaufgabe, insbesondere Vorschläge zur Impfpflicht und deren Umsetzung vorzulegen.“
Ihre Rolle als Vorsitzende zeigt möglicherweise, wie stark das Lager der Impfpflicht-Befürworter auch im Rückblick die Deutungshoheit beansprucht.
Dr. Christina Baum, Claudia Weiss, Kay-Uwe Ziegler – Abgeordnete (MdBs)
Die drei AfD-Abgeordneten Christina Baum, Claudia Weiss und Kay-Uwe Ziegler vertreten die Fraktion in der Enquete-Kommission. Ziegler fungiert dabei als Obmann und ist damit der zentrale Koordinator der AfD im Gremium. Die AfD forderte schon sehr früh die vollständige Rücknahme aller Corona-Maßnahmen: Bereits im Mai 2020 legte sie im Bundestag einen Antrag zur sofortigen Beendigung sämtlicher Einschränkungen vor, bekräftigte diese Linie in den folgenden Lockdown-Monaten immer wieder und verlangte schließlich im Februar und März 2022 erneut geschlossen die Aufhebung von Maskenpflicht, 2G/3G-Regeln und Impfpflicht-Plänen.
Christina Baum (AfD) hier als Abgeordnete im Bundestag.
Baum, selbst Ärztin, gehörte von Beginn an zu den schärfsten Kritikern der Corona-Maßnahmen im Bundestag und warnte vor Impfpflicht und Grundrechtseingriffen. Weiß profilierte sich als Juristin, die immer wieder auf die Verfassungswidrigkeit von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen hinwies. Ziegler wiederum übernahm die Rolle des Strategen, der die Linie der Fraktion in der Kommission zusammenführt.
Prof. Stefan Homburg – Finanzwissenschaftler
Stefan Homburg, emeritierter Professor für Finanzwissenschaften, wurde in der Corona-Zeit zu einem der bekanntesten Kritiker der Regierungspolitik. Im Frühjahr 2020 wies er anhand eines RKI-Dokuments darauf hin, dass der viel beschworene R-Wert bereits vor dem ersten Lockdown zu sinken begann – und die Maßnahmen damit gar nicht die Ursache des Rückgangs sein konnten. Für ihn war dies der Beleg, dass die Pandemiepolitik auf einer Scheinlogik beruhte.
Seither gilt Homburg für viele als eine Art „Staatsfeind“. Er geriet ins Fadenkreuz zahlreicher staatlicher Behörden und wurde öffentlich diffamiert, während er in den sozialen Medien eine enorme Reichweite aufbaute: Rund 200.000 Follower verfolgten seine Tweets, mit denen er Tag für Tag Statistiken, Kurven und Regierungsangaben sezierte. Aus dieser Phase entstand auch sein Buch „Corona-Getwitter“, in dem er seine Analysen und pointierten Kommentare bündelte. Google hat es offenbar zensiert.
Tom Lausen wurde durch akribische Auswertungen von Krankenhaus- und Intensivdaten bekannt, die er immer wieder in scharfem Kontrast zum offiziellen Regierungskurs präsentierte.
Bundesweite Aufmerksamkeit erlangte er insbesondere mit seiner Analyse zur angeblichen Überlastung der Intensivstationen: Während Politik und RKI Alarm schlugen, zeigte er anhand der DIVI-Zahlen, dass die Engpässe vor allem durch Bettenabbau und Verlegungsmanagement entstanden waren. Gemeinsam mit dem Autor Walter van Rossum veröffentlichte er das Buch „Die Intensiv-Mafia“, in dem er detailliert darlegt, wie Krankenhauslobby und Politik die öffentliche Wahrnehmung manipulierten.
Darüber hinaus kritisierte Lausen scharf das Paul-Ehrlich-Institut, das über Jahre hinweg die Krankenkassendaten zu Impfnebenwirkungen nicht systematisch auswertete – obwohl diese Daten einen unverfälschten Blick auf tatsächliche Nebenwirkungsraten ermöglicht hätten. Seine Forderung: eine transparente Nutzung aller verfügbaren Routinedaten, um Schäden nicht zu verschleiern.
Mit weiteren Publikationen wie „Die Datenbasis der Pandemie“ und „Das Staatsverbrechen“ positionierte sich Lausen endgültig als einer der profiliertesten Datenkritiker der Corona-Politik in Deutschland.
Autor und Kritiker der Impfkampagne. Legte sich mit Politik und Mainstream-Medizin an. Michael Nehls ist ein deutscher Arzt, Molekulargenetiker, ehemaliger Radmarathonfahrer und Bestsellerautor.
Während der Pandemie veröffentlichte er mehrere Bücher, darunter „Das Corona-Syndrom. Wie das Virus unsere Schwächen offenlegt – und wie wir uns nachhaltig schützen können“ (Heyne, 2021) sowie „Herdengesundheit: Der Weg aus der Corona-Krise und die natürliche Alternative zum globalen Impfprogramm“ (Mental Enterprises), in denen er die Immunstärkung durch Lebensstiländerungen der Impfstrategie gegenüberstellte.
Neben den Sachverständigen gehören auch Abgeordnete aller übrigen Fraktionen der Kommission an. Für die Union sitzen Franziska Hoppermann, Michael Hose, Axel Müller, Lars Rohwer und Mechthilde Wittmann in dem Gremium, für die SPD Jens Peick, Daniel Rinkert und Lina Seitzl. Die Grünen werden durch Paula Piechotta und Lena Gorion vertreten, die Linksfraktion durch Gesine Lötzsch.
Die Union-Abgeordneten verteidigen überwiegend die strikten Maßnahmen der Regierung Merkel, übten im Nachhinein aber Kritik an Schulschließungen und wirtschaftlichen Folgen. Die SPD-Vertreter standen hinter der Linie der Ampel wie zuvor der Großen Koalition und plädierten vor allem für eine sozialpolitische Aufarbeitung. Die Grünen hielten am konsequenten Infektionsschutz fest, mit besonderem Fokus auf das Gesundheitswesen, während die Linken zwar viele Regeln unterstützten, zugleich aber die sozialen Härten und Ungleichheiten der Corona-Politik hervorhoben.
Andrea Kießling – Professorin für GesundheitsrechtDie Juristin aus Bochum beklagte, dass die Impfverordnung der Bundesregierung auf einer unzureichenden Rechtsgrundlage beruhte: „Es fehlt ein ausdrückliches Parlamentsgesetz“, sagte sie, das klare Ziele vorgeben müsse – etwa die Reduzierung der Mortalität oder die Unterbrechung von Infektionsketten. Auch die Priorisierung nach Alter oder Exposition hätte im Gesetz selbst geregelt werden müssen. Eine Impfpflicht für Pflegekräfte hielt Kießling zwar für verfassungsrechtlich möglich, mahnte aber: „Bevor man sich darauf festlegt, sollte man erst einmal schauen, wie hoch die Impfbereitschaft tatsächlich ist.“
Isabel Rothe – Präsidentin der BAuA
Rothe betonte, dass der Arbeitsschutz in der Pandemie eine zentrale Rolle gespielt habe: Hygieneregeln, Umbauten, Kontaktbeschränkungen – laut einer Befragung setzten 79 Prozent der Betriebe spezielle Corona-Regeln um. Nach der Pandemie müsse Arbeitsschutz „Teil des betrieblichen Alltags“ bleiben. Auch Homeoffice-Pflichten waren für sie kein Tabu. Die SPD schickt mit ihr eine Sachkundige ins Rennen, die das Corona-Paradigma der Regierung restlos akzeptierte und praktisch auszugestalten versuchte.
Michael Müller – Ehemaliger Bürgermeister von Berlin
Michael Müller (SPD) profilierte sich als einer der härtesten Pandemiebürgermeister. In Berlin führte er die 2G-Option ein, mit der Restaurants und Clubs freiwillig auf strengere Regeln umstellen konnten. Öffentlich forderte er zudem eine allgemeine Impfpflicht und erklärte: „Ich glaube, wir werden um eine Impfpflicht nicht mehr drumherum kommen.“ Selbst im Privatleben machte er keinen Unterschied: In der ARD-Sendung hart aber fair sagte er im Dezember 2021, bei einem Kaffeetrinken mit ihm sei der Impfstatus entscheidend – „Jemand, der nicht geimpft ist, wird zu diesem Kaffeetrinken nicht kommen können.“
Mit Michael Müller ist als Sachverständiger ein Politiker (!) vertreten, der Ausgrenzung nicht nur staatlich organisierte, sondern auch persönlich lebte.
Inzwischen wirkt er wieder entspannter: Michael Müller mit Partnerin Reyhan Şahin beim Classic Open Air 2025 in Berlin, Konzert von Gregory Porter am 13. Juli.
Professor Armin Nassehi – Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Soziologie und Gesellschaftstheorie an der Ludwig-Maximilians Universität München
Nassehi ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Soziologie und Gesellschaftstheorie an der LMU München. Bekannt ist er als Gesellschaftsanalytiker mit systemtheoretischem Hintergrund. In der Pandemie trat er wiederholt mit Essays und Interviews hervor, in denen er die gesellschaftlichen Reaktionen auf Corona deutete. Für ihn war das Virus weniger ein medizinisches als ein gesellschaftliches Phänomen, das Schwächen und Brüche in Institutionen sichtbar machte.
Damit schicken die Grünen keinen Mediziner oder Juristen, sondern einen Theoretiker ins Rennen – einen der prominentesten Soziologen Deutschlands, der den Blick auf „gesellschaftliche Lernprozesse“ lenken dürfte, statt auf konkrete politische Fehler. Der zweite Sachverständige der Grünen ist noch nicht benannt.
Rolf Rosenbrock – Sozial- und Gesundheitswissenschaftler
Langjähriger Experte für Sozialmedizin. Politisch eng an linke Public-Health-Diskurse angebunden, die in der Pandemie auf Solidaritätsrhetorik und kollektiven Zwang setzten. Einmal sagte er:
„Wenn man das Vorsorgeprinzip ernst nimmt, muss man am Anfang eher zu viel als zu wenig tun.“
Damit rechtfertigt er harte Maßnahmen und Einschränkungen, selbst wenn deren Nutzen unsicher war – ein Satz, der zeigt, wie sehr er auf maximale Vorsicht statt auf Verhältnismäßigkeit setzte.
Insgesamt besteht die Kommission aus 14 Abgeordneten und 14 Sachverständigen. Sie alle im Detail vorzustellen, hätte den Rahmen dieses Artikels gesprengt. Deutlich wird jedoch schon jetzt: In dem Gremium sitzen Vertreter nahezu aller Strömungen, die während der Pandemie sichtbar wurden – von vehementen Befürwortern harter Maßnahmen und Impfpflichten bis hin zu entschiedenen Kritikern des Regierungskurses.
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