
Kennen Sie den Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan“? Wenn ja: Chapeau! Wenn nein, gehören Sie wahrscheinlich zu jenen 99,9 Prozent der Bundesbürger, die noch nie einen Abschlussbericht solch eines Enquete-Gremiums gelesen haben.
Vorsitzender jener Afganistan-Enquete war Michael Müller (SPD), der bereits als Regierender Bürgermeister von Berlin gezeigt hat, wie man eine Hauptstadt politisch und wirtschaftlich zu Grunde richtet. Und es ist auch jener SPD-Müller, der seinerzeit die flächendeckenden 2G-Regeln verteidigte. Wer jetzt nicht geimpft sei, verhalte sich egoistisch und gleichgültig. Und weiter: „Es kann nicht so weitergehen, dass eine Minderheit eine Mehrheit dominiert und deren Gesundheit gefährdet“, sagte Müller im November 2021. Deshalb müssten Ungeimpfte nun damit leben, vermehrt vom öffentlichen Leben ausgeschlossen zu werden. Noch einmal: Die Ungeimpften müssten nun damit leben, ausgeschlossen zu werden.
Wie beim über 100 Seiten umfassenden Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan“ ist zu vermuten, dass abermals auch in der Enquete-Kommission „Lehren aus Corona“ viel Papier auf Steuerzahlerkosten für die Bundestagsbibliothek produziert werden. Denn eine wirkliche Aufarbeitung der Corona-Pandemie kann es mit dem Format einer Enquete-Kommission nicht geben. Und es ist anzunehmen, dass man sich bei den Verhandlungen zum vorliegenden Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD schnell einig darin war, dass es keine Aufarbeitung der Corona-Pandemie in Deutschland geben soll!
Die Gründe liegen auf der Hand: Ein Großteil jener Politiker, die in den Jahren zwischen 2020 bis 2022 folgenschwere Fehlentscheidungen zulasten der Bevölkerung getroffen haben, sind bis heute in Amt und Würden. Eine Aufarbeitung – insbesondere der eigenen Fehler – wäre das Letzte, was all diese Mandatsträger für die aktuelle Legislaturperiode brauchen. Dabei braucht unser Land diese Aufarbeitung dringender denn je.
Bei den Fehlern in Afghanistan war der Blutzoll einfach zu benennen: 60 tote deutsche Soldaten. Wie viele Deutsche aufgrund von politischen Fehlentscheidungen in der Corona-Pandemie allein bis zum April 2025 in Deutschland gestorben sind, ist noch nicht publiziert. Da es laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD keinen Corona-Untersuchungsausschuss geben soll, werden von dieser Stelle auch keine Nachfragen dazu kommen.
Fragen wie diese sind in einem Corona-Untersuchungsausschuss an der Tagesordnung. Im Format einer Enquete-Kommission hingegen werden keine Zeugen gehört. Dort ist es irrelevant, ob das Coronavirus Sars-CoV-2 aus einem Labor im chinesischen Wuhan stammt. Dort können auch keine Mitarbeiter des BND zu näheren Auskünften über ihre Erkenntnisse befragt werden. Auch die Frage, ob ein die Bundesregierung beratender Virologe jemals einer Sicherheitsprüfung unterzogen worden sei, bleibt unbeantwortet.
Zum Glück sind sowohl die über 100 Seiten umfassenden Abschlussberichte von Enquete-Kommissionen als auch der 146 Seiten umfassende Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD am Ende nur bedrucktes Papier. Es liegt nun auch am persönlichen Einsatz des kommenden Bundeskanzlers Friedrich Merz, das Wort „Enquete-Kommission“ durch „Untersuchungsausschuss“ zu ersetzen. Sonst würden weiterhin rund 17,5 Millionen Deutsche von der Bundesregierung in Berlin ausgegrenzt werden. Oder wie es Berlins Regierender Bürgermeister (a.D.) und Enquete-Ausschussvorsitzender Müller formuliert hatte: Die Ungeimpften müssen nun damit leben, ausgeschlossen zu werden.
Dr. Saskia Ludwig (CDU) ist Abgeordnete des Brandenburger Landtags und war von Dezember 2019 bis Oktober 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie arbeitet im Corona Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtages mit.