
In Thüringen haben das BSW sowie vier Abgeordnete der CDU den Antrag für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zur Aufarbeitung der staatlichen Maßnahmen während der Corona-Pandemie eingereicht. CDU-Landeschef Mario Voigt ist zwar nicht an dem Antrag beteiligt, hat jedoch ebenfalls seine Unterstützung für das Vorhaben signalisiert. Dass eine echte Aufarbeitung von diesem Untersuchungsausschuss nicht erwartet werden darf, wurde jedoch schon nach den ersten Statements des BSW deutlich.
Stefan Wogawa, gesundheitspolitischer Sprecher des BSW im Thüringer Landtag, war nach der Ankündigung sichtlich darum bemüht, die Gemüter großer Teile der Presse abzukühlen. Man plane nicht eine Generalabrechnung mit den politischen Handelnden. Es sei nicht alles richtig gelaufen, jedoch gehe es nicht darum, „mit dem Finger auf Einzelne zu zeigen oder Menschen vorzuführen“. Und weiter: „Es geht uns jetzt wirklich nicht um eine platte Schuldzuweisung“.
Sinn und Zweck des Untersuchungsausschusses sei es vor allem, „dass bei künftigen Pandemielagen solche Fehler nicht noch einmal passieren“. Auch die CDU Thüringen will den Blick „nach vorn“ richten, wie man auf X (vormals Twitter) erklärt: „Es geht um einen konstruktiven, nach vorn gerichteten Ansatz, um Lehren für Pandemien und andere Krisen ziehen zu können.“
Die Aussagen von Thüringens BSW-Chefin Katja Wolf stimmen ebenfalls nicht zuversichtlich. Ihre Motivation für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses sei es gewesen, „nicht allein der AfD“ das Thema zu überlassen. Immerhin räumte sie ein: „Wir haben uns natürlich gesellschaftlich an vielen versündigt.“
Doch auch sie erklärte gegenüber dem MDR keine Schuldzuweisungen vornehmen zu wollen. Es gehe nicht darum, „die Schuldfrage zu stellen“. Man wolle für die Zukunft aus vermeidbaren Fehlern lernen und etwa Schulschließungen und das Absagen von Weihnachtsmärkten vermeiden. So könne man den Riss, der durch die Gesellschaft gegangen sei, wieder kitten, glaubt Wolf.
Doch so, Frau Wolf, wird das nichts! Eine Aufarbeitung, die irgendetwas wiedergutmachen möchte, muss sich natürlich mit der Schuldfrage auseinandersetzen. Außerdem müssen jenseits von Detailfragen endlich die heißen Eisen angepackt werden. Wie konnte es so weit kommen, dass mittels Maßnahmen wie 3G, 2G oder 2G+ (die Liste ließe sich endlos fortführen) de facto eine Mehrklassengesellschaft eingeführt wurde?
Weshalb hat sich von der CDU bis zur Linken zumindest zeitweise nahezu jede Partei für die Einführung einer Impfpflicht ausgesprochen? Und das in dem Wissen, dass ein solches Gesetz in das individuelle Recht auf körperliche Unversehrtheit eingreift und damit nach herrschender verfassungsrechtlicher Auffassung auch Artikel 1 des Grundgesetzes, die Würde des Menschen, attackiert?
Weshalb wurden (allein in Thüringen) friedliche Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen von Erfurt bis in die Kleinstädte hinein mit Pferdestaffeln und Wasserwerfern zusammengetrieben, eingekesselt, erkennungsdienstlich behandelt und anschließend mit Bußgeldern in dreistelliger Höhe belegt?
Wie konnte es in Deutschland zu einer solch aufgeheizten Stimmung gegen die ungeimpfte Minderheit kommen? Was hat Markus Söder dazu verleitet, Ungeimpften zu erklären, man würde sie „in der Gemeinschaft“ wieder „willkommen“ heißen, wenn sie sich impfen ließen? Wie kommt Söder dazu, Ungeimpfte de facto für Aussätzige zu erklären und sie nicht mehr als Teil der Gesellschaft zu betrachten?
Was hat Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer angetrieben, öffentlich zu fordern, Ungeimpften ihre Pensions- und Rentenleistungen zu kürzen? Wie kam Marie-Agnes Strack-Zimmermann dazu, Ungeimpfte mit Terroristen zu vergleichen? Wer hat der ZDF-„Komikerin“ Sarah Bosetti das Recht gegeben, Ungeimpfte zu entmenschlichen und als „Blinddarm“ zu bezeichnen? Was ist in Friedrich Merz vorgegangen, als er erklärte, dass Ungeimpfte „das Land in Geiselhaft“ nehmen würden?
Und wieso sind all die genannten Personen noch in Amt und Würden, obwohl sie ihre charakterliche Untauglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, unter Beweis gestellt haben? Diese und noch viele weitere Fragen müsste ein Untersuchungsausschuss beantworten, wenn es um ernsthafte Aufarbeitung gehen würde.
Von dem Untersuchungsausschuss kann man all das jedoch nicht erwarten. Im Erfurter Landtag macht sich der Bock zum Gärtner. Dass die CDU und das BSW kein großes Interesse an „Schuldzuweisungen“ haben, liegt auf der Hand. Mario Voigt forderte im Spätsommer 2021, unterschiedlich hohe Krankenkassenbeiträge für Geimpfte und Nicht-Geimpfte zu erheben.
Noch weniger ist Katja Wolf damit aufgefallen, sich kritisch gegenüber den staatlichen Corona-Maßnahmen zu positionieren. In Eisenach fanden thüringenweit mit die größten Corona-Demonstrationen statt. Die damalige Oberbürgermeisterin Katja Wolf ist dort jedoch nie in Erscheinung getreten und hat nicht den Austausch mit den Bürgern gesucht. Im Gegenteil: Per Allgemeinverfügung hat Wolf im Dezember ein pauschales Verbot sogenannter „Hygienespaziergänge“ erlassen.
Wem ernsthaft daran gelegen ist, gesellschaftliche Gräben zuzuschütten, muss die Corona-Zeit umfassend aufarbeiten. Nicht erst die RKI-Protokolle haben gezeigt, dass die staatlichen Corona-Maßnahmen infrage gestellt werden müssen. Es gilt, Millionen Menschen, die als Ungeimpfte oder Maßnahmenkritiker diffamiert wurden, zu rehabilitieren. Und ja, auch Schuldfragen müssen gestellt und beantwortet werden. Eine glaubwürdige Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen wird es jedoch weder mit Mario Voigt noch mit Katja Wolf geben.