
Ann-Katrin Kaufhold ist neben Frauke Brosius-Gersdorf die zweite von der SPD vorgeschlagene Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht. Während sich das zumindest vorläufige Scheitern der Verfassungsrichterwahl vor allem an der Person Brosius-Gersdorf aufgeladen hatte, war die Berichterstattung über Ann-Kathrin Kaufhold vergleichsweise dünn. Ein Blick auf ihre Positionen zeigt jedoch, dass Kaufhold nicht weniger kontroverse Ansichten vertritt als Brosius-Gersdorf. Mehr noch: Ihre Positionen könnten deutlich unmittelbarer die Grundrechte der Bevölkerung tangieren.
Die Professorin der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat sich vor allem im Bereich des Klimaschutzes geradezu aktivistisch geäußert. In einem Interview an ihrer eigenen Fakultät erklärte sie, dass Klimaschutz nicht nur Aufgabe der Parlamente, sondern auch die anderer Institutionen sei. „Wenn wir über eine gesamtgesellschaftliche Transformation sprechen, und die braucht es, dann müssen wir an allen Stellschrauben drehen“, so Kaufhold. Weiter erklärt sie: „Wir müssen Routinen brechen und zu einem anderen Zusammenwirken aller Sektoren finden“.
Der Parlamentarismus würde sich beim Klimaschutz regelmäßig als Hemmschuh erweisen. Abgeordnete seien auf die „Wiederwahl angewiesen“, so die Professorin. „In der Folge tendieren sie wohl dazu, unpopuläre Maßnahmen nicht zu unterstützen“. Anders sei dies bei Gerichten und Zentralbanken. Sie seien unabhängig und eigneten sich „zunächst einmal besser, unpopuläre Maßnahmen anzuordnen“. Kaufhold gibt allerdings zu bedenken, „dass diese Maßnahmen nicht in gleicher Weise Akzeptanz finden“ könnten.
Doch nicht nur die Institutionen, sondern auch die Finanzmärkte müsse man auf Klimaschutz trimmen, meint Kaufhold. „Der Finanzsektor verfügt über unglaubliches Potenzial und entscheidet, wohin wir uns bewegen“. Aus diesem müsste man den Finanzmarkt „demokratisieren“. Dass Investitionen „im Wesentlichen von den Finanzinstituten und Unternehmen gesteuert“ werden, sei ein Problem, befindet Kaufhold. Stattdessen sollte „die gesamte Gesellschaft“ daran teilhaben.
Finde der Klimaschutz so statt, wie Kaufhold ihn offenbar für erforderlich hält, dann sei klar, dass sich die Definition von Wohlstand ändern müsse. „Geht es um Wohlbefinden? Darum, ein Leben zu führen, das einem gefällt? Das ist meiner Ansicht nach auch CO2-neutral möglich“, so die Verfassungsrichterkandidatin. Weiter erklärt sie allerdings: „Wenn Wohlstand bedeutet: Es muss alles so weitergehen wie bisher – dann wird das nicht klappen“.
Fest stehe Kaufhold zufolge jedenfalls, dass rasch Klimaschutzmaßnahmen angegangen werden müssten. Dass durchgreifende Maßnahmen kommen müssen, sei ohnehin klar. Je länger man warte, desto restriktiver müssten diese ausfallen. Dies bedeute auch, dass „diese so massiv und einschneidend“ sein müssten, „dass von den Freiheitsrechten der Bevölkerung nicht mehr viel übrigbliebe“, so Kaufhold im Wortlaut. Um dieses der Professorin zufolge denkbare Szenario zu verhindern, müsse der Gesetzgeber nun schleunigst handeln.