
Kurz vor Beginn des SPD-Mitgliedervotums über den Koalitionsvertrag mit der Union erhöht die Parteispitze den Druck auf die Basis. Parteichef Lars Klingbeil warnte am Montag auf einer Dialogkonferenz in Hannover eindringlich vor den Folgen eines Scheiterns.
„Ich möchte, dass wir uns nicht wegducken, und ich möchte, dass wir die Zukunft dieses Landes gestalten“, sagte Klingbeil. „Es steht verdammt viel auf dem Spiel. Und deswegen geht es darum, die Frage zu beantworten, ob wir es hinbekommen, eine stabile Regierung in diesem Land zu bilden.“ Seine Warnung: „Wenn wir das jetzt verbocken, wer weiß, was das für die Bundestagswahl 2029 oder 2033 in diesem Land bedeutet.“
Zum Anlass seiner Warnung nahm Klingbeil offenbar auch die jüngste Aussage von Jens Spahn. Der Unionsfraktionsvize hatte gefordert, man solle im Bundestag mit der AfD „umgehen wie mit jeder anderen Oppositionspartei“. Ohne Spahn namentlich zu nennen, sprach Klingbeil von Stimmen in der Union, die eine Normalisierung des Verhältnisses zur AfD wollten. „Wenn wir scheitern, dann werden die lauter“, warnte er. „Wenn das scheitert, dann wird es Neuwahlen geben, oder dann wird es vielleicht eine Minderheitsregierung geben.“
Auch die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken warb um Zustimmung, räumte jedoch ein, dass der Koalitionsvertrag „voller Kompromisse“ sei. „Das ist nicht SPD pur“, sagte sie. Besonders in der Rentenpolitik könne sich das Ergebnis dennoch sehen lassen. Es gehe nun darum, das Vertrauen in die Demokratie zurückzugewinnen, die unter Beschuss stehe. Manche sprächen bereits von einer „letzten Chance“, so Esken.
Das Mitgliedervotum startet am Dienstag um 8 Uhr. Rund 358.000 SPD-Mitglieder sind stimmberechtigt und können bis zum 29. April online abstimmen. Das Ergebnis soll am 30. April bekanntgegeben werden. Die SPD-Jugendorganisation will indes gegen den Koalitionsvertrag mit CDU/CSU stimmen. Juso-Chef Philipp Türmer begründete die Entscheidung mit inhaltlichen Defiziten: „Unser Votum lautet Ablehnung. Für die Zustimmung der Jusos bräuchte es deutliche Nachbesserungen“.