Das Dilemma der AfD

vor 30 Tagen

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Bildquelle: Apollo News

Die AfD dominiert alle Schlagzeilen – aber nur als Projektionsfläche. Als Projektionsfläche für Wähler, die vor allem gegen alle anderen Parteien stimmen wollen, die sie als so gleichförmig empfinden. Für Linke ist die AfD eine Projektionsfläche für die eigenen Nazi- und Weimar-Fantasien. Über die AfD führen wir hauptsächlich Scheindebatten, wie jüngst das wirklich peinliche Verfassungsschutz-Gutachten gezeigt hat.

Und so müssen wir feststellen: Die Öffentlichkeit weiß über die AfD selbst eigentlich fast gar nichts. Alexander Gauland sagt im Interview mit uns, das am heutigen Sonntag am Nachmittag erscheint, dass der aktuelle Aufstieg der Partei „nicht unser Verdienst“ sei – das ist der Kern eines merkwürdigerweise kaum beleuchteten Phänomens.

Weite Teile der Medien haben einen Journalismus geprägt, der in Bezug auf die AfD statt auf das Ziel des Erkenntnisgewinns auf die Vernichtung der Partei setzt. Interviews mit AfD-Politikern bleiben so bei den gleichen Floskeln und oberflächlichen altbekannten Debatten stecken, am liebsten bleibt man bei Wortklaubereien und Formulierungs-Distanzierungs-Tänzen. Doch während große Teile der Medien gar nichts dazu beitragen, um die wirklichen Positionen und Ideen der AfD aufzuzeigen, verfolgt ein Großteil der Wähler die AfD ohnehin direkt über die sozialen Netzwerke.

Wie keine andere Partei hat die AfD ein eigenes Medienimperium geschaffen, mit Millionenreichweiten, dazu angegliederte Parteimedien – eine direkte Folge des Versagens der klassischen Medien. So bringt die Partei letztlich vollkommen ungefiltert und unkritisiert ihre Sicht in die Öffentlichkeit.

Es war einer der großen Qualitätsbeweise der deutschen Presse – und ihr eigentlicher Beitrag zur Etablierung der Demokratie – dass es ihr gelang, nach dem Krieg die in der Weimarer Republik so dominanten Parteimedien vollständig zu verdrängen. Das war keine Folge von Regulierung, es war der Sieg der großen Verlegerpersönlichkeiten auf dem Markt – weil die freie, kritische Presse es ganz selbstverständlich vermochte, schlichtweg interessanter zu sein als die allzu berechenbaren Parteiblätter. Die Etablierung des überparteilichen Hamburger Abendblatts gegen die ursprünglichen Pläne der britischen Besatzungsmacht gehört zu den großen Lebensleistungen von Axel Springer.

Die sich ganz offensichtlich vollziehende Rückkehr der Parteimedien stellt insofern eine ganz besonders schmerzhafte Blamage dieses Berufsstandes dar. Die Medienlandschaft zerfällt zunehmend in Anti-AfD- und AfD-Medien. So allerdings kann die Presse ihren Korrekturmechanismus nicht mehr erfüllen. Allein das sollte jedem zu denken geben, allein deshalb schon ist die Idee des Anti-AfD-Journalismus absurd.

Diese Befreiung von jeder echten Kontrolle macht übrigens auch die neue heimliche Macht der Partei aus. Donald Trump scheint gerade auch deshalb so allmächtig, weil er genau die gleiche Geschichte hinter sich hat – die Medien haben sich abgenutzt und  jede Wirkung gegen ihn verloren.

Gleichzeitig kommt es zu einem zweiten Effekt in Bezug auf die AfD, der ebenfalls unentdeckt und wenig diskutiert bleibt. Ein Großteil der Medienlandschaft begann sich seit 2013, auf die AfD einzuschießen – und von Anfang an die Faschismus-Keule zu schwingen, auch gegen Personen wie Bernd Lucke, bei dem so ein Vorwurf gerade aus heutiger Sicht vollkommen lächerlich erscheint. Es wurde von Anfang an die Radikalisierung herbeifantasiert. Allein: In gewisser Hinsicht ist ein solcher Vorwurf eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Man kann eine Radikalisierung so auch induzieren. Der unheimliche mediale Druck, die permanenten Versuche der Vernichtung gegenüber der Partei drücken natürlich bürgerlich etablierte Persönlichkeiten zunehmend aus der Partei. Gleichzeitig gilt: Die Anreize für die Partei und ihre Führung, auf eine Mäßigung und eine Verbürgerlichung hinzuwirken, sind gering: Die AfD steigt, egal, was sie macht. Es ist eines der großen Paradoxe unserer Zeit, dass der politische Versuch, die AfD zu vernichten, nicht nur dazu führt, dass die AfD stärker wird, sondern auch, dass sich innerhalb der AfD so tendenziell die radikaleren Elemente durchsetzen können.

Doch es geht nicht primär um eine inhaltliche Radikalisierung. Es geht um eine ungesunde Verhärtung und Unversöhnlichkeit und darum, dass einige AfD-Politiker oft nur noch Aussagen danach ausrichten, mehr Social-Media-Reichweite zu bekommen. Dadurch werden sie immer schärfer und bisweilen geschmacklos. Die Ästhetik – die Peinlichkeit – zeigt uns zuallererst tiefergehende Fehlentwicklungen an.

Entgegen der medialen Darstellung hatte die AfD durchaus einen funktionalen Kompass bürgerlicher Politik, eine Verlässlichkeit in ihren Positionen, auch das ist Teil ihres Erfolgs – zuletzt zeigt sie sich aber zunehmend entgrenzt und insofern auch beliebig. Das beste Beispiel ist die Russland-Frage – von einer ja vertretbaren Friedensforderung steigert sich die Partei zunehmend in eine (auch bizarr anti-nationale) pro-russische Position hinein, in eine Position der vollkommen unkritischen Haltung gegenüber des in jeder Hinsicht nicht-konservativen und anti-bürgerlichen russischen Regimes. Das Ende der Fahnenstange ist erreicht, wenn ausgerechnet AfD-Politiker dann schlichtweg das russische Propaganda-Narrativ vom Tag des Sieges übernehmen und einfach darüber hinwegsehen wollen, welches unermessliche Leid die Sowjetunion über Deutschland und Europa gebracht hat.

Das ewige Gerede über die angebliche Bösartigkeit der AfD, die Geschichtsvergleiche, die zuallererst die historische Unbildung jener entlarven, die sie ziehen, sind keine Antwort darauf. Man muss die demokratische Schieflage insgesamt erkennen, die nur seltsame Blüten überall und auf allen Seiten treibt.

In gewisser Hinsicht kann man all diese Effekte auch als Folge der geistigen Brandmauer verstehen – als eine Folge eines gestörten Kommunikationsfelds hin zur AfD, an dem viele Journalisten, insbesondere bei den öffentlich-rechtlichen Medien, täglich arbeiten. Diese Schützenhelfer versuchen mit aller Macht, das zu verhindern, was aus jeder Perspektive wünschenswert wäre: Ein gesundes, kritisches Debatten-Verhältnis zwischen der AfD, den Medien und ihren Wählern. Genau hier muss eine Berichterstattung über die AfD ansetzen.

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