
Nach der Merz-Ankündigung zu einem Waffenembargo gegen Israel laufen Basis und auch Amtsträger weiter Sturm gegen den Bundeskanzler. Bemerkenswert vor allem: Während immer mehr CDU-Abgeordnete öffentlich die Entscheidung kritisieren, stellen sich kaum Unionspolitiker hinter den Parteichef.
Bei vielen CDU-Größen herrscht stattdessen ein für den Kanzler gefährliches Schweigen. Von Fraktionschef Spahn genauso, aber auch Generalsekretär Linnemann ist kein Wort zu hören. Merz‘ Entscheidung war offensichtlich auch ohne sie gefallen.
Die CSU hatte diesen Umgang mit einer sofortigen Distanzierung über die Presse beantwortet – dort ist ein Aufstand schon in vollem Gange. Auch weil man sich dort noch viel mehr übergangen fühlt als in der CDU. Nicht zu Unrecht: Schließlich wurde das Embargo in Absprache von SPD-Chef Klingbeil und CDU-Chef Merz beschlossen – also nur auf der allerhöchsten Parteichef-Ebene. Das brüskiert einerseits die CDU-Basis und Parteigremien, aber noch mehr eben die CSU, die schließlich auch Teil der Koalition ist. Denn ihr Parteichef Söder wurde ganz und gar nicht gefragt. Ein Vorgang, der sich kaum rechtfertigen lässt.
Die Parteien zu übergehen und nur im kleinsten Kreise zu entscheiden – das ist zwar nicht ohne Risiken, ließe sich aber vielleicht noch nach interner Machtlogik begründen. Aber eine ganze Partei und ihren machtbewussten Vorsitzenden Markus Söder zu übergehen, ist nochmal viel gefährlicher. Und öffnet jetzt – gerade nach dem bereits schon bestehenden massiven Druck aus der CDU – erst recht die Tür für neue Machtspiele aus Bayern.
Dadurch liegt auch der Ball bei Söder: Er hätte jetzt erst recht jeden nachvollziehbaren Grund für eine Attacke auf den Kanzler – in dieser Sache nicht nur mit Rückendeckung der eigenen Partei, sondern auch der CDU-Basis. Aber öffentlich sagt auch Söder noch nichts. Scharfe Angriffe auf den Kanzler, wie sie jetzt schon von einigen CDU-Funktionären kommen, hält er sich aktuell offenbar noch als Munition in der Hinterhand.
In einer langen Telefonschalte besprach sich gestern Abend nun die CSU-Spitze. Ergebnis: Noch unbekannt. Aber klar ist, dass hier etwas kocht – hinter den Kulissen, berichten Unions-Insider, sollen Abgeordnete auch von der CDU Sturm laufen.
Eine für Sonntag anberaumte Sondersitzung des Arbeitskreises Außenpolitik der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag dürfte jedenfalls kaum ausreichen, um die CSU zufriedenzustellen. Schließlich geht es nicht nur um Inhalte, sondern auch die Art der Entscheidung über die Köpfe der Partei hinweg.
In der ebenfalls als Telefonschalte vorgesehenen Sondersitzung soll nun Merz‘ außenpolitischer Berater Günter Sautter Bundestagsabgeordnete beruhigen. Mitarbeiter dürfen nicht teilnehmen, auch offenbar aus Angst weiterer Leaks – ob das reicht, bleibt fraglich. Genauso die Frage, ob es CDU- und CSU-MdBs reicht, wenn ihnen Sautter, ein einstiger Steinmeier- und Baerbock-Vertrauter, erklären will, wie die Welt funktioniert und wieso man das Merz-Embargo mittragen müsse.
Egal wie das Treffen wird – für die CSU-Spitze dürfte das Übergehen der eigenen Parteiführung damit nicht vom Tisch sein. Schon bei der Stromsteuer hatte sich diese Dynamik entfaltet, nachdem Merz und Klingbeil im Zwiegespräch das Abweichen vom Koalitionsvertrag beschlossen hatten, ohne Söder zu fragen. Der Preis dafür war die vorgezogene Mütterrente.
Dazu kommen eben auch die Spannungen in der CDU selbst. Es ist gut möglich, dass das Sautter-Gespräch im Fiasko endet und in der Fraktion erst recht einen Aufstand lostritt. Und unabhängig von der Fraktion wurden auch im CDU-Parteiapparat schließlich für so eine 180-Grad-Wende auch alle Parteigremien bis hin zum Präsidium übergangen. Von der Funktionärsebene könnte der Druck also ebenso noch zunehmen.
Faktisch steht Merz aktuell so in der Union fast ganz allein da. Klar ist: Über das Wochenende wird der Kanzler, der in den Augen der meisten Unionsabgeordneten den vielleicht letzten intakten Grundstein des zerrütteten CDU-Wertefundaments zerschlägt, die Gemüter kaum beruhigen können.